Berlin. Der „Polizeiruf 110“ aus München dürfte für Aufregung sorgen: Er rückt eine höchst fragwürdige Ermittlungsvorschrift in den Fokus.
- Am 29. Dezember läuft die neue Folge aus München, der dritte Fall für Johanna Wokalek
- Diesmal geht es um Mord in der Pornoszene, vor allem aber um eine unverständliche Rechtslage
- Besetzung, Kritik, Schnellcheck: die wichtigsten Infos zum aktuellen Kult-Krimi
Da lehnt sich der Sonntagskrimi mal wieder weit aus dem Fenster. In „Jenseits des Rechts“, dem dritten Münchner „Polizeiruf 110“ mit Johanna Wokalek, geht es um einen Mord in der Amateur-Pornoszene. Ein junger Mann hat sich mit seiner Freundin beim Sex gefilmt und die Filme dann, mit ihrem Einverständnis, ins Netz gestellt. Dann aber findet Mia Horschalek (Emma Louise Preisendanz) ihren Freund tot in seinem Wohnwagen. Und die Filme sind mitsamt seiner technischen Ausrüstung verschwunden. Man muss erst mal an „Hardcore“, den berüchtigten Münchner „Porno-Tatort“ aus dem Jahr 2017 denken. Aber um Sex, so freizügig er auch gezeigt wird, geht es hier nur am Rande.
Die Kommissarin auf fragwürdigem Alleingang
Denn die Folge von Krimimeister Dominik Graf kreist um eine ermittlungstechnische Absurdität. Eine Gerichtsmedizinerin findet am Tatort DNA-Spuren, die zu 100 Prozent mit der Freundin des Ermordeten übereinstimmt. Das heißt, dass ein Elternteil von ihr die Tat begangen hat. Und da nur noch der Vater (Martin Rapold) lebt, muss er der Täter sein. Nur: Laut geltendem Recht darf die Medizinerin dieses Wissen nicht weiterreichen. Um Verwandtschaftsverhältnisse zu schützen.
Die Medizinerin ringt lange mit sich selbst, spricht mit ihrem Mann. Und ihrem Anwalt. Aber dann vertraut sie sich doch Kommissarin Cris Blohm (Wokalek) an, die eine Freundin ist. Und auch die konsultiert erst mal einen Anwalt, keinen befreundeten, sondern einer, der sie kürzlich vor Gericht „gegrillt“ hat. Und dann tut die immer schon recht unorthodoxe Kommissarin etwas nicht nur höchst Fragwürdiges, sondern auch zutiefst Rechtswidriges.
Weil der Vater, ein milliardenschwerer, einflussreicher Unternehmer, jede Kooperation ablehnt und den Polizeipräsidenten einschaltet, um Blohm bei ihren Ermittlungen zu behindern, will sie heimlich eine DNA-Probe von ihm sicherstellen, um sie mit der des Tatorts abzugleichen. Bewusst vertraut sich Blohm deshalb ihrem Kollegen Dennis Eden (Stephan Zinner) einmal nicht an, sondern schleicht sich ganz allein während einer Party in Horschaleks Haus ein, um an eine Probe zu gelangen.
Fingerzeig auf eine unverständliche Rechtslage
Das darf sie nicht. Damit macht sie sich strafbar. Und die Krimifolge wäre oberflächlich und feig, wenn dann nicht auch der Worst Case durchgespielt und dieser mehr als fragwürdige Alleingang entdeckt würde. Aber das macht die eigentliche Spannung dieses Krimis aus: dass es mal nicht nur um die Lösung eines Falles geht (und die Frage, ob Frau Blohm aus diesem Schlamassel wieder rauskommt). Sondern um den Fingerzeig auf eine sehr seltsame Rechtslage.
Mehr zum „Tatort“
- Mord ohne Leiche: So einen „Tatort“ hat der Dortmunder Kommissar Faber noch nie erlebt
- Wenn der Fährmann dich holen kommt: der „Tatort“ aus Zürich
- Mord unterm Tannenbaum: Keine Weihnachtsstimmung im „Tatort“ aus Bremen
- Kriminologin: „Tatort“ im Check – „Die Leichen sind zu schön“
- Mörderischer, aber lohnender Job: Das sind die Gehälter der „Tatort“-Schauspieler
„Wie so oft kam die Inspiration aus der Wirklichkeit“, so der Drehbuchautor und Journalist Tobias Kniebe: „Bei Recherchen zum Thema DNA-Spuren stieß ich auf die erstaunliche Tatsache, dass erfahrene Labor-Analysten auf einen Blick mehr Informationen sehen können, als sie der Polizei verraten dürfen.“
Eine Praxis, die Otto Normalverbraucher nicht nachvollziehen kann. Und hier an einem exemplarischen Fall vorgeführt wird. Ein Aufreger ist also garantiert.
„Polizeiruf 110: Jenseits des Rechts“: ARD, 29.12., 20.15 Uhr