Düsseldorf. Walid Nakschbandi leitet seit einem halben Jahr die Film- und Medienstitung NRW. Warum er Mad Max mag und stolz ist aufs Filmland NRW.

Walid Nakschbandi holt den Aktenordner aus dem Schrank. Stapelweise Förderanträge, Material für die nächste Jury-Sitzung. Und er zeigt Handybilder vom Filmfestival in Cannes. Fotos mit Superstar Chris Hemsworth, ein toller Kerl. Und nur einer von vielen Eindrücken. Ein Spagat zwischen Showbiz und Schreibtisch, den der 55-Jährige seit sechs Monaten absolviert. Zu Beginn dieses Jahres hat er Petra Müller als Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW abgelöst. Zeit für ein Gespräch über seine neue Rolle, den Filmstandort NRW und eine Menge Arbeit.

Herr Nakschbandi, wann waren Sie zuletzt im Kino?

Dafür hätte ich gern mehr Zeit! Beim Filmfestival in Cannes habe ich mir den neuen „Mad Max“ angesehen. Eine unfassbare Materialschlacht, eine Wahnsinnsgeschichte. Das ist großes Kino, keine Sekunde langweilig. Und mit meinem elfjährigen Sohn war ich kürzlich nochmal im ersten und zweiten Teil der Marvel-Zeichentrickfilme. Auch Heldengeschichten – und richtig gut gemacht.

Leichte Kost. Aber es hat Ihnen gefallen...

Kino muss unterhaltsam sein, es ist auch ein Zufluchtsort. Da können Sie ungestört in eine andere Welt eintauchen. Für mich ist Kino pure Entspannung. Alltag vergessen. Träumen.

Wie beurteilen Sie die deutsche Filmlandschaft derzeit?

NRW ist ein großartiger Filmstandort, in Deutschland die Nummer eins. Nirgendwo sonst entstehen so viele Produktionen. Diesen Standard müssen wir halten und ausbauen, etwa im Sektor Serien und Audio. Formal warten wir auf das Filmfördergesetz mit seinen steuerlichen Anreizen, das Claudia Roth bereits vor anderthalb Jahren angekündigt hat. Dadurch erhofft sich die Branche eine neue Dynamik für mehr und größere, internationale Produktionen.

Chef der Film- und Medienstiftung NRW: Walid Nakschbandi, noch in seinem Büro im Düsseldorfer Medienhafen.
Chef der Film- und Medienstiftung NRW: Walid Nakschbandi, noch in seinem Büro im Düsseldorfer Medienhafen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Und wie geht es den Kinos?

Die Situation ist schwierig bis stabil, es fehlen die großen Blockbuster, zumal wir gerade feinstes Kinowetter haben. Es gibt gerade in NRW tolle Beispiele, wie Kino funktionieren kann, auch jenseits des Films, als Begegnungsort, Ort des Austauschs, der Auseinandersetzung.

Was macht für Sie einen guten Film aus?

In erster Linie relevante Stoffe, exzellente Drehbücher, authentische Dialoge. Moderne Ästhetik und Bildsprache. Beispiele sind „Songs of Gastarbeiter – Liebe, D-Mark und Tod“ über die Musik der türkischen Gastarbeiter in Deutschland, den wir bald – eingebettet in ein Rahmenprogramm – in zehn NRW-Kinos zusätzlich zeigen. Und „Petra Kelly – Act Now“, ein grandioser Film einer Kölner Regisseurin, der demnächst anläuft. Oder „In Liebe, eure Hilde“ über Hilde Coppi und die NS-Widerstandsgruppe Rote Kapelle. Aber auch die französische Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ ist ein relevanter Stoff. Sie erzählt auf amüsante Art die Geschichte unserer heutigen Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Kulturen und Prägungen und wie daraus ein Miteinander entstehen kann.

Wie viele Drehbücher haben Sie in ihrem ersten halben Jahr gelesen?

Rund 200. Das Gesamtkonzept einer Produktion muss stimmen, aber das Drehbuch ist natürlich das Herzstück. Am besten ist es, wenn Sie den Film schon vor sich sehen können.

Zur Person: Walid Nakschbandi

Walid Nakschbandi wurde 1968 geboren. Er studierte Politikwissenschaften und Jura und arbeitete als politischer Redakteur. 1996 kam er zur Holtzbrinck Publishing Group. Zuletzt war er dort Chief Innovation Officer und Geschäftsführer bei den Holtzbrinck Buchverlagen.

Seit 1. Januar 2024 ist er Geschäftsführer der Film- und Medienstiftung NRW. Er ist Autor zahlreicher Texte und als Produzent wurde er für Filme wie „Meine Tochter Anne Frank“ oder „Letzte Ausfahrt Gera – acht Stunden mit Beate Zschäpe“ ausgezeichnet.

Ihre Bilanz nach sechs Monaten als NRWs Chef-Filmförderer?

Die Zeit war irrsinnig spannend, das Haus mit seinem Stellenwert und seiner Expertise, der kreative Austausch mit den Produzenten, den Gamern, den Publishern, die mit ihren Ideen zu mir kommen. Wir haben in unserer Branche das Glück, dass wir uns permanent mit Dingen beschäftigen, die eine Horizonterweiterung bedeuten. Aber das bringt auch viel Arbeit mit sich. Allmählich komme ich klar mit meiner Zeit, anfangs waren 24 Stunden zu wenig. Die Entwicklungen dürfen uns nicht überholen, ein Beispiel ist Künstliche Intelligenz.

Ihr Standpunkt? Bedrohung oder Bereicherung?

In erster Linie Sparringspartner. Wenn wir KI richtig nutzen, kann sie ein Ideengeber sein. Am Ende schreiben die Drehbuchautoren die Geschichten, ist es ein Regisseur, der inszeniert, ist es ein Kameramann, der die richtigen Bilder fotografiert, ein Cutter, der den Film montiert. Aber innerhalb dieser Prozesskette kann KI eine enorm wichtige Rolle spielen

Anfang 2025 verlässt die Filmstiftung NRW nach 30 Jahren den Düsseldorfer Medienhafen. Freuen Sie sich auf Köln?

Wir verlassen Düsseldorf mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt, den Blick auf den Rhein werde ich vermissen. Aber ich freue mich auch auf den neuen Standort am Dom in Deutschlands Medienhauptstadt Nummer eins.

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Sie sind Journalist, Redakteur und selbst Filmschaffender. Was waren Ihre Themen?

Ich habe mich immer für gesellschaftspolitische Themen interessiert. Als Regisseur habe ich mich intensiv mit dem Holocaust beschäftigt, das war schon der Schwerpunkt meines Studiums.

Außerdem waren Sie in den 90er-Jahren Produzent der ZDF-Sendung „Versteckte Kamera“. Was war Ihre beste Sendung?

Konkret kann ich mich nicht erinnern. Aber die Zusammenarbeit mit Autoren wie Kurt Felix hat mir einen Riesenspaß gemacht, einer der sympathischsten, humorvollsten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe. Wir haben uns alle sechs Wochen zum Schreiben getroffen. Das Herzstück einer Sendung ist ein guter Gag.

Worüber können Sie lachen?

Über einen guten Witz. Über bestimmte Einlassungen meiner Kinder, die ehrlich und ungefiltert kommentieren. Und über Situationskomik. Zuletzt habe ich eine Frau an der Charging-Station beobachtet. Sie konnte den Anschluss an ihrem E-Auto nicht finden. Am Ende musste sie selbst lachen.