Essen. Alessia Gold schreibt „Dark Romance“ Bücher. Jugendliche und junge Erwachsenen fliegen drauf. Trotz der rohen Gewalt – oder wegen ihr?
Eine keusche, unschuldige junge Frau begegnet einem Mann, vielleicht auch zweien oder dreien – wahlweise Könige, Mafiabosse, Bodyguards oder Biker. Sie wird von ihnen entführt, vergewaltigt, geht eine gewalttätige Beziehung ein. Durchweg: extra viel „Spice“, also explizit sexuelle Szenen. So oder ähnlich gestaltet sich die Handlung vieler Bücher der Gattung „Dark Romance“. Auf Tiktok versammelt der gleichnamige Hashtag 2,8 Millionen Beiträge, die Frankfurter Buchmesse räumte dem übergeordneten Genre „New Adult“ erstmals eine ganze Halle frei. Die Leserinnen: Frauen. Die Autorinnen: ebenfalls Frauen. Alessia Gold ist eine von ihnen.
Dark Romance: Prinzen, Bodyguards und Gewalt
Seit 2021 schreibt und veröffentlicht die gebürtige Berlinerin unter ihrem Pseudonym Romane – einige laut Aussage der Autorin „rosa-fluffig“, andere düster und gewaltvoll. Über letztere haben wir mit der 33-Jährigen gesprochen. Mit ihrer siebenteiligen Reihe, die auf dem ersten Band „Sinister Crown“ aufbaut, erfüllt sie die Kriterien einer klassischen Dark Romance: Protagonistin Maeve kommt mit unerklärlichen Gedächtnislücken an ein Elite-College. Hier möchte sie in Ruhe lernen und nicht auffallen. Gleich am ersten Tag beobachtet sie, wie drei Männer, ein Prinz und seine zwei Bodyguards, eine betäubte Frau vergewaltigen.
Im Laufe der Reihe lässt Maeve sich selbst auf die Männer ein, es kommt zu einem „Reverse Harem“, einem beliebten „Trope“ – also Thema – der Dark Romance-Leserinnen: eine Frau, mehrere Männer. Drogenkonsum, mehr Gewalt und unvorhergesehene Geheimnisse laden die Handlung weiter auf.
Wegen Tiktok: Dark Romance Romane werden immer düsterer
Autorin Alessia Gold entdeckte das Genre 2016 auf Amazon. Hier kaufte sie Bücher, die im Selfpublishing erschienen, also von Autorinnen und Autoren ohne Verlag veröffentlicht werden. Sie hoben sich ab von den üblichen New Adult-Romanen, die sie mit 25 damals häufig las. Anstatt die immer gleichen Beziehungsdynamiken mit Kommunikationsproblemen schilderten sie rohe Gewalt. „Man kann sich in einem sicheren Umfeld dunkleren Fantasien hingeben“, erklärt die Autorin den Reiz. Irgendwann dachte Gold, die schon als Kind gern geschrieben hat: Sowas kann ich auch schreiben.
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Heute weiß sie: Um als Autorin im Genre zu bestehen, muss die Handlung immer krasser und düsterer ausfallen. Wenn sie an der Handlung für einen Dark Romance Roman arbeitet, hat sie das im Hinterkopf. Durch den Social Media-Konsum nehme die Aufmerksamkeitsspanne ab: „Wenn das Video einen nicht innerhalb von ein paar Sekunden catcht, macht man weiter und weiter.“ Bei ihren Büchern nimmt die Autorin das ähnlich wahr: Leserinnen seien häufig nicht gewillt, lange Zeit auf Folgeromane zu warten. Die sieben Bände der „Sinister“-Reihe hat Gold daher innerhalb eines Jahres geschrieben, erschienen sind sie jeweils im Abstand von vier bis sechs Wochen. „Und schon das ist manchen laut einigen Tiktok-Kommentaren zu lang!“
Ohnehin spielt Tiktok eine wichtige Rolle für die Autorin. Hier vermarktet sie ihre Romane. Zu ihrem Publikum gehören auch minderjährige Tiktok-Nutzerinnen. In Videos bewirbt Gold ihre Reihe als „morally sehr grey Reverse Harem“ und verteidigt sie gegen Kritik.
Dark Romance-Autorin: „Man muss über solche Themen schreiben dürfen“
Häufig heißt es, Dark Romance würde sexualisierte Gewalt romantisieren. Eine psychologische Referentin der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz bestätigt auf Anfrage, dass die Romane daher sogar einen negativen Effekt auf Kinder und Jugendliche haben könnten. Auch in „Sinister Crown“ kommt der Vorwurf der Romantisierung sexualisierter Gewalt nicht von ungefähr, beobachtet Maeve die Männer, mit denen sie später selbst anbandelt, doch zu Beginn der Handlung bei einer Vergewaltigung. „Man muss über solche Themen schreiben dürfen und diese Szenen dürfen auch wehtun“, sagt die Autorin. Wichtig sei für sie, das Geschehene in späteren Büchern zu reflektieren und aufzuarbeiten.
Dennoch: „Meine Bücher gehören nicht in die Hände Minderjähriger!“ Sie ist sich ihrer Verantwortung als Autorin durchaus bewusst, versieht ihre Reihe mit Triggerwarnungen und würde die Altersempfehlung für die „Sinister“-Reihe lieber bei 18 als den aktuellen 16 Jahren sehen. Laut Verleger Adam Kubin basieren die Altersempfehlungen bisher auf Vorschlägen der Lektorinnen und Autorinnen – eine Prüfkommission innerhalb des Federherz Verlags, in dem sie erscheinen, gibt es nicht. Der Inhaber des Dark-Romance-Verlags beobachtet seit etwa einem Jahr einen Trend hin zu Inhaltswarnungen und Altersempfehlungen.
Autorin Alessia Gold reicht das nicht. Von Eltern, Verlagen sowie dem Buchhandel wünscht sie sich mehr eindeutiges Handeln. Etwa eingeschweißte Bücher im Laden und Ausweiskontrollen an der Kasse. „Ich schreibe meine Bücher mit dem Gedanken, dass erwachsene Menschen sie lesen.“