Essen. . Weltpremiere für „Der Junge muss an die frische Luft“ in Essen. Hape Kerkeling erlebt seine Kindheit im Ruhrgebiet als bewegende Kinogeschichte

Er ist dann mal wieder da: Warm verpackt im blauen Steppanorak steht Entertainer Hape Kerkelingam Dienstagabend auf dem Roten Teppich vor der Lichtburg und will gar nicht aufhören, Autogramme zu geben. Ob er den Rummel inzwischen nicht auch mal vermisse, will ein Reporter von dem 54-Jährigen wissen. „Bisschen schon“, gesteht Kerkeling, der schon seit Jahren kaum mehr öffentlich auftritt, und nun zusammen mit dem zehnjährigen Julius Weckauf in die vielen Kameras lächelt.

Der pausbäckige Junge aus Jüchen spielt im Film „Der Junge muss an die frische Luft“ den kleinen Hans-Peter und er ist seinem großen Vorbild so aus dem Gesicht geschnitten, dass man die Leute sofort verstehen kann, die vor einem Jahr ins Schreibwarengeschäft seiner Eltern kamen und auf das Kinder-Casting hinwiesen: „Der Julius, der sieht doch aus wie der kleine Kerkeling!“ Und obwohl sich Julius von der ersten Gage noch ein Gewächshaus gekauft hat, wird jetzt wohl nichts mehr aus dem Berufswunsch Gärtner. Denn dass der Zehnjährige auch so herrlich schräge Verkleidungen tragen und Lieder singen und Späße machen kann wie sein großes Vorbild, das sieht das Publikum an diesem Abend bei der Weltpremiere des Films „Der Junge muss an die frische Luft“, der auf der Autobiografie von Hape Kerkeling basiert.

Der kleine Schlämmer im Kinderschlafanzug

„Der Junge ist ein Glücksfall, ein Geschenk des Himmels“, schwärmt Schauspieler Joachim Król, der im Film Hapes zigarrenpaffenden Opa spielt. Während Oma Änne schon früh die Fähigkeiten des etwas ungelenken Knaben erkennt: „Aus dir wird mal etwas ganz Besonderes.“ Der erwachsene Kerkeling ist jedenfalls überzeugt, dass mit Julius die ideale Besetzung gefunden wurde: „Wir sind Seelenverwandte!“

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In dem vom Publikum mit Jubel und Szenenapplaus bedachten Film, den Oscar-Preisträgerin Caroline Link mit viel Ruhrgebietskolorit, Eierlikör und famosen Schauspielern in Szene gesetzt hat, geht es um die Kindheit des gefeierten Entertainers, der in Recklinghausen großgeworden ist. Dabei erlebt man nicht nur die Spaßvogel-Werdung des jungen Hans-Peter, der schon im Schultheater als kleiner Schlämmer auftritt und nachts mit Hingabe im Schlafanzug Roy- Black-Schlager singt. Erzählt wird auch von der schlimmsten Katastrophe seiner Kindheit, dem Selbstmord seiner depressiven Mutter. Und von der für ihn damals einzig möglichen Therapie, dem Schmerz mit Lachen, aber vor allem auch mit familiärem Zusammenhalt zu begegnen. Wie sich hinreißende Leichtigkeit, aber auch bittere Momente die Waage halten, das begeistert am Premierenabend nicht nur Schauspielerkollegen wie „Tatort“-Kommissarin Anna Schudt: „Diese Familiengeschichte hat mich sehr berührt.“

Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet gehört zum Kerkeling-Fanclub. Schließlich habe der Unterhaltungskünstler die CDU 2017 schon in der Bundesversammlung bei der Wahl des Bundespräsidenten vertreten, erzählt Laschet. Und auch das Premierenkino ist für den Politiker erste Wahl: „Die Lichtburg ist der Kinoort Deutschlands.“

„Ihr habt einen wahnsinnig schönen Film daraus gemacht“

Dass Deutschlands größter Filmpalast an diesem Abend auch noch kulinarisch aufschließt, dafür sorgt Sternekoch Nelson Müller, der das Catering besorgt: „Ich bin vor allem ein Fan von Horst Schlämmer.“ Für ein geschnalztes „Schätzelein“ aber ist an diesem Abend kein Platz. Nach dem Abspann gibt sich Kerkeling vielmehr tief bewegt. „Ihr habt einen wahnsinnig schönen Film daraus gemacht“, lobt er und erklärt. „Ich sehe den Film als Appell an Familien, zusammenzuhalten. Bedingungslos.“