Köln. Jeder Satz von Rapper Trettmann wird bei seinem einzigen NRW-Konzert auf der „No more Sorrow“-Tour in Köln von den Fans gefeiert.

Wenn Trettmann „Köln“ ruft, dann klingt das, als würde ein Korken knallen. Donnerstag in der ziemlich gut, aber nicht restlos gefüllten Lanxess Arena, knallen ziemlich viele Korken. „Köln! Köln! Köln!“ Wobei das eigentlich Quatsch ist. Das Konzert findet zwar in der Stadt mit K statt, aber weil der Rapper nur acht Konzerte in Deutschland gibt (und dabei nur einmal in NRW Station macht), ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass es nur kölsche Fans sind, die er da anfeuert. Ist ja kein FC-Spiel.

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90 Minuten lang wird Trettmann, der eigentlich Stefan Richter heißt und aus Chemnitz kommt, frenetisch gefeiert. Von Menschen, die seine Kinder sein könnten. Dass er schon 51 Jahre alt ist, macht ihn – in diesem Musikgenre – zu einer Ausnahmeerscheinung. Wobei man nicht wirklich weiß, wie er eigentlich aussieht. Unter der bis auf die Augenbrauen herunter gezogenen Lammfellmütze mit den langen Ohrenklappen und der getönten Sonnenbrille, die er den ganzen Abend anlässt. Das Trikot des Eishockeyteams Los Angeles Kings und die helle Hose, die er trägt, sind so weitgeschnitten, dass sie keine Rückschlüsse auf seine Figur zulassen.

Trettmann holt sich Verstärkung auf die Bühne

Unter dieser Ver-Kleidung könnte auch ein Jugendlicher stecken. Und genauso bewegt sich Trettmann auch. Sehr agil, sehr geschmeidig, federnd. Auf dem begehbaren oberen Rand des rechteckigen Aufbaus, der die vordere von zwei Videowänden bildet, hält es ihn nicht lange. Nur für die Dauer der ersten beiden Stücke. „Ich komm’ mal zu euch runter – aber ihr sehr gut aus von hier oben“, ruft er. Um dann ab „Woanders“ direkt an der Bühnenkante weiter zu machen. Bei „Raver“ kommen zwei ausdrucksvoll Tanzende hinzu, die ihn rechts und links rahmen, auch Gastsänger wie Jassin (bei „Nach Hause komm“) gehören zum Programm.

Die Fans feiern jeden Satz von Rapper Trettmann beim Konzert in der Kölner Lanxess Arena.
Die Fans feiern jeden Satz von Rapper Trettmann beim Konzert in der Kölner Lanxess Arena. © Thomas Brill | Thomas Brill

Ebenso wie ein Aufruf, sich Seite an Seite mit Trettmann gegen rassistische Gewalt zu stellen, klar seine Meinung zu äußern, sich zu positionieren: „Ich will, dass wir aufeinander aufpassen, Solidarität zeigen, und dass wir die, die das nicht tun, achtkantig rauswerfen.“

Von Stücken wie „Hätten wir sein können“, „Billie Holiday“ oder „Prototype“ kennen die Fans jede Zeile. Und sie feiern jeden Satz des Chemnitzers. Auch wenn es da eigentlich nichts zu feiern gibt: „Ich habe nach 30 Jahren aufgehört zu rauchen. Und wieder angefangen.“

Fans erleben Kameraschussfahrt von Dächern in Häuserschluchten

Die aufwändige Technik mit ihren 3D-Effekten kreiert schon fast so etwas wie eine virtuelle Realität. Marmorweiße Treppen wachsen plastisch aus dem Nichts hervor, schweben durch den Raum, drehen sich um die eigene Achse. Oder man wird in rasanter Kameraschussfahrt von Dächern in Häuserschluchten gestürzt, das Auge saust dem Boden förmlich entgegen.

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Letzteres als Intro zu „Grauer Beton“, dem stärksten Stück des Abends. Darin erzählt Trettmann von seiner Herkunft, vom Aufwachsen im Plattenbau und kontrastiert das mit der vexierenden Farbigkeit des Nachwendelebens: „Neue bunte Scheine sprechen eine eigene Sprache. Neue bunte Welt erstrahlt in der Leuchtreklame.“ Über den Plattenbau rappen viele. Über die Wende nicht. Wie auch? Sie haben sie ja nicht erlebt.