Gelsenkirchen. Sogar der spanische König wollte ein Stück „Colourful Art of Football“: Christian Nienhaus verrät, was er mit 12.000 Quadratmetern Kunst macht.

Im Mai schuf der Gelsenkirchener Künstler Christian Nienhaus mit dem Projekt „Colourful Art of Football“ das größte Bild der Welt. In der Gelsenkirchener Arena auf Schalke entstand das farbenfrohe Werk mithilfe etlicher Freiwilliger. Mit Farbrucksäcken auf dem Rücken stellten sie Fußballszenen und Laufwege dar, ein über 13.000 Quadratmeter großes Kunstwerk entstand. Zu dem gesamten Projekt ist ein Dokumentarfilm entstanden, der im Januar in die Kinos kommt. Im Interview blickt der Gelsenkirchener Künstler Christian Nienhaus auf das wohl anstrengendste Jahr seiner Karriere zurück.

Wie kam es überhaupt zu der verrückten Idee, auf Schalke das größte Bild der Welt zu malen?

Das war ein Prozess, der über viele Jahre angedauert an. Letztlich ging es um die Philosophie, die meine gesamte Arbeit geprägt hat: Begegnungen von Menschen begreifbar zu machen. Durch Kommunikation verändert man sich und lernt: Von Kindesbeinen an bis zum Erwachsenenalter. Da hat man einen Farbton im Inneren, der sich stetig verändert. Das war der Grundgedanke von „Colourful Art of Football“: Von der Ursprungsidee 2016 bis zur Umsetzung mit hunderten Helferinnen und Helfern vergingen dann acht Jahre.

Welche Menschen haben bei „Colorful Art of Football“ mitgemacht?

Von den Charakteren her wirklich alle: Von der Fußballspielerin, die am nächsten Tag im OP steht, bis hin zum Müllentsorger: Da war alles dabei, aus 16 verschiedenen Nationen. Wir hatten außerdem mehrere Fußballclubs, die wir angefragt haben. Selbst zum Zerschneiden des Bildes kamen wahnsinnig viele unterschiedliche Menschen zusammen. Allein das Bild zu fotografieren, hat acht Stunden mit einer Spezialdrohne gedauert.

Als das Bild endlich fertig gestellt war: Was hat das mit Ihnen gemacht?

Das war das Größte und Aufwändigste, das ich je gemacht habe: Wenn das hinter dir liegt, fällst du erstmal in ein Loch. Aber dieses Projekt beschäftigt mich bis heute täglich. Ich werde wohl die nächsten Jahre damit beschäftigt sein, Teile des Bildes zurechtzuschneiden. Noch immer erreichen mich viele Anfragen, von Museen und Künstlern aus der ganzen Welt. Selbst in Spanien, wo ich ein Atelier habe, war das Interesse groß. Bei König Felipe hängt nun ein Teil des Bildes. Es war einfach ein irrer Trubel und ich bin recht erleichtert, dass es langsam entspannter wird und ich mich wieder auf meine Künstler-Normalität und meine nächste Ausstellung konzentrieren kann, die Mitte nächsten Jahres in Tokio zu sehen sein wird.

Vernissage mit Christian Nienhaus

Christian Nienhaus stellt sein Projekt „The Colourful Art of Football“ am Freitag, 29. November, um 18 Uhr im Medienturm auf der Fläche von Bryck, Jakob-Funke-Platz 2, vor. Wer daran teilnehmen möchte, kann sich bis einschließlich 27. November per E-Mail an kiosk-fmo@funkemedien.de anmelden.

Darüber hinaus gibt es die Bilder auch in allen Leserläden der Funke Mediengruppe sowie in unserem Online-Shop. Den Kunstdruck gibt es für 49 Euro, Originale ab einer Größe von 10x10 Zentimeter ab 35 Euro.

Rund um „Colourful Art of Football“ ist auch ein Film entstanden.

Genau, „The Giant Canvas“ wird im Januar in die Kinos kommen und das freut mich riesig. Dafür haben Tim Suchowski und Florian Schmidt das gesamte Projekt begleitet und sind mir quasi drei Monate lang nicht von der Seite gewichen. Wenn man den Film sieht, kann man erahnen, was für eine riesige Arbeit hinter dem Projekt steckt. Irgendwann habe ich ausgeblendet, dass die beiden und ihre Kamera immer dabei waren. Ich habe ihn selbst vor zwei Wochen zum ersten Mal gesehen. Grundgedanke des Films war es ursprünglich, das Projekt dokumentarisch festzuhalten. Entstanden ist aber ein echter Kinofilm. Tim und Florian haben auch die Doku „Auf Schalke“ gedreht und kannten sich vor Ort bestens aus. Wir hoffen, dass der Film gut ankommt und wir ihn eventuell auch einem Streaminganbieter verkaufen können.

Was macht man mit so viel Kunst?

„Colourful Art of Football“: Der Gelsenkirchener Künstler Christian Nienhaus startet einen Weltrekord in der Arena, auf einer 12.000-Quadratmeter-Leinwand, am Sonntag, 05.05.2024 in Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Es für den guten Zweck einsetzen. Jeder kann ein Teil des Bildes erwerben und damit auch junge Menschen in Ihrer Entwicklung unterstützen. Nächstes Jahr werden 1000 Quadratmeter allein für Charity-Veranstaltungen verschenkt. Das haben wir zum Beispiel schon mit der Felix-Neureuther-Stiftung gemacht. So lange das Bild da ist, möchte ich damit etwas bewegen. Das ist auch der Hauptgrund für das Projekt gewesen. Die beiden Essener Stiftungen „Water is right“ und „Menschenmögliches“ etwa werden auch von „The Colorful Art Of Football“ profitieren. Ich verdiene damit keinen Cent. Für mich ist das Herzensprojekt. Gut die Hälfte gehen in Charity, darunter auch an die „Stiftung RTL – Wir helfen Kindern e.V.“.

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Sind Sie ein Stück weit froh, wenn demnächst wieder Normalität in Ihre Kunst einkehrt?

Ja, ich bin froh, wenn ich mich wieder größtenteils in meine Arbeit vertiefen kann. Öffentliche Kunstperformance ist ja eigentlich gar nicht mein Ding. Durch die große Öffentlichkeit, die mit dem Projekt verbunden ist, gab es auch viele verrückte und kuriose Situationen und Nachrichten. Da gab es plötzlich Menschen, die mir schrieben, dass sie bei mir einziehen wollen. Oder die mich beleidigten, weil das Bild auf Schalke und nicht etwa in Dortmund entstanden ist. Zuvor hatte ich mit Kunstinteressierten und Sammlern zu tun, die ebenso wie ich auch nach dem Sinn und der Geschichte der Kunst schauen. Da haben mich auch Menschen verurteilt: dass ich den Fußball in den Dreck ziehe oder die Kultur verschandele, wurde mir auch häufiger vorgeworfen. Das hätte ich niemals gedacht, wollte ich doch eigentlich nur etwas ganz Friedvolles, Buntes schaffen.

Nicht nur psychisch, auch körperlich hat das Projekt Ihnen vieles abverlangt, oder?

Colourful Art of Football größtes Bild der Welt Kunstdruck Christian Nienhaus
Ein Kunstdruck des weltgrößten Bildes, das im Mai in der Arena auf Schalke entstand. © Colourful Art of Football | Christian Nienhaus

Das gesamte Bild ist von einem Rahmen umgeben: Als Scherenschnitt stelle ich Stadionfans dar: 400 Meter Publikum habe ich in zwei Tagen und drei Nächten um das Bild per Hand gemalt. Zwei befreundete Künstler und sogar meine Nichte haben am Ende beim Ausmalen geholfen, sonst wären wir gar nicht fertig geworden. Das habe ich auch als erfahrener Künstler völlig unterschätzt, irgendwann macht da dein Rücken nicht mehr mit. In der Dokumentation sieht man das gut: Da sehe ich nicht fertig, sondern krank aus. Durch das Projekt habe ich acht Kilogramm verloren, das war schon die Grenze. Mehr ging dann nicht.

Würden Sie das Projekt mit dem Wissen von heute nochmal in Angriff nehmen?

Ich glaube nicht (lacht). Das ist so viel Arbeit und so viel Aufwand. Ich weißt, dass das alles richtig war und bin extrem stolz auf alle Menschen, die da mitgezogen haben. Zeit, Kosten, meine Familie, die das mittragen musste und nicht zuletzt auch einiges an Enttäuschungen. All das würde mich vielleicht davon abhalten, den Startknopf zu drücken, wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte. Das Schönste ist im Nachhinein, dass alles funktioniert hat und vor allem: dass niemand dabei verletzt wurde: Weder beim Bewegen der riesigen Papierrollen, noch beim Bedienen der elektrischen Spezialscheren oder bei der Entstehung des Bildes. Da ist niemand ausgerutscht mit dem 30-Kilo-Farbrucksack auf dem Rücken und darüber bin ich sehr froh. Vor allem aber hat das Projekt gezeigt, dass in der Kunst alles möglich ist. Ganz egal wie aufwendig oder verrückt eine Idee ist.