Bochum. „Bochum, ich komm‘ aus dir“ war früher, heute singt Herbert Grönemeyer „Mein Osten“. Was das mit Politik, Rassismus und Silbermond zu tun hat.

„Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt,/Ist es besser, viel besser, als man glaubt.“ Wenn Herbert Grönemeyer diese Zeilen schmettert, geht beinahe jedem im Ruhrgebiet geborenen Mensch das Herz auf. „Bochum“ ist die liedgewordene Liebeserklärung an eine kohleverstaubte Industriestadt. Und sie ist auch die Erkennungsmelodie von Grönemeyer, die im Ruhrstadion und anderswo die Massen in Heimat-Euphorie stürzt.

Und jetzt das?

„Meine Wurzeln, mein Revier,/Mein Osten, mein Osten/Hab‘ Bescheidenheit von dir/Mein Osten, ich steh‘ zu dir.“ Ein krasser Wechsel von West nach Ost? Nein, kein Grund zu Besorgnis: Herbert Grönemeyer hat nicht plötzlich seine Wurzeln verleugnet und rübergemacht, er singt nur im Duett – mit Stefanie Kloß von Silbermond. Und das bei einem Song, den es zwar schon mal gab, der aber gerade jetzt hochpolitisch ist: „Mein Osten“ von Silbermond.

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„Ich glaube, es ist einfach eine wunderbare Liebeserklärung, nicht nur an den Osten, sondern es beschreibt die Unsicherheit im Land selber“, sagt Herbert Grönemeyer in einem Instagram-Video, das Silbermond gepostet haben. 

Den traurigen Anlass für diesen Song lieferten ursprünglich die flüchtlingsfeindlichen Ausschreitungen in Bautzen im Jahr 2016, also in der Heimatstadt von Silbermond. 2019 erschien er schon mal als Single, aber er blieb trotz des Hymnen-Charakters ohne Erfolg in den Charts.

Angesichts von Bundestagswahl und Rechtsruck ein wichtiges Statement

Nun singt Grönemeyer jene Refrain-Zeilen, die die aktuelle politische Situation in Deutschland am besten beschreiben: „Risse gehen durch Familien/Und ein Riss geht auch durch mich/Denn ich weiß, mit Mittelfingern/Lösen wir dieses Problem hier nicht.“

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Kurz vor der vorgezogenen Bundestagswahl und angesichts eines politischen Rechtsrucks, wie es ihn in der Nachkriegszeit in Deutschland noch nicht gegeben hat, fühlten sich die befreundeten Musiker Grönemeyer und Kloß geradezu verpflichtet, noch einmal ein Zeichen zu setzen für einen Dialog.

Was nicht hilft, sind Ideen von 1933

Zeltfestival in Bochum
Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß beim Zeltfestival Ruhr in Bochum im Sommer 2024. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Denn auch die Zeilen, die politisch den Weg zu einer Lösung weisen, übernimmt diesmal Herbert Grönemeyer: „Werden reden müssen, streiten/Um Kompromisse ringen müssen und so weiter/Aber was nicht hilft, sind wir uns da einig?/Ideen von 1933.“

Bei einem Konzert von Silbermond in Dresden im vergangenen Jahr war Grönemeyer als Gast mit auf der Bühne, damals haben die Musiker zum ersten Mal „Mein Osten“ zusammen gesungen. Stefanie Kloß: „Und dann haben wir uns gedacht: ‚Warum wollen wir den Song nicht einfach noch mal rausbringen?‘ Denn er ist immer noch aktuell, er ist zeitlos.“

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Herbert Grönemeyer ist nach wie vor einer der erfolgreichsten deutschen Sänger: Im vergangenen Sommer erreichte er mit einer Neuauflage seines Songs „Zeit, dass sich was dreht“, die er mit Rapper $oho Bani zur Fußball-Europameisterschaft in Deutschland aufnahm, wieder mal Platz 1 der Charts.

Silbermond feat. Herbert Grönemeyer: „Mein Osten“ (Universal Music)