Berlin. Gerade hatte „Der Heimweg“ Premiere in Berlin. Bestseller-Autor Sebastian Fitzek im Interview über die Verfilmungen seiner Werke.
Ein Mann sitzt zu Hause am Heimwegtelefon und hilft Anrufenden durch die Nacht. Bis eine junge Frau sich meldet, die nicht nur von ihrem gewalttätigen Mann verfolgt wird, sondern offenbar auch von einem Serienkiller. Klingt nach einem klassischen Sebastian-Fitzek-Thriller. „Der Heimweg“ ist mit Luise Heyer, Sabin Tambrea und Friedrich Mücke verfilmt worden. Premiere des Films war am 14. Januar im Delphi Filmpalast in Berlin. Ab 16. Januar ist der Film auf Amazon Prime zu sehen. Dabei hat der Vorlagen-Autor auch wieder eine kleine Gastrolle. Wir haben mit dem Erfolgsautor über die vielen Verfilmungen seiner Werke gesprochen.
Eine Frage, die Sie bestimmt oft zu hören kriegen: Wie kommen Sie immer wieder auf solche finsteren, düsteren Geschichten?
Ich unterscheide zwischen Impuls und Idee. Der Impuls wird tatsächlich oft im Alltag gelegt. In diesem Fall schrieb mir eine Leserin, dass sie beim Heimwegtelefon arbeitet. Ich wusste gar nicht, was das ist und habe mir erklären lassen, dass man da von 22 bis 4 Uhr morgens anrufen kann, wenn man Angst hat, allein nach Hause zu gehen. So hat man eine beruhigende Stimme am Ohr, die im Notfall auch die Polizei zu Hilfe rufen kann. Das ist eine wichtige Einrichtung. Gleichzeitig aber auch ein interessantes Setting für einen Thrillerautor. Der Impuls war damit also da. Das Thema ließ mich nicht los und klopfte immer wieder an. Häufig wird das ja leider auch durch die Realität verstärkt; Stichwort häusliche Gewalt.
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Ich hätte nie gedacht, dass Sie sich von Leserbriefen inspirieren lassen.
Das war eine Ausnahme. Ich kriege oft solche Anregungen: „Wollen Sie nicht mal darüber schreiben?“. Aber mich muss ein Thema schon anspringen. Hier ging es auch nicht darum: Ich habe einen interessanten Job, machen Sie was draus. Es war eher ein beiläufiger Hinweis, der mich angefasst hat. Ich habe früher mal als Volontär beim Radio gearbeitet. Dort durfte ich auch einmal bei der 110 recherchieren. Und als Familienvater beschäftigt mich das noch mal ganz anders. Und so habe ich das zu Papier gebracht.
Wenn man so viele dunkle Geschichten schreibt und dafür recherchiert – belastet einen das nicht? Können Sie eigentlich noch ruhig schlafen?
Ehrlich gesagt, nicht immer. Wenn mich meine Tagträume belasten und ich mir das von der Seele schreiben will, hält mich das oft wach. Aber das wird ja auch als Therapie vorgeschlagen, sich Träume aufzuschreiben, um dem Problem eine Struktur zu geben. Ich schreibe mir meine Ängste von der Seele und stülpe sie fiktiven Figuren über. Die können dann nicht mehr schlafen, ich dafür schon (lacht).
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Bei „Der Heimweg“ führen Sie Ihre Leser ziemlich an der Nase herum. Ohne zu verraten, wie: Könnte mancher Leser oder manche Zuschauerin darüber verärgert sein, dass Sie sie auf eine falsche Fährte locken?
Es gibt immer alle Reaktionen. Zum Glück lassen sich die meisten gern an der Nase herumführen. Denken Sie an „Sixth Sense“: Da musste man sich das Buch oder den Film eigentlich noch mal vornehmen, um sich zu überzeugen, ob das wirklich aufgeht. Es gibt auch Leute, die behaupten: „Ich habe es von Anfang an gewusst!“ Dann gibt es aber auch die, die sagen: „Bei Ihnen kommt es immer anders, als man denkt!“ Genau das will ich erreichen.
Wie groß ist bei Ihnen eigentlich der Erwartungsdruck? Muss jedes Buch ein Bestseller sein, jede Verfilmung ein Quotenerfolg oder Streaming-Hit?
Ich versuche, diesen Druck zu minimieren. Bei mir, aber auch von Seiten des Verlags. Wenn ein Buch einen Rekord gebrochen hat, sage ich immer: Da müssen viele Faktoren zusammenkommen, nehmt das nicht als Maßstab. Mein persönliches Maß ist: Wenn ein Buch sich so gut verkauft, dass ich ein weiteres schreiben darf, bin ich zufrieden. Man muss aber oft gegen die Erwartungshaltung von anderen ankämpfen. Als ich beim Radio gearbeitet habe, war das auch so: Da gab es einen starken Werbeumsatz. Aber dann wurde das Ziel gesetzt: Nächstes Jahr 10 Prozent mehr Werbung und Hörer. Mitte des Jahres wurden dann alle nervös. Es war zwar ein Rekordjahr, aber es waren nur sechs Prozent. Und dann sollten Leute entlassen werden. Da war es Zeit für mich, zu gehen. In eine solche Situation mag ich nie wieder geraten, dass es heißt: „Du warst zwar Nummer eins, aber das nur zwei Wochen anstatt drei wie davor.“ Hauptsache, es läuft gut. Und selbst wenn es mal nicht so gut läuft: Ich operiere nicht am offenen Herzen wie ein Chirurg. Bei mir stirbt zum Glück niemand wirklich.
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„Das Joshua-Profil“, „Amokspiel“, „Abgeschnitten“, „Passagier 23“, „Die Therapie“, jetzt „Der Heimweg“: Sie werden seit einiger Zeit regelrecht ausverfilmt. Wie fühlt sich das an?
Es ist durchaus seltsam. Am Anfang hat, glaube ich, jeder Schriftsteller diesen Traum, einmal verfilmt zu werden. Viele denken sogar, sie sind erst so richtig etabliert als Autor, wenn ein Buch verfilmt wird. Das ist vollkommener Blödsinn. Bei mir hieß es schon beim ersten Buch, das eigne sich super für eine Verfilmung. Ich sah mich schon in einer Hollywood-Villa neben Brad Pitt. Aber in der Branche verkauft man auch Träume, die müssen nicht wahr werden. Es hat Jahre gedauert, bis ein Buch verfilmt wurde. In der Zwischenzeit gab es aber ein Theaterstück im Berliner Kriminaltheater, bei dem ich nie gedacht hätte, dass das als Vorlage taugen würde. Aber mein Medium ist das Buch. Ich schreibe auch nicht darauf hin, dass ein Buch verfilmt wird. Ich freue mich, wenn es neue Wege findet. Aber mein Wohl und Wehe hängt nicht davon ab.
Es gibt Autoren, die lassen bei Verfilmungen ihrer Werke alle Freiheiten, weil sie sagen, das Buch ist das eine, der Film etwas anderes. Andere können nicht loslassen, wollen die Kontrolle behalten, wollen, dass es weiter ihre Handschrift trägt. Zu welcher Kategorie gehören Sie?
Ich glaube, ich bin genau dazwischen. Zum Großteil, würde ich sagen, lasse ich los. Film ist nun mal ein anderes Medium, von dem ich nicht viel Ahnung habe. Bei einem Casting wäre ich wie einer dieser 80 Millionen Fußballtrainer bei der WM: Ich würde die üblichen Spieler in die Mannschaft wählen, ohne zu wissen, ob sie miteinander harmonieren. Also halte ich mich zurück. Trotzdem gibt es bestimmte Leuchttürme in meinen Büchern, die erhalten bleiben müssen. Die benenne ich vorher. Es geht mir nicht um eine strenge Übernahme eines Buches. Aber wenn gewisse Eckpunkte nicht erhalten bleiben, würden viele Leser sehr enttäuscht sein. Also versuche ich, die DNA zu bewahren. Bei allem anderen rede ich nicht rein.
Sie absolvieren im „Heimweg“ mal wieder einen kleinen Gastauftritt. Genießen Sie solche Momente, oder müssen Sie dazu eher überredet werden?
Ganz klar Letzteres. Hitchcock hat das auch schon gemacht, Tarantino macht es auch immer wieder, und bei den Marvel-Filmen – ich kenne die nicht, aber meine Kinder schauen sie – war auch Stan Lee immer zu sehen, bis er starb. Das ist also nicht die neueste Idee. Aber dann kommen die Regisseure oft mit einem Dreh. Bei „Abgeschnitten“ etwa hieß es: „Du hast doch Jura studiert, du könntest den Anwalt von Moritz Bleibtreu spielen.“ Oder jetzt beim „Heimweg“: „Du warst doch beim Radio, kannst du nicht den Nachrichtensprecher geben?“ Manchmal sage ich ja, manchmal nicht. Bei „Passagier 23“ sollte ich auch eine Gastrolle spielen und wurde sogar auf das Schiff geflogen, aber dann wurde der Hauptdarsteller krank und die Szene wurde gestrichen. Ich war darüber gar nicht traurig. Ich muss da nicht zu sehen sein. Jetzt wollten Sie mich sogar im Trailer von „Heimweg“ zeigen. Da habe ich sofort abgewunken. Die Leute glauben sonst noch, dass ich eine Profilneurose habe! Bei „Die Therapie“ war ich auch dabei, aber nur als Stimme, da spreche ich einen Podcaster. Das war mein Lieblingsauftritt.
Wie stehen Sie eigentlich selbst zu Thrillern? Kann man in Abwandlung eines alten Schlagers sagen: „Ohne Krimi geht der Fitzek nie ins Bett“?
Häufig schon. Mit einem Baby ist das aber schwer. Ich habe mir deshalb angewöhnt, beim Streaming leise und mit Untertiteln zu schauen. Und zum Bücherlesen habe ich mir eine spezielle Leselampe zugelegt, die ich nur empfehlen kann: Man legt sich die um den Kopf und kann direkt aufs Buch dimmen, ohne meine Frau oder die Kinder damit zu stören. Ich lese meist Thriller, aber nicht nur. Auch da gilt: Es muss mich anspringen. Zur Zeit liegt das neue Buch von Sabin Tambrea, „Vaterländer“, auf meinem Tisch. Das hat er mir nach den Dreharbeiten geschenkt.
Es gibt einen gewissen Unmut. Viele Menschen klagen, es gäbe zu viele Krimis im deutschen Fernsehen und auch im Buchhandel. Können Sie das nachvollziehen?
Ich verstehe die Kritik. Vor allem beim linearen Fernsehen, wenn ein Sendeplatz für Krimis andere Formate blockiert. Im Buchhandel oder beim Streaming ist das aber anders. Da hat man die Wahl und kann selbst bestimmen, was man konsumiert. Kriminalliteratur hat für mich aber auch eine wichtige Funktion. Sie erlaubt es, sich in einem sicheren Rahmen mit der eigenen Sterblichkeit zu beschäftigen – wie eine Achterbahnfahrt, nach der man froh ist, am Leben zu sein. Das hat eine Ventilfunktion. Interessant ist dagegen das True Crime-Phänomen, dass ich mir nicht erklären kann. Das boomt überall, im Fernsehen, bei Magazinen, als Podcast. Und gefällt überwiegend Frauen – 85 Prozent des Publikums sind weiblich. Es hat auch seine Berechtigung, weil es sensibilisiert, etwa bei häuslicher Gewalt. Aber ich finde es schwieriger, weil da wahre Verbrechen ausgeschlachtet werden. Für mich ist das problematischer als das Krimi-Genre. Mir schreiben viele Leser, dass sie durch meine Bücher ihren schweren Alltag und ihre Probleme, seien das Geldsorgen oder eine Krankheit, für eine Zeit lang vergessen können. Sie suchen Ablenkung von der Realität und wollen da nicht mit denselben Problemen konfrontiert werden. Ich verstehe aber, wenn manche sagen, es gäbe zu viele Krimis. Ich würde mich auch beschweren, wenn ich im Fernsehen nur noch Fußball sehen könnte. Das interessiert mich einfach nicht so.
„Der Heimweg“: Ab 16. Januar auf Prime Video