Oberhausen. „Der Geist der Weihnacht“ bringt die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens zurück auf die Oberhausener Bühne. Was die Musical-Fans erwartet.
Weihnachten ist Rattendreck! Für den verbitterten Geldverleiher Ebenezer Scrooge sind fröhlich singende Kinder und leuchtende Tannenbäume ein nervtötender Fluch. Am Samstag wirkt der polternde Griesgram mit dem eng umschlungenen Mantel und akkurat sitzenden Zylinder zur Premiere des Musicals „Der Geist der Weihnacht“ wie ein wandelndes Stimmungsbild.
Das geschlossene Metronom-Theater zauberte bei Fans und Kommunalpolitikern vor viereinhalb Jahren wohl ähnlich miesepetrige Mimik in die Gesichter. Mit „Tanz der Vampire“ ließ der Hamburger Musicalriese „Stage Entertainment“ im März 2020 sein Engagement in der Spielstätte neben dem Centro-Einkaufszentrum kühl auslaufen.
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In diesem Jahr übernahm die oberfränkische Eventfirma „Semmel Concerts“ den Leerstand, steckte 15 Millionen Euro in Kauf und Umbau und schickte mit der berühmten Weihnachtsgeschichte frei nach Charles Dickens eine Inszenierung mit Symbolcharakter nach Oberhausen. 2001 feierte die Musical-Produktion im Oberhausener Haus, damals noch Theatro Centro, ihre Uraufführung.
Der Geist der Weihnacht: Berührende Ballade und zünftiger Küchen-Rap
Seitdem meldet das inszenierende Festspielhaus Neuschwanstein hierzulande rund 700.000 Besucher. „Der Geist der Weihnacht“ darf nicht nur die segensreiche Musicalrückkehr nach Oberhausen einläuten, sondern dient fürs Publikum zugleich als Comeback-Referenz, was den Druck im Vorfeld nicht verkleinert haben dürfte. Alle 1700 Plätze sind zur Premiere besetzt.
Wiederauferstehung und Bekehrung: Der Wandel von Ebenezer Scrooge von einem ins Kapital verliebten Grinch zum liebeswürdigen Onkel von nebenan blinkt und glitzert auf der Oberhausener Bühne wie ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum. Die Musik von Dirk Michael Steffan bringt London aus dem 19. Jahrhundert ganz neue Flötentöne bei. Die Lieder wirken wie ein dezenter Ritt durch die Genres, ohne allzu revolutionär zu sein oder aus der Rolle zu fallen.
Wenn die spielfreudige Nina Barton als Mrs. Fezziwig bei „Nur eine Kleinigkeit“ aus der Speisekammer berichtet, geht das locker als Küchen-Rap durch. Wenn die Duisburger DSDS-Siegern Marie Wegener im schneeweißen Kleid mit goldenen Locken das sanftmütige „Lied eines Engels“ anstimmt, dürfte Musical-Puristen das Herz aufgehen.
Mit der berührenden Ballade „Ein Leben lang“ zur unvollendeten Liebe von Scrooge und seiner Belle gelingt Felix Martin zusammen mit Mascha Kamenskikh der spürbar stärkste Moment des Abends. Die heimlichen Stars sind jedoch die vorzüglichen Kinderdarsteller, die zur Premiere immer wieder mit Szenenapplaus bedacht werden.
Der Geist der Weihnacht: Szenen-Applaus für die Kinderdarsteller, gelungene Kulissen
Publikumsliebling Tim Wilhelm, der als Geist Jakob Marley den verbitterten Scrooge auf den rechten Weg geleiten möchte, fragt wie bei einer Samstagabendshow nach anwesenden Knirpsen und erntet ein hochstimmiges „Jaaa“ als Echo. Nicht nur handverlesene Promis wie Schlagersänger Roland Kaiser besuchen die Premiere, sondern auch etliche Kinder.
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„Der Geist der Weihnacht“ bleibt bis Sonntag, 29. Dezember, in Oberhausen. Das ist eine vergleichsweise kurze Spielzeit. Skeptiker befürchteten darum im Vorfeld nur spärliche Bühnenbilder. Unbegründet, wie die Premiere zeigt: Es gibt wechselnde Kulissen von Londoner Häuserfassaden, meterhohe Weihnachtsbäume, detaillierte Kleider, ausgezeichnetes Licht und eingestreute Projektionen. Einzig die Akustik könnte besser werden. Zum Abschluss rieselt Schnee aus Papierschnipseln auf die Köpfe der Besucher. Es gibt höflichen Applaus mit vereinzelten Bravo-Rufen.
Auch wenn eine süßliche Geschichte die in Charles Dickens Original ausgeprägtere Sozialkritik überlagert, bietet neu aufgelegt „Geist der Weihnacht“ in Oberhausen einen unterhaltsamen Musical-Abend mit einem sehenswerten Ensemble.
Die Tickets für weitere Vorstellungen am Oberhausener Musikweg kosten abhängig von Wochentag und Sitzplatz zwischen 40 und 120 Euro.