Berlin/Bremen. Der „Tatort“ aus Bremen könnte die Festtagsstimmung ein bisschen trüben, lässt die unnahbaren Ermittlerinnen aber etwas auftauen.
- Am 8. Dezember läuft die neue Folge aus Bremen, der fünfte Fall für das Frauen-Duo
- Diesmal geht es um einen Mord an Weihnachten, jeder in der Familie könnte der Täter sein
- Besetzung, Kritik, Schnellcheck: die wichtigsten Infos zum aktuellen Kult-Krimi
Weihnachten ist nicht jedermanns Sache. Zu viel Essen. Zu viel Süßigkeiten. Zu viel Familie. Und dann noch die allgegenwärtige Musikbeschallung! Es ist kein Zufall, dass zu den Feiertagen immer auch Actionfilme wie „Stirb langsam“ oder „Tödliche Weihnachten“ im Fernsehen wiederholt werden – um etwas Abwechslung zu all der Friede-Freude-Plätzchen-Heimeligkeit zu schaffen. Als solche dient nun auch die neue Folge des Bremer „Tatorts“, „Stille Nacht“, die eigentlich noch besser in zwei Wochen, zum vierten Advent, gepasst hätte. Aber das hat sich die ARD wohl nicht getraut. Weil man nicht allen die Feierstimmung vermiesen will.
Am Weihnachtstisch mit den Angehörigen des Toten
Die Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) jedenfalls sind Festtagsmuffel. Das mit dem Zwischenmenschlichen ist eh nicht so ihr Ding, das haben sie schon in ihren bisherigen fünf Folgen bewiesen. Beide sind Einzelgängerinnen. So sitzen sie auch Weihnachten im Büro, weil sie gar nicht wissen, wo sie sonst hin sollen, und schauen skeptisch auf den Weihnachtsbaum, der dort aufgestellt wurde.
Aber dann werden sie zu einem Tatort gerufen. Zu einer Familie, die gerade noch ganz klassisch Weihnachten zusammen gefeiert hat. Mit „Last Christmas“ als Karaoke inklusive. Aber am nächsten Morgen liegt der Kapitän Hendrik Wilkens (Matthias Freihof) erschossen im Keller. Das Fenster ist eingeschlagen, der Tresor leer. Alles weist auf einen Raubmord hin. Das passt zu einer Einbruchsserie in der Gegend. Was aber nicht passt, ist, dass alle in der Familie, der Ehemann wie die erwachsenen Kinder des Kapitäns, aber auch der eingeladene ausländische Seemann, sehr gefasst und reserviert sind.
Kommissarin Selb stellt ihr mangelndes Mit- und Taktgefühl gleich unter Beweis, indem sie „Frohe Weihnacht“ wünscht. Kollegin Moormann kann das mit einem „Mein Beileid“ nur mäßig ausbügeln. Klar, dass Selb da lieber im Büro arbeitet und sich an der neuen 360-Grad-Kamera ergötzt, mit der sie den Tatort rundum erforschen kann. Während Moormann ziemlich missmutig immer wieder allein zu den Wilkens rausfahren muss und dann auch an deren Tisch sitzt, beim Feiertagsessen.
Regisseur Sebastian Ko, der vor allem „Tatort“-Folgen für das Kölner Duo dreht, aber auch schon den vierten Fall der Bremer Frauenpower inszeniert hat, setzt hier ganz auf klassische Agatha-Christie-Manier. Jeder am Tisch könnte der Täter gewesen sein, bei einigen wird das Gedankenspiel auch filmisch durchgespielt. Die klassische Überraschung am Ende eines jeden Christie-Krimis dagegen – der Mörder ist immer der, an den man am wenigsten denkt – gibt’s hier nicht. Man ahnt schon bald, worauf es hinausläuft. Und wundert sich, dass die Kommissarinnen nicht schneller drauf kommen.
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Aber die sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die so zugeknöpfte Selb landet bei Recherchen in einem Seemannslokal, flirtet sogar, trotz ihrer unnahbaren Art, auf der dortigen Weihnachtsfeier und erlebt, wie sie fröhlich gesteht, das Weihnachten ihres Lebens. Während Moormann ihre eigenen familiären Defizite erkennt und aufzuarbeiten sucht..
Ein „Tatort“, der weniger von Spannung lebt als von den durchweg gut gespielten Figuren. Eine Folge, die auch Weihnachtsmuffeln gerecht wird, aber Feiertagsfreudige nicht verstimmt. Wird künftig wohl auch alle Jahre wieder wiederholt.
„Tatort: Stille Nacht“: ARD, 8.12., 20.15 Uhr