Essen. Peter Lohmeyer wünscht sich mehr bundesweit beachtete Kulturprojekte aus dem Ruhrgebiet. Da sei noch „Luft nach oben“, findet er.

Wir treffen Peter Lohmeyer in einem leerstehenden Laden in der Rathaus-Galerie, seine Kunst hängt an den nackten Wänden. Mit Rüdiger Abramczik und DFB-Schiedsrichterin Annika Kost spricht er an diesem Abend auf Einladung der Brost-Stiftung über die „Fußballheimat Ruhrgebiet“. Die Region und der Fußball, es sind die Herzensthemen des 62-Jährigen, der am 18. November gemeinsam mit Armin Rohde, Dietmar Bär und Joachim Król den Ruhrpreis der Brost-Stiftung erhält. Ein Gespräch über Identität, Image und Innovation.

Der Ruhrpreis geht an Sie, Armin Rohde, Dietmar Bär und Joachim Król, weil sie alle „Exportschlager des Ruhrgebiets“ sind, heißt es in der Begründung. Sehen Sie sich selbst so?

Peter Lohmeyer: Ich denke unsere Stärke, die Direktheit, die man in dem Beruf braucht und auch eine Art Verbindlichkeit und Offenheit: die haben wir irgendwo her. Und ich denke, die haben wir dank unserer Geburt aus dieser Gegend. Das haben wir immer bei uns, egal ob wir wie ich in Hamburg, wie Joachim und Dietmar in Köln oder Armin in Bochum leben. Wir haben vielleicht ein bisschen Hochdeutsch an der Schauspielschule gelernt, lassen das „Datt“ und „Watt“ weg. Aber unsere Herkunft müssen wir nicht leugnen, darauf können wir stolz sein. Exportschlager ist für mich also positiv belegt. Man hat immer wieder Gespräche zu seinen Wurzeln und da bekomme ich immer positives Feedback zum Ruhrgebiet.

Was verbinden die Menschen, denen Sie begegnen, denn mit dieser Region?

Manchmal muss man es ihnen erklären. Ich komme daher, wo man direkt miteinander umgeht. Ein bisschen wie in Berlin, aber vielleicht etwas charmanter. Und natürlich muss man dann immer wieder Klischees widerlegen, dass es grau hier ist zum Beispiel. Und ich erzähle immer, wie gerne ich immer hierher zurückkomme.

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Warum muss diese Region immer noch erklärt werden?

In anderen Bundesländern wird dieses Heimatgefühl besser nach außen verkauft, zum Beispiel in Bayern, aber auch in Norddeutschland oder in Berlin. Da gibt es mehr Filme und mehr Bücher, die eine breite Masse ansprechen und ein Heimatgefühl transportieren. Da ist hier noch Luft nach oben. Es gibt viele Geschichten aus der Region, die gut erzählt werden können. Der letzte gute Ruhrgebietsfilm, an den ich mich erinnere, ist „Der Junge muss an die frische Luft“. Ich merke das immer, wenn ich die Lichtburg komme, da gibt es eine große Sehnsucht nach solchen Themen. Die Kultur muss besser darin werden, diesen Heimatstolz zu transportieren. Warum gibt es zum Beispiel kein Kinofestival Ruhrgebiet?

Gute Frage. Warum schafft es die Kultur nicht, dieses Gefühl nach draußen zu transportieren?

Weil die Sorgen hier größer sind als woanders. Berlin hat auch kein Geld, leistet sich aber gerne Imageprojekte. Deswegen gehe ich bei Lesungen oder Veranstaltungen auch gern an Orte wie hier in die Rathausgalerie, ein leerstehendes Ladenlokal mitten in der Stadt. Man muss eine Verbindung zu den Menschen schaffen und bestimmte Kulturblasen öffnen. Das hat Bochum immer ganz gut geschafft, zum Beispiel auch auf dem Vorplatz des Theaters gespielt. Und du musst früh anfangen, schon Kinder und Jugendliche für die Bühne begeistern.

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Sie sind sehr oft in der Region, leben aber schon lange in Hamburg. Würden Sie gern wieder ins Ruhrgebiet ziehen?

Irgendwie hat sich das mit Hamburg ergeben, aber es ist schön, dass man die Heimat nicht verliert. Ich fühle mich hier einfach zu Hause und spreche auch die Sprache. Aber in Hamburg sind meine Kinder zur Welt gekommen, mein jüngstes auch vor fünf Monaten. Ich bin sehr fein mit Hamburg und das bleibt auch so. Außer natürlich, mir wir der Trainerposten auf Schalke angeboten (lacht).

Der Fußball gehört ebenso zu Ihrer Identität wie das Ruhrgebiet. Warum geht‘s nicht ohne?

Weil ich ein Stück weit damit groß geworden bin. Wobei, um ehrlich zu sein: Erst habe ich bei Fichte Hagen Handball gespielt. Und als damals Sechsjähriger wurde Schalke mein Lieblingsverein, weil die Trikots genauso blau waren wie bei meinem Handballteam. Fußball ist und war immer etwas, an dem sich die Menschen festhalten, ihre Emotionen loslassen konnten. Es ist ganz wichtig, einen emotionalen Ausgleich zur Arbeit zu haben, gerade in einer so industriell geprägten Region wie dem Ruhrgebiet. Und nicht zuletzt wird die Tradition vor allem in den Familien hochgehalten, da gibt es ja teilweise selbst im ganz engen Verwandtenkreis die Revier-Rivalitäten. Man kann sagen, dass die Fußballkultur immer überlebt.

Was wird es mit Ihnen machen, die alten Weggfährten in Bochum wieder zu treffen?

Ich freue mich riesig darauf, zum letzten Mal haben wir uns in der Konstellation auf einer Berlinale vor rund zehn Jahren getroffen. Und es wird eine Premiere: Wir haben nie zur gleichen Zeit in Bochum auf der Bühne gestanden. Król und Rohde haben zuerst in den Räubern gespielt, erst danach kamen Dietmar Bär und ich ans Schauspielhaus. Aber: Wir alle haben da angefangen und das ist schon etwas Besonderes.

Das Schauspielhaus Bochum hat einen hervorragenden Ruf. Woher rührt die Exzellenz der Schauspielerinnen und Schauspieler, die dort ausgebildet werden?

Auch da lässt sich eine gute Brücke zum Fußball schlagen: Der Verein wurde immer gut geführt. Es gab nur selten schlechte Trainer. Es war immer ein Qualitätstheater am Puls der Stadt. Und der Zusammenhalt dort war immer gut. Ich erinnere mich gut an einen Garderobier, der mich mal besorgt fragte, wie es denn der Andrea gehe. Damals ging es Regisseurin Andrea Breth nicht so gut und das hat mich wirklich beeindruckt: Wenn von der Garderobe bis zur Intendanz alle Gewerke eine Einheit bilden und füreinander einstehen, dann heißt das schon was. Zum letzten Mal stand ich selbst dort in „Onkel Wanja“ auf der Bühne, damals noch unter der Intendanz von Anselm Weber. Bis heute gehe ich ganz gerne in die Herrenschneiderei, kenne da immer noch manche Gesichter von früher. Und der heutige Bühnenmeister war damals Lehrling, als ich anfing.

Wäre es denkbar, nochmal auf die Theaterbühne zu gehen?

Bis vor zwei Jahren habe ich ja in Salzburg gespielt, acht Jahre lang. Und ich habe wieder total Lust darauf. Aber weil ich seit fünf Monaten wieder Vater bin, lehne ich alles ab, was zu weit weg ist. Deswegen habe ich jetzt auch eine lange Pause gemacht von rund zehn Monaten.