Berlin. Perspectives: „Mit der Faust in die Welt schlagen“ zeigt eine Jugend auf dem platten sächsischen Land. Warum der Debütfilm stark ist.
Anfangs geht dem Papa (Christian Näthe) ein Licht auf. Per Countdown zählt er mitsamt Familie den Moment herunter, bis die Birne im neuen Eigenheim leuchtet. Doch schnell ist alles aus. Wackelkontakt. Alles neu eben hier, bei Hoyerswerda 2006. Der Job, naja in Bayern. Eisenbahnbau in Bautzen ist nicht mehr.
Die Gattin (Anja Schneider) schiebt Nachtschichten als Krankenschwester. Und die Söhne Philipp (Anton Franke) und Tobias (Camille Moltzen)? Lassen Hausaufgaben liegen, gucken lieber auf die nette Klassenkameradin oder die richtig großen Jungs.
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Werden aus solchen Kindern Nazis? Constanze Klaue sucht in ihrem Debütfilm „Mit der Faust in die Welt schlagen“ nach dem gleichnamigen Roman von Lukas Rietzschel nicht nach einfachen Lösungen. Sie dokumentiert eher nüchtern, wie die Beziehungen der Menschen untereinander genauso wenig funktionieren wie der nicht fertig werdende Neubau mit seiner Außentoilette und dem flackernden Licht.
Wie keine Chance auf Bildung besteht, wenn der Bus, der hier auf dem platten Land überlebenswichtig ist, nicht am Gymnasium hält. Und wenn der Vater, der seine Arbeit verliert, dem Alkohol verfällt und dessen kleine Jungs die großen Jungs mit deren schicken schwarzem Golf entdecken. Den Ramon, den Timo und den Menzel. Keiner trägt hier Glatze, aber sie werfen mit Freude Schweineköpfe über den Zaun beim Türken.
„Mit der Faust in die Welt schlagen“: Lehrerin mit Katzenpuppen
Man ahnt, dass derlei Aktionen aus der großen Leere entstehen, wenn die alten Gewissheiten perdu und die Väter weg sind und Menzels Onkel Uwe, der Tobias und Philipps Papa noch beim Eigenheim geholfen hatte, tot im Graben liegt. Sah ja schon aus wie ein Leistungsempfänger, meinte der altkluge Nachbar.
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Man wohnt nahe, aber ist sich doch so fern. „Mit der Faust ins Gesicht schlagen“ dokumentiert den Extremismus gegenseitiger Entfremdung. Dafür hat die Regisseurin einen starken Cast gefunden, mit Meinhard Neumann als Ossi-Verlierer Uwe oder Steffi Kühnert als überdrehter Lehrerin, die mit Fünftklässlern via Katzenpuppen redet.
Da erscheint es nur konsequent, dass später in dieser Schule ein Flüchtlingsheim entsteht. Und wieder geht ein Licht auf. Und diesmal geht es nicht aus. Es brennt sicherlich noch heute.
Termine: 20.2., 15.30 Uhr, Colosseum 1; 21.2. 14.45 Uhr, Cubix 9