Berlin. Frankreichs Kino-Star Marion Cotillard als eisige Schneekönigin: Der Psychothriller „La tour de glace“ im Wettbewerb
Majestätisch ist das Reich der Eiskönigin. Ihr Palast besteht aus Schneewehen, schneidender Wind bildet die Fenster: Mit Bildern, die durch die Facetten eines Kristalls in irisierende Einzelteile gebrochen sind, beginnt Lucile Hadžihalilovićs Berlinale-Beitrag „La tour de glace“.
Eine Schneekönigin nicht aus dem Märchen - sondern vom Film
Jeanne, die man in der zweiten Einstellung in einer abweisenden Berglandschaft sieht, lebt in einem Waisenhaus. Der jüngeren Rose liest die Jugendliche Andersens Märchen von der Schneekönigin vor, einer sie faszinierenden Figur, deren Kuss beinahe tötet.
Angezogen von der Postkarte einer ehemaligen Mitbewohnerin, die eine Eisbahn zeigt, macht sich Jeanne (Clara Pacini) allein auf den Weg in die Stadt. Überwindet mit ihren Wanderschuhen einen gefrorenen Gipfel, rappelt sich nach einem Sturz wieder auf und flieht vor dem vermuteten Übergriff des Mannes, der sie als Anhalterin mitgenommen hat.
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In der Stadt tritt sie das Fenster zu einem riesigen Gebäude ein, das sich als Filmstudio erweist. Dort wird ausgerechnet eine Version der Schneekönigin gedreht. Durch einen Spalt zwischen den Kulissen erblickt Jeanne, die sich in ihrem Ausreißerleben Bianca oder: die Weiße nennt, die Hauptdarstellerin Cristina von den Berg (Frankreichs Kinostar Marion Cotillard).
Bilder im Halbdunkel, irisierend durch einen Kristall
Gebannt von Cristinas Präsenz, reißt Jeanne einen Kristall von deren Kostüm; durch ihn haben wir anfangs auch das Modell des Eisturms betrachtet, das im Filmset aufgebaut ist. In Hadžihalilovićs psychologischer Coming-of-Age-Geschichte spiegeln sich die brüchigen Erzählebenen ineinander.
Mit der instinktiven Unverfrorenheit einer jungen Frau, die sich in einer Welt ohne Verbündete behaupten muss, fügt sich Jeanne in die Filmwelt ein. Gibt sich als Statistin aus und schafft es, mit Unterstützung der launischen Cristina, welche Jeannes heimlichen Voyeurismus beobachtet, eine zentrale Darstellerin zu ersetzen.
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Hadžihalilović inszeniert nun einen fast wortlosen Tanz oder: ein Ringen zwischen den beiden Frauen, die Mutter und Tochter sein könnten und wie Doppelgängerinnen aussehen. Die divenartige, drogenabhängige Cristina, so einsam und kalt wie die von ihr verkörperte Schneekönigin, wuchs ebenfalls im Waisenhaus auf. Ihr Plan für eine gemeinsame Zukunft ist allerdings ein anderer als der, den Jeanne verfolgt.
Preziöse Welten erschafft Lucile Hadžihalilović und entfaltet in getragenem Tempo ihre Geschichte um Begehren und Selbstbehauptung. Evoziert werden die Filmwelten der 70er Jahre, in denen „La tour de glace“ spielt. Hitchcock, Rivette oder Dario Argento liefern einige der Scherben, aus denen Hadžihalilović ihren Psychothriller zusammensetzt. Anstrengend, aber sehenswert.
Termine: 17.02. 12:45 Uhr Uber Eats Music Hall, 17.02. 22 Uhr HKW 1, 21.02. 21:45 Uhr Berlinale Palast, 22.02. 15:30 Uhr Zoo Palast 1.