Berlin. Sie verkörperte starke, resolute Frauen, und Bella Block wurde ihre Paraderolle: Nun ist Hannelore Hoger mit 82 Jahren gestorben.

Sie gehörte zu den profilierten deutschen Charakterschauspielerinnen. Ihre Paraderollen waren starke, resolute Frauen. Sie war einer der ersten Stars des Neuen Deutschen Films. Und die Zuschauer liebten sie Jahrzehnte lang als TV-Kommissarin „Bella Block“. Nun ist Hannelore Hoger am 21. Dezember in ihrer Heimatstadt Hamburg verstorben, wie ihre Tochter Nina Hoger erst am Freitag bekannt gab. Sie wurde 82 Jahre alt. In den vergangenen Jahren hatte sich die Künstlerin aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und laut einem Bericht von „Bild“ gegen eine schwere Krankheit gekämpft.

Hannelore Hoger war eine der ganz großen deutschen Schauspielerinnen

Berühmt wurde sie 1968 mit „Die Artisten unter der Zirkuskuppel: Ratlos“ von Alexander Kluge, in dem sie die Artistin, Unternehmerin und Erzählerin Leni spielte, ein Film, der im Sinne von Brechts epischem Theater den täuschend illusionistischen Charakter des Zirkus durch einen distanzierten Blick und subjektive Kamerafahrten durchbrach. Ein frühes Meisterwerk des Neuen Deutschen Films, der sich nach dem Oberhausener Manifest gegründet und „Opas Kino“ für tot erklärt hatte.

Einer der Mitunterzeichner jenes Manifests war Alexander Kluge, mit dem Hoger auch privat liiert war. Und mit dem sie immer wieder zusammenarbeitete, etwa in seinem Science-Fiction-Film „Der große Verhau“ (1970) als Weltrauminspektorin, oder als eine Geschichtslehrerin, die an den Unterrichtsbüchern zweifelt, in „Die Patriotin“ (1979), eine Rolle, die sie schon in dem Kompilationsfilm „Deutschland im Herbst“ (1978) verkörpert hatte, bis zu „Die Macht der Gefühle“ (1983).

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DIE ARTISTEN IN DER ZIRKUSKUPPEL: RATLOS
Hannelore Hoger in einem ihrer frühen großen Erfolge: in „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ (1968). © picture alliance / | Pa

Neben Kluge wurde auch Peter Zadek ein wichtiger Regisseur für sie, mit dem sie 1972 ans Schauspielhaus Bochum ging, für den sie aber auch vor der Kamera stand, in Filmen wie „Der Pott“ (1970) und „Eiszeit“ (1974). Früh aber arbeitete Hannelore Hoger auch fürs Fernsehen, dass für viele Filmschauspieler damals noch verpönt war oder als Sackgasse galt. Und erspielte sich hier große Popularität von TV-Mehrteilern wie „Die Bertinis“ über die zweite Staffel von Edgar Reitz‘ „Heimat“ (beide 1988).

Über ein Vierteljahrhundert spielte sie die Ermittlerin Bella Block

Ins Kino kam sie dann wieder in reiferen Jahren, in einem Alter also, in dem viele Schauspielerinnen früher über weniger Angebote klagten. Unvergessen ist ihr Auftritt als Klatschreporterin in Helmut Dietls „Rossini oder Die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ (1996). Ab 1993 aber war sie bereits in der Rolle zu sehen, die die meisten mit ihr verbanden und die sie bis 2018 spielte: als Kommissarin Bella Block. Streckenweise spielte sie sogar zwei Krimiserien gleichzeitig, weil bei Sat.1 noch „Die Drei“ dazu kam. Bella Block aber wurde die Rolle ihres Lebens, die Ermittlerin spielte sie auch noch, als diese bereits in Rente war.

Hannelore Hoger wurde 1941 in Hamburg geboren, ihr Vater Leo Hoger war Schauspieler und Inspizient am Ohnsorg-Theater. Das Schauspiel hatte sie im Blut. Mit 14 spielte sie ihre erste größere Rolle am Ohnsorg Theater, mit 15 stand für sie fest, dass sie Schauspielerin werden wollte, mit 16 stand sie bei ihrem Schauspiellehrer Eduard Marks vor der Tür. 1958 begann sie eine Schauspielausbildung an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater. Sie nahm auch Unterricht bei Lee Strasberg in New York, spielte dann an Bühnen in Ulm, Bremen, Stuttgart, Köln, Berlin und später in Hamburg. Ihren ersten Auftritt vor der Kamera hatte sie 1965 in „Tag für Tag“ von Peter Beauvais, gleich mit einer Hauptrolle.

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Hannelore Hoger als Bella Block
Ihre Paraderolle: Von 1993 bis 2018 spielte sie Bella Block. © picture alliance / Hardy Brackmann/ZDF/dpa | Hardy Brackmann

Sie erspielte sich ein ganz eigenes Rollenrepertoire, durchsetzungsstarke, oft auch ruppige Frauen, die doch ein verletzliches Herz haben. „Sie ist rigide selbstbewusst, wohl nur schwer zu haben fürs weniger Attraktive (was sie, die sich als Ensemblespielerin versteht, heftig bestreitet), sie gilt als ‚schwierig‘, eine intelligente Diva“, war über sie schon 1988 im Fachblatt „Theater heute“ zu lesen: „Als Schauspielerin ist die Hoger eine Entdeckerin, Verführerin, deren wache Neugier auf Figuren ansteckt. Anstiftet.“

Am Theater führte sie auch selbst Regie. Und gab das Schauspielergen an ihre Tochter Nina Hoger weiter, mit der sie auch oft gemeinsam auftrat, auch im letzten Film „Zurück ans Meer“ (2019). Welchen Stellenwert Hannelore Hoger im deutschen Film hatte, zeigte sich auch daran, dass sie eine der fünf Stars war (neben Judy Winter, Iris Berben, Gisela Schneeberger und Eva Mattes), die nach dem plötzlichen Tod von der anderen großen Hannelore, Hannelore Elsner, ihre Rolle in ihrem letzten Film „Es lebe die Königin“ (2019/20) fortführten.

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TV-Film
Hannelore Hoger mit ihrer Tochter Nina Hoger, mit der sie immer wieder auch gemeinsam vor der Kamera stand. © picture-alliance/ dpa/dpaweb | Ulrich Perrey

Wie die Elsner wollte Hoger aber nicht bis zuletzt vor der Kamera stehen. Ihre Bella Block hatte sie da, nach 25 Jahren, schon abgelegt. Und sagte, sie sei „froh, dass ich das nicht mehr mache“. 2017 hat sie noch ihre Autobiografie „Ohne Liebe trauern die Sterne. Bilder aus meinem Leben“ veröffentlicht. Doch bald darauf zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und musste gegen eine schwere Krankheit kämpfen. Nun gab Nina Hoger über eine Münchner Agentur den Tod ihrer Mutter bekannt. Sie selbst wollte sich nicht dazu äußern und bat, ihre Privatsphäre zu respektieren.

Stattdessen äußerte sich Carsten Brosda, Hamburgs Senator für Kultur und Medien und überdies Präsident des Deutschen Bühnenvereins: „Die Sterne am Theaterhimmel trauern. Hannelore Hoger war der Inbegriff einer großen Schauspielerin. Ganz gleich ob am Theater, im Film oder im Fernsehen - sie verstand es, sich Charakteren vollständig anzuverwandeln und dabei in der Rolle stets präsent zu bleiben. Ihre Kunst war das psychologisch feinfühlige Spiel, ihre Gabe das Gespür für ein großes Publikum, und ihre Leidenschaft die unbedingte Freiheit. Hamburg und die Schauspielwelt trauern um eine beeindruckende Persönlichkeit, deren Werke noch lange wirken werden.“ Dem ist nur hinzuzufügen, dass auch die Sterne am Kinohimmel trauern.