Berlin. Burhan Qurbani verlegt Shakespeares „Richard III.“ in die heutige Berliner Clan-Kriminalität: „Kein Tier. So wild“ im Berlinale Special.
Welch ein Wagemut. Welch eine Ansage. Der Berliner Regisseur Burhan Qurbani verlegt William Shakespeares bluttriefendes Stück „Richard III.“ kühn in das heutige Berlin. Der Rosen-Thronkrieg wird hier nicht zwischen rivalisierenden Herzoghäusern geführt: Die Lancasters und Yorks, sie sind hier – verfeindete Clan-Banden. Und doch sprechen sie die alten, hehren Knittelverse, die Schlegel und Tieck einst ins Deutsche übertragen haben. Aber darunter mischen sich immer wieder auch Slangausdrücke, Flüche und F-Wörter. Und ein gerüttelt Maß an Kanak-Sprak.
Die Hauptfigur: kein verwachsener Mann, sondern - eine Frau
Die größte, mutigste und spannendste Neuerung aber ist die, dass Richard III. hier nicht als buckliger, verunstalteter Mann gezeigt wird. Sondern als Frau, Rashida, die schon deshalb einen Kampf gegen alle führt, weil sie sich als Frau in dieser testosterongeladenen Milieu durchsetzen muss.
Eine doppelte Verfremdung: Erst spielen Kinder in einer fernen Wüste ein Kinderspiel. Dann sitzen wir im Berliner Amtsgericht bei einem Prozess um eine Bluttat zwischen den verfehdeten Clans. Die Yorks auf der einen, die Lancasters auf der anderen Seite. Familien, die aus der fernen Wüste kamen und nun in Berlin das Gesetz der Straße bestimmen.
Lesen Sie auch: So gut war Qurbanis „Berlin Alexanderplatz“
- Filmfestspiele: Berlinale 2025 – Das Programm im Überblick
- 75 Jahre Festival: Ein Streifzug durch die Geschichte des Festivals
- Der Rote Teppich: Schräge Outfits, nackte Haut und ein paar Aussetzer
- Der Ehrengast: Warum der Goldene Bär an Tilda Swinton überfällig ist
- Fotoalbum von Tricia Tuttle: Die neue Intendantin des Festivals ganz privat
Berlinale-Veteranen mögen sich erinnern: Vor genau 30 Jahren lief hier eine andere Verfilmung von „Richard III.“, mit Ian McKellen, dem späteren Gandalf. Der britische Regisseur Richard Loncraine verlegte den 500 Jahre alten Rosenkrieg damals in den Zweiten Weltkrieg. Schon das eine mutige Aktualisierung. Aber nichts im Vergleich zu dem, was Qurbani hier abfackelt.
Der ist ein echtes Berlinale-Kind. Vor 15 Jahren hat er hier mit seinem provokanten „Shahada“ debütiert. Und vor fünf Jahren mit einer Neuverfilmung von „Berlin Alexanderplatz“ begeistert, die ebenfalls im heutigen Berlin spielte. Fand er dort starke Berlin-Bilder, spielt „Kein Tier. So wild“ aber überwiegend in dunklen, klaustrophobischen Räumen und zunehmend fantasievoll entrückten Kulissen, die die Herkunft von der Bühne nie verleugnen. Das mag manche etwas abschrecken. Aber „Kein Tier. So wild“ ist unbedingt sehenswert.

Wegen seiner kühnen Neuinterpretation. Wegen Auftritten von Verena Altenberg und Hiam Abbas. Vor allem aber wegen seiner Hauptdarstellerin. Kendra Hmeidan war schon im Berlinale-Eröffnungsfilm „Das Licht“ zu sehen, in einer kleinen Rolle, in der sie doch markant hervorblitzte. Hier aber ist sie das Kraftzentrum des Films. Als Frau, die männlicher sein will als alle Kerle. Und dabei toxisch wird.
Termine: 15.2., 19 Uhr, Cubix 9; 17.2., 21.30 Uhr, Colosseum 1; 19.2., 21 Uhr, Wolf Kino; 20.2., 10 Uhr, Urania; 21.2., 13 Uhr KKW 1