Berlin. Frédéric Hambaleks Familiendrama mit Julia Jentsch, Felix Kramer und Laeni Geiseler und ist der zweite deutsche Beitrag im Wettbewerb.

Julia (Julia Jentsch) und Tobias (Felix Kramer) sind das perfekte Paar. Sie haben gutbezahlte, fordernde Jobs, ein schickes Eigenheim mit Designerküche und eine aufgeweckte Tochter, Marielle (Laeni Geiseler). Doch dann kommt es an der Schule zu einem Streit mit einer Mitschülerin, die Marielle eine Ohrfeige verpasst.

Eine Ohrfeige mit ungeahnten Folgen

Der Schlag hat unvorhergesehene Folgen. Plötzlich besitzt die Tochter scheinbar telepathische Fähigkeiten und ist in der Lage, alles mitzuverfolgen, was ihre Eltern den ganzen Tag tun. Julias heißer Flirt mit einem Kollegen oder der Konflikt im Buchverlag, den Tobias am Esstisch herunterspielt. Und damit beginnt ein Gedankenspiel um die Frage, wie eine Familie überlebt, wenn es keine Geheimnisse mehr gibt.

Die Eltern wiegeln erstmal ab, halten die Aussagen ihrer Tochter für Hirngespinste, werden dann ärgerlich, drängen Marielle zu verraten, woher sie Situationen und Dialoge im Detail nacherzählen kann, bei denen sie nicht dabei war. Sie vermuten technische Tricks und drohen ihr das Tablet wegzunehmen, schleppen sie zum Kinderpsychologen, sprechen untereinander Französisch, weil ihre Tochter das nicht versteht. Unter der kindlichen Dauerüberwachung beginnt die Fassade der Erwachsenenwelt und ihrer kleinen und größeren Lügen zu bröckeln.

Ein unaufhaltsamer Prozess setzt sich in Gang, von gegenseitigem Misstrauen, Schuldzuweisungen und Manipulationen, aber auch kurzen Momenten schmerzhafter Ehrlichkeit, aus der Not heraus. Doch wie lässt sich ein Leben auf Dauer aushalten, in dem wirklich nichts unerkannt bleibt? Als sich die Eltern gar nicht mehr anders zu helfen wissen, stellen sie selbst ihr Ideal gewaltfreier Erziehung infrage.

Das Publikum wird zum Teil der Versuchsanordnung

Schon der erste Blick gilt uns. In Großaufnahme schaut Marielle da direkt in die Kamera, von oben herab. Was sieht sie? Was denkt sie? Was hat ihr Gesichtsausdruck zu bedeuten? Ein irritierender Moment, noch bevor die Handlung einsetzt, der das Publikum zum Teil der Versuchsanordnung macht.

„Was Marielle weiß“ ist der zweite Langfilm des 1986 in Karlsruhe geborenen Frédéric Hambalek, dessen für 10.000 Euro selbstfinanziertes Debüt „Modell Olimpia“) 2020 in Tallin Premiere feierte und danach weitgehend unbeachtet blieb. Mit seinem kompakt erzählten, immer wieder überraschenden Familiendrama ist der Autodidakt eine der Entdeckungen im diesjährigen Wettbewerb.

Termine: 18.2., 11.45 Uhr, Uber Eats Music Hall, 22 Uhr, HKW1; 23.2., 15.30 Uhr, Berlinale Palast