Berlin. Selbe Figuren, neue Konflikte: Die Fortsetzung von Karoline Herfurths Erfolgsfilm überrascht mit ganz anderen Tönen: „Wunderschöner“.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so kennen wir das aus Märchen, dann leben sie noch heute. Etwas märchenhaft ging vor drei Jahren auch Karoline Herfurths Film „Wunderschön“ zu Ende. Sonja (Herfurth) und ihr Mann Milan (Friedrich Mücke) haben ihre Krise trotz Kinder- und Arbeitsüberforderung bewältigt, Sonjas Freundin, die Lehrerin Vicky (Nora Tschirner), gab ihr überzeugtes Single-Dasein auf, um es doch mal mit ihrem Kollegen Franz (Maximilian Brückner) zu probieren.
In Teil Zwei ist alles beim Alten, also im Argen
Milans Schwester Julie (Emilia Schüle) gab ihre ehrgeizigen Pläne als Model auf, für die sie sich bis zur Erschöpfung heruntergehungert hat. Selbst die Eltern (Martina Gedeck und Joachim Król) von Julie und Milan brachten neuen Schwung in ihre eingeschlafene Ehe. Und alle tanzten in ein optimistisches Happy End.
Aber, das ist die Krux am Leben, es hört nicht, wie Märchen, auf, wenn’s am schönsten ist. Sondern geht weiter. Drei Jahre nach ihrem Kinohit hat die Regisseurin und Schauspielerin Herfurth nun ihre erste Fortsetzung gedreht. „Wunderschöner“ hängt die Messlatte titelmäßig noch mal etwas höher. Aber schön oder gar schöner ist eben nix. Sondern alles beim Alten, also wieder im Argen. Sonja ist mittlerweile mit den Kindern aus- und bei Vicky eingezogen. Mit Milan versucht sie es bei einer Paartherapie, muss dann aber feststellen, dass er sich wohl mit einer Jüngeren trifft.
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Vicky wiederum hatte sich endlich auf einen Mann eingelassen, doch nun bekommt der kalte Füße. Haut ab und lässt sie allein zurück. Und Julie kommt vom Regen in die Traufe, als sie bei einer Fernsehshow als Aufnahmeleiterin einsteigt. Und vom Produktionsleiter wie selbstverständlich angegraben wird. Auch wenn sie Nein sagt.
Wer Teil Eins kennt, der wird sich gehörig wundern
Ging es in „Wunderschön“ noch um tradierte Geschlechterrollen und Optimierungswahn, ums Gefallen-Wollen und Gut-Aussehen-Müssen, so geht „Wunderschöner“ noch mehr ans Eingemachte. Diesmal geht es um Sexualität, um Seitensprünge und Vertrauensbrüche. Vor allem aber auch um Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe.
Wer Teil Eins nicht kennt, wird erst mal nicht ganz durchsteigen bei den bereits eingeführten Figuren. Wer Teils Eins kennt, wird sich aber auch gehörig wundern. Denn ein paar Figuren fehlen – die Eltern und die Schülerin Leyla (Dilara Aylin Ziem), die zu ihrer fülligen Figur stand.
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Dafür kommen neue hinzu: Mit Nadine (Anneke Kim Sarnau) – die Mutter zweier Kinder, die von Vicky unterrichtet werden –, die herausbekommt, dass ihr Mann, der Berliner Finanzsenator Philipp (Godehard Giese), Sex mit einer Prostituierten hatte. Zum Schock der gemeinsamen Kinder nimmt Nadine das junge, verstörte Mädchen aus dem Osten kurzerhand bei sich auf. Um es vor ihrem Freier zu schützen. Der dann aber bald im Garten der Familie steht.
Eine ganz andere, viel ernstere Grundtonalität als im ersten Film
Fans des ersten Teils dürften also überrascht sein. Es gibt zwar auch hier komische Momente, etwa wenn sich Karoline Herfurth am Pole Dance versucht. Doch bei aller Situationskomik schlägt die Fortsetzung eine ganz andere, viel ernstere Grundtonalität an. Wenn der Produktionsleiter Vicky angräbt und der weibliche Star der Show dann lieber sie rausschmeißt, als über #MeToo zu diskutieren, kann einem das Lachen schon vergehen. Da tut es richtig weh.
Es ist schon recht kühn von Karoline Herfurth, ein eigenes Erfolgsformat zu benutzen, um ganz andere Themen anzusprechen, die im deutschen Kino selten bis nie verhandelt werden, aber dringend verhandelt werden müssen. Und ein Publikum mit Reizthemen zu konfrontieren, die sonst vielleicht nicht dafür ins Kino gehen würden. Ein Mut, dem man Respekt zollen muss.
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In ihrem fünften Regie-Film zitiert Herfurth sich schon selbst. Wenn sie sich mit Nora Tschirner eine WG teilt und die sie zu einer Dating App überredet, erinnert das nicht von ungefähr an ihr Regiedebüt „SMS für dich“. Und in „Wunderschöner“ spielen nicht nur die Darsteller des ersten Teils mit, sondern weitere Wegbegleiter wie Anneke Kim Sarnau (aus Herfurths „Sweethearts“). Sie alle tragen diesen Film, auf dem „Komödie“ drauf steht und der doch so viel mehr ist.
Nicht immer ganz realistisch – aber so viel Märchen muss schon sein
Am Ende, so viel sei verraten, gibt es auch noch ein Wiedersehen mit Leyla, die in einem Stadion Baseball spielt und nach dem entscheidenden Sieg von ihrem Manager abgeküsst zu werden droht. In dieser Szene hält der ganze Film den Atem an, stehen alle Zuschauer auf der Tribüne empört auf.
Dem liegt ein realer Fall zugrunde. Da freilich sind die Leute sitzen geblieben und haben erst später reagiert. Herfurth zeigt, wie es richtig gehen sollte. Davon ist die Realität leider noch weit entfernt. Aber so viel Märchen, so viel Hoffnung auf einen Wandel in der Gesellschaft darf’s ruhig sein.
Tragikomödie, Deutschland 2025, 134 min., von Karoline Herfurth, mit Karoline Herfurth, Nora Tschirner, Emilia Schüle, Friedrich Mücke, Anneke Kim Sarnau, Maximilian Brückner