Essen. Der Partyschlager-Star hat aber nicht nur zum Skandal eine eindeutige Meinung. Im Herbst tourt er mit seinen Hits und Live-Band.
Er begeistert, er nervt, er polarisiert: Mit emotional diskutierten Hits wie „Dicke Titten Kartoffelsalat“, „Bumsbar“, „Ich schwanke noch“ und nicht zuletzt „Layla“ schrieb, sang und produzierte sich Matthias Distel, besser bekannt als Ikke Hüftgold, an die Spitze des Partyschlager-Genres. Im vergangenen Jahr scheiterte der Limburger knapp beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest an Lord Of The Lost und lieferte sich danach ein verbales Scharmützel mit dem zuständigen Sender NDR, dem er im Gespräch mit dem Musikportal Laut.de „Manipulation und Betrug“ vorwarf. Abseits davon läuft es für den 47-Jährige aber bestens. Sein Soloalbum „Nummer eins“ konnte dem Namen alle Ehre machen, im Herbst geht Hüftgold mit all seinen Hits und kompletter Liveband auf Tour. Wie das funktionieren wird, was er von der DFB-Elf bei der Fußball-EM erwartet und warum DJs weiterhin Gigi D‘Agostinos „L‘Amour Toujours“ spielen sollten, erklärt er in unserem Interview.
Eine ihrer aktuellen Singles, „Pyrotechnik“ thematisiert die Nutzung von Rauchtöpfen, Fackeln & Co. in Fußballstadien. Wie stehen Sie denn persönlich dazu?
Ikke Hüftgold: Ich kriege natürlich mit, was in Stadien passiert und bin ja sehr fußball-affin, weiß, dass die Ultra-Gruppen aller Vereine wegen dieses Themas Stress mit dem DFB haben. Zum Teil ist das begründet, zum Teil aber auch überzogen. Aber an sich ist Pyrotechnik kein Verbrechen. Das habe ich auch recherchiert.
Der andere neue Song „Se Germans“ zielt eindeutig in Richtung Fußball-EM. Wie weit geht’s denn für die DFB-Elf?
Es wird der Titel. Da bin ich absoluter Optimist. Wir haben eine gute Mannschaft, wenn die Jungs jetzt nicht wegen irgendwelchen blöden Dingen den Fokus verlieren, wenn sie Teamspirit beweisen, dann geht’s ganz nach oben. Am Publikum wird’s nicht scheitern, die Fans werden noch mehr Flügel wachsen lassen, als der DFB-Adler jetzt schon hat.
Voriges Jahr gaben Sie in mehreren Interviews an, dass Ihre bald folgende Tour die erste und letzte sein wird. Ist dieser Plan noch aktuell?
Ja. Ich komme ja aus der Livemusik und so eine Tour ist wirklich mit unheimlich viel Arbeit verbunden. Ich gehe damit schlafen, ich wache damit auf, es ist eine riesige mentale Herausforderung. Ich habe Riesenrespekt davor, aber ich freue mich auch drauf, weil es ein schöner Abschluss von 15 Jahren Ballermann-Wahnsinn wird.
Was können wir erwarten?
Eine komplette Liveband, viel Technik und Beiwerk, knapp 30 Songs, die teilweise neu interpretiert werden und ganz viele Überraschungen. Die Zuschauer können sich auf einen sehr besonderen Partyschlager-Abend freuen und ich werde alles geben, dass sie gut gelaunt nach Hause gehen.
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Ist so eine Tour in diesen Zeiten überhaupt noch ökonomisch sinnvoll? Sind Kurzauftritte im Oberbayern auf Mallorca oder auf Festivals nicht viel lukrativer?
Ich schätze, dass ich mit einer schwarzen Null rauskomme. Wir reden von mehreren Tausend Stunden Arbeit für mich, die Band, die ganze Produktion drumherum. Die Tour mache ich nur für das Publikum und mich. Wirtschaftlich gesehen ist es Schwachsinn. Aber ich bin an einem Punkt, wo ich mit meinen Einzelgagen bei Festzelten bei einer Gage von 20.000 Euro liege. Jeder, der das aus wirtschaftlicher Sicht sieht, zeigt mir einen Vogel. Aber ich habe nie Musik gemacht wegen des Geldes, sondern wegen Musik. Deshalb ist es für mich ein perfekter Zeitpunkt, nun zu touren. Wir hätten ein paar Euro rausziehen können, müssten dann die Show aber viel spartanischer gestalten. Das will ich jetzt aber nicht.
Was sagen Sie denen, die spotten „Wer braucht bei Partyschlager eine Liveband?“?
Och, die sollen mal warten, wenn die ersten kurzen Videos von der Tour raus sind. Wir werden die Bilder natürlich auch kräftig streuen. Und es wird anders, als viele erwarten. Manchen fehlt sicher auch die Vorstellungskraft. Andererseits haben schon 15., 16.000 Menschen Karten gekauft, wir sind gut unterwegs und werden wohl in vielen ausverkauften oder fast ausverkauften Hallen spielen.
Sie gaben kürzlich bekannt, Buchungen für Auftritte nur noch für das Jahr 2025 anzunehmen. Woran liegt’s?
Alles über 2025 hinaus wird abgebügelt, aber auch in dem Jahr reden wir nur noch von 20, 30 Auftritten, ich nehme schon da nicht mehr alles an. Ich möchte mich privat jetzt auch mal anderen schönen Dingen widmen. Vor allem meiner Partnerschaft, mehr in den Urlaub fahren. Beruflich habe ich andere Ziele für mich entdeckt. Ich habe meine Kinderstiftung, weitere soziale Projekte. Ich werde also immer noch gut ausgelastet sein.
Gibt es auch künstlerische Ziele?
Wer sich mit uns und mit beschäftigt hat, weiß, dass wir viel im Nachwuchsbereich erreicht haben. Mia Julia, Lorenz Büffel, Honk, Isi Glück – alle entdeckt und nach vorne gebracht. Da geht der Weg natürlich weiter. Es ist immer eine große Freude zu sehen, wenn sich da was entwickelt. Und …
Ja?
Wir steigen jetzt mit Summerfield in den Dartsport ein. Wir wollen Dart zum Breitensport machen, professionalisieren gerade eine Liga, mit der PDC als großem Vorbild. Ich bin da sehr gut vernetzt, habe zum Beispiel Max Hopp als Freund und bin selber leidenschaftlicher Spieler.
Wie steht es da um Ihre Fähigkeiten?
Naja, der 3-Dart-Average liegt so bei 14, 15 … (lacht) Nein, tatsächlich spielte ich letztens mein erstes Turnier. Habe zwar auf die Mütze bekommen, aber einmal die 171 geschmissen. Das ist mir vorher nie passiert. 171 in einer Turniersituation, das war ein Gefühl wie vor 40.000 in der Schalke-Arena. Einfach geil.
Nochmal zurück zur Musik: Was empfanden Sie, als „Nummer eins“ wirklich auf die Eins ging? Genugtuung nach all den Querelen der Vorjahre um „Layla“, „Bumsbar“ und den ESC?
Das war surreal. Partyschlager hat vorher nur in der Nische stattgefunden. Mittlerweile reden wir von Mainstream, auch wenn viele Partyschlager noch hassen. Du kommst an uns nicht vorbei. Ich nannte das Album „Nummer eins“ mit dem Anspruch, dass es auch auf Eins geht. Das war natürlich großmäulig und satirisch gedacht. Wäre es auf Fünf gegangen, hätte ich in der Ikke-Rolle gemeckert, wie das denn sein kann, wo es doch „Nummer eins“ heißt.
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Es hat aber geklappt.
Ja, wobei eine Eins heute nicht mehr das ist, was uns durch die Vergangenheit vorgegaukelt wird. Ich habe das Album ja im Bundle mit Tourtickets verkauft. Wer hat denn heute noch Interesse an einer CD?
Eigentlich nur noch das leidenschaftliche Fan-Publikum.
Genau. Und wenn ich mir mal angucke, dass Mia Julia den Sprung auf die Eins probiert hat, indem sie Bettwäsche mit ihrer CD verkauft hat …das war einer der Gründe, warum ich jetzt mal allen zeigen wollte, wie es geht. Mal im Ernst, da dachte ich: Wie scheiße ist das eigentlich? Es wird irgendeine Kacke in China produziert, dann die CD daran gepackt und es geht auf Chartplatz zwei, obwohl die Musik nicht öfter gehört wird als andere Musik, weil es nicht ums Hören, sondern um die Bettwäsche geht. Und wenn du Die Amigos siehst …die waren 13 Mal in Deutschland auf Eins. Weil die Topflappen und Kochschürzen verkauft haben, mit einer beigelegten CD. Eigentlich bin ich doof, dass ich das einem Pressevertreter sage, aber ich denke: Diese Bundles gehören abgeschafft! Es gehört Musik auf die Eins, die die Eins ist. Und nicht ein Topflappen oder Bettwäsche. Mit dem Gefühl habe ich die Eins gefeiert, weil die Leute mit dem Album eben auch Tickets für die Tour kauften, also quasi Musik mit Musik gekauft haben.
Dazu kommen die Streams.
Da bin ich in Deutschland auch unter den Top 50. Für „Bumsbar“ oder „Ich schwanke noch“ gab es die Goldene Schallplatte, für „Layla“ als Produzent sogar Diamant. Aber Chartplatz eins ist eigentlich für den Arsch.
Wundern Sie sich manchmal, wie einfach es ist, für Skandale zu sorgen? Das ging mit „Layla“ und „Bumsbar“ ja ziemlich schnell.
Wir arbeiten schon bewusst mit Worten, die polarisieren. Wir wissen schon gut, wie man triggern kann. Manchmal rechnet man da aber auch nicht mit, wie bei „Layla“. Da war ich noch der, der sagte „Boah Schürze, puuh, mach nochmal hier, mach nochmal da. Und dann bringen wir es raus.“ Begeisterung hört sich anders an (lacht). Aber da kam dann alles zusammen. Wenn ich das Lied heute noch höre, grinse ich. Aber noch heute ist es so, dass ich und auch mein Kollege Dominik als Top-Produzenten in der Szene, vorab nicht wissen, was funktionieren wird. Wir ahnen zwar was, aber wir wissen es nicht. Beispielsweise ahnten wir bei „Oberteil“ jetzt wieder, dass der Top Drei geht.
Schreiben Sie solche Songs eigentlich nüchtern?
Die Frage bekomme ich oft gestellt. Ich habe schon mal versucht, in vollem Kopf zu schreiben, sang was in mein Handy. Am nächsten Morgen wachte ich auf, hörte mir das an und dachte „Sag mal, hast du sie eigentlich noch alle?“ Tatsächlich arbeite ich ganz strukturiert und absolut nüchtern. Ich nehme mir ein Thema vor und lege dann los. Das klappt oft sehr schnell. Den Text für Lorenz Büffels „Johnny Däpp“ habe ich in zwölf Minuten auf meiner Couch geschrieben. Songs, mit denen ich mich tagelang rumquäle, werden oft kein Hit.
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Gibt es Songs, die Sie bereuen?
Da gibt es Hunderte. Ich bin aber ein sehr großer Verdrängungskünstler und halte mich auch gar nicht mit alten Sachen auf. Die habe ich damals gemacht, weil ich sie gefühlt habe. Vieles von dem fühle ich heute nicht mehr. Wenn ich jetzt aber sehe, dass ich mich so an die Spitze des Genres gesungen habe, möchte ich da nicht zu viel kaputtreden oder von Fehlern reden. Es ist schon ein besonderer, einzigartiger Weg, den ich gegangen bin, mit viel Kraftaufwand und Energie. Zudem ist ein Riesennetzwerk mit wundervollen Leuten entstanden, darauf möchte ich den Fokus legen.
Wünschen Sie sich, dass ihre sozialen Aktivitäten in der Öffentlichkeit wie ihre Arbeit für ein Kinderhospiz, die Flüchtlingshilfe oder den NABU mehr im Vordergrund stehen und Sie nicht von vielen immer nur auf den „Ballermann-Proleten“ reduziert würden?
Ja und nein. Ich mache sehr viele Projekte am liebsten ohne die Öffentlichkeit. Ich würde mir wünschen, dass die Themen mehr Aufmerksamkeit bekämen, gar nicht wegen meiner Person, sondern dass sich mehr Menschen dazu berufen fühlen, anderen zu helfen und mehr über den Tellerrand zu schauen. Wo die sozialen Abgründe liegen und wo man mal anpacken kann. Ich wünsche mir, dass das Ehrenamt wieder mehr Ansehen bekommt. Da sehe ich die Politik unter Zugzwang. Dass sie in Sachen Integration oder in der Früherziehung, der Integration unter Kindern mehr tut.
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Letzte Frage an Sie als Stimmungssänger-Star: Sollen DJs noch Gigi D’Agostinos Lied „L’Amour Toujours“ spielen?
Ja! Es ist eine Frechheit, wenn man es nicht spielen würde. Man muss den Leuten in den Arsch treten, die den Song benutzen, um rechte Parolen zu grölen. Da muss der Gesetzgeber ran. Aber auf keinen Fall darf so ein Song verboten werden. Oder DJs bestraft werden, weil sie ein „Nazi-Lied“ spielen. Nein, das ist kein Nazi-Lied! Es sind Nazis, Möchtegern-Nazis, Vollidioten, die auf diesen Zug aufspringen. Wenn wir so weitermachen, ist der nächste Song, der verboten wird, einer von Roland Kaiser oder von Ikke Hüftgold oder von Udo Lindenberg.
Ikke Hüftgold live:
15.11. Mönchengladbach (Red Box), 16.11. Münster (Skaters Palace), 21.11. Köln (E-Werk), 6.12. Oberhausen (Turbinenhalle). Karten ca. 50 €.