Berlin. Der Regisseur über seinen neuen Film „Feste & Freunde“ - und über seinen Vater Helmut Dietl, der vor zehn Jahren gestorben ist.

Eine raffinierte Idee: die Geschichte einer Clique nur anhand ihrer gemeinsamen Feiern zu erzählen. Wobei sich der Rest durch Leerstellen erschließt. Der Film „Feste & Freunde“ beginnt in der Silvesternacht und kommt kurz nach einer solchen am heutigen Donnerstag ins Kino. Wir sprachen mit dem Regisseur David Dietl über seinen Film – und über seinen Vater Helmut Dietl, dessen Tod sich im März zum zehnten Mal jährt.

Die erste Frage, die sich bei einem solchen Film aufdrängt: Haben Sie einen ähnlichen Freundeskreis? Gab es sogar die eine oder den anderen, der Sie zu Filmfiguren inspiriert hat?

David Dietl: Ich habe tatsächlich einen großen Freundeskreis, sowohl in Berlin als auch in München. Und es ist zwar nicht eins zu eins übersetzbar, aber aus verschiedenen Personen und Konstellationen habe ich viel zusammengebaut. Es gibt ja grundlegende Fragen, die alle umtreiben: Wie glücklich bin ich in meiner Beziehung? Kinder – ja oder nein? Was passiert, wenn es nicht klappt? Solche Themen sind in der Lebensphase Mitte 30, bis Mitte 40 ja sehr präsent.

Man kann den Film als romantische Komödie sehen. Sie brechen aber immer wieder aus dem Genre aus.

Die typische RomCom geht ja so: Eine Frau sucht nach der Liebe, hat sie vermeintlich vor Augen, muss sie aber erst noch erkennen. Es gibt einen Grund, warum die RomCom ihren Höhepunkt in den 90-ern hatte. Das haben wir oft genug gesehen, das reicht nicht mehr. Man muss dem heute etwas Neues hinzufügen. Das haben wir versucht, auf unterschiedlichen Ebenen.

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Schön finde ich, dass es ein richtiger Ensemblefilm ist. Laura Tonke spielt zwar die Hauptfigur, aber es gibt keine Nebenrollen. Jede Figur hat ihre Geschichte. Das ist sehr selten.

Vielen Dank. Genau das war mein Ziel. Es gab immer wieder den Versuch, die Figur von Laura Tonke stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Aber ich wollte das Ensemble verteidigen. Auch wenn wir mit ihr durch die Geschichte gehen, lassen sich die verschiedenen Facetten am besten übers Ensemble erzählen.

Wie haben Sie dieses Ensemble gefunden? Die Schauspieler müssen ja glaubhaft vermitteln, dass ihre Figuren sich schon lange und gut kennen.

Das war wirklich das A und O. Laura Tonke stand für mich relativ früh fest, weil sie eine tolle Mischung hat aus Naivität und Unbedarftheit, aber auch Nahbarkeit und Durchlässigkeit. Für ihre beiden Partner haben wir unzählige Schauspieler gecastet. Am Ende fiel die Wahl auf Ronald Zehrfeld und Henning Flüsloh, weil sie mit Laura die spannendste Chemie hatten. Es ging nicht nur darum, ob sie zusammenpassen, sondern ob auch zwischenmenschlich etwas da ist. Das war uns auch bei den anderen Paaren wichtig. Da ergaben sich tolle Kombinationen. Interessanterweise auch, obwohl wir virtuell gecastet haben. Etwa bei Nicholas Ofczarek und Pegah Ferydoni. Man denkt, bei einem virtuellen Casting kann keine Chemie entstehen, aber selbst da spürt man, wenn es zwischen den Schauspielern funkt.

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„Die Chemie musste stimmen, das war das A und O“: Eine der vielen Feste in diesem Film, hier mit Antje Traue und Annette Frier.
„Die Chemie musste stimmen, das war das A und O“: Eine der vielen Feste in diesem Film, hier mit Antje Traue und Annette Frier. © Leonine | LEONINE

Was aber wäre gewesen, wenn die Chemie nicht gestimmt hätte?

Das wäre sehr schwer geworden. Die Dreharbeiten waren schon so sehr komplex. Ich habe unterschätzt, wie viele Einstellungen man drehen muss, wenn man bei diesen Festen die vielen Menschen immer aus verschiedenen Blickachsen dreht. Zum Glück haben wir im Vorfeld gut gearbeitet. Die Konstellationen haben von Anfang an gepasst, und wir hatten ausführliche Proben. Wir haben auch gemeinsam Backstories entwickelt: Woher kennen sich die Figuren? Wir haben sogar Szenen improvisiert, die Feste darstellten, die ein paar Jahre vor der Handlung des Films stattgefunden haben könnten. Das hat ein Gefühl von gemeinsamer Vergangenheit erzeugt. Hätte ich während des Drehs gemerkt, dass etwas in der Chemie nicht funktioniert, wäre das kaum noch zu korrigieren gewesen. Als Zuschauer merkt man sofort, ob sich etwas echt anfühlt. Viele sagen mir, dass sie an diesem Film besonders schätzen, dass er sich so wahrhaftig anfühlt.

Im Film geht es auch um Corona und den Ukraine-Krieg. Das sind Themen, die man in einer Komödie nicht unbedingt erwartet. Sind das genau die Bestandteile, die den Film wahrhaftig machen?

Das ist ein interessanter Aspekt. Der dänische Film „Lang historie kort“, der mir als Vorlage diente, entstand 2015 und hatte diese Themen noch nicht. Seit der Pandemie und dem Krieg in Europa hat sich die Welt aber verändert. Gerade die Pandemie hat beeinflusst, wie wir miteinander umgehen. Man musste damals entscheiden, wen man trifft, und überlegen, wen man wirklich braucht. Die Pandemie hat uns aber auch gezeigt, wie sehr wir das Zusammensein vermissen, wenn es fehlt. Es wurde klar, dass wir halt doch Herdentiere sind. Deshalb habe ich mich entschieden, diese Aspekte einzubauen. Bei der Drehbuchentwicklung war Corona noch so präsent, dass es hieß, niemand will das im Kino sehen. Aber mit etwas Abstand kann man über die Absurditäten dieser Zeit auch lachen. Ich bin froh, dass wir den Film von Ende 2019 bis in die Gegenwart spielen lassen, auch mit dem Hintergrunds des Ukraine-Kriegs. Diese elementaren Gedanken sind präsent, auch wenn sie nicht im Vordergrund stehen. Die Zeit, in der wir leben, hat sich verändert, und es fühlte sich richtig an, das zu thematisieren.

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David Dietl
Regisseur David Dietl im Gespräch mit Funke-Redakteur Peter Zander. © FUNKE Foto Services | Sergej Glanze

Wenn man so einen Film dreht, stellt sich natürlich die Frage: Wie wichtig sind Ihnen Feiern?

Während meiner 15 Jahre in Berlin habe ich viel und gern gefeiert, auch oft selbst Feiern organisiert. Das war dann aber der Gründe, warum ich Berlin verlassen habe. Hier hatte ich immer das Gefühl, etwas zu verpassen, weil so viel los war. Das habe ich in München nicht (lacht). Ich bin jetzt in einem Alter, in dem nicht mehr so viel gefeiert wird. In den Dreißigern gab es viele Hochzeiten im Freundeskreis, das waren immer besondere Erlebnisse. Aber ich habe den Eindruck, dass mit zunehmendem Alter alle weniger Partys ausrichten. Auch zweite Hochzeiten sind meist kleiner als die ersten. Deshalb muss man Filme machen. Um Premieren feiern zu können!

Und wie wichtig sind Ihnen Freundschaften?

Die sind mir Sehr wichtig. Ich habe einen großen Freundeskreis und bemühe mich sehr, das zu pflegen. Das wird mit zunehmendem Alter, Kindern und einem Job, der viel Reisen erfordert, schwieriger. Meine Frau wirft mir manchmal vor, Freunde kämen bei mir vor der Familie. Das sehe ich anders. Aber ich bin schon jemand, der gern viele Menschen um sich hat. Freundschaften sind ja nicht nur in glücklichen Momenten wichtig, sondern gerade in schweren Zeiten. Besonders in Momenten des Verlustes habe ich gemerkt, wie wichtig Freunde sind, die einen auffangen, trösten und für einen da sind.

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Ausstellungseröffnung
2018 eröffneten David Dietl und seine Mutter Tamara Dietl die Ausstellung „Schwermut und Leichtigkeit – Eine Sonderschau für Helmut Dietl“ im Berliner Film- und Fernsehmuseum. © picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Werden Sie eigentlich noch oft auf Ihren Vater angesprochen oder hat sich das inzwischen gelegt?

Es wird weniger. Es hat mich aber nie gestört – und jetzt, fast zehn Jahre nach seinem Tod, noch weniger. Im Gegenteil: Ich finde es schön, dass die Leute sich noch gerne an meinen Vater erinnern. Und ich erzähle gern von ihm, weil es eine Art ist, ihn in Erinnerung zu behalten. Es ist kaum zu glauben, dass es schon zehn Jahre her ist. Für mich ist es auch kein Problem, über ihn zu sprechen, weil ich das Gefühl habe, meinen eigenen Weg als Filmemacher gefunden zu haben. Und ich denke, das wird auch so wahrgenommen.

Im Presseheft zum Film werden Sie mit dem Satz zitiert, Sie seien jetzt „angekommen“.

Hm, schon. Aber eigentlich hatte ich nie das Ziel, anzukommen. Im Gegenteil: Ich will auf dieser wunderbaren Reise des Filmemachens weiter unterwegs sein. Ankommen verbinde ich irgendwie mit Stillstand – und das will ich vermeiden. Ich möchte auch weiterhin in Bewegung bleiben und mit jedem neuen Projekt die richtige Form finden. Diese Freiheit möchte ich mir auch in Zukunft bewahren. Gleichzeitig habe ich ein bisschen Angst davor, etwas zu wiederholen. Wenn ein Film besonders erfolgreich war, ist der Druck, das zu reproduzieren, verlockend, aber auch gefährlich