Gelsenkirchen. Jasmin Wagner, alias Blümchen, tritt im September auf Schalke auf. Im Interview erzählt sie unter anderem von den Modesünden der 90er.

Alle, die in den 90er-Jahren ihre Kindheit und Jugend verbracht haben, werden sich an den Start der Eurodance Ära erinnern. Elektronische Tanzmusik wummerte plötzlich aus allen Boxen. Der Schweizer DJ Bobo feierte riesige Erfolge, Scooter erlebten wahre Höhenflüge und auch ein zartes Blümchen ließ sich von treibenden Beats mitreißen. Jasmin Wagners Alter Ego mit dem unschuldigen Namen kletterte mit „Herz an Herz“ auf Platz vier der deutschen Charts. Ähnlich gut lief es mit „Boomerang“. Nach einer längeren „Blümchen“-Pause lässt Jasmin Wagner das Projekt aus den 90ern seit einiger Zeit wieder aufleben. Mit „Ravergirl“ erschien kürzlich sogar eine neue Single – mit ganz viel Retro-Charme. Außerdem ist sie im September gemeinsam mit anderen Künstler live bei der „Flashback Megashow“ auf Schalke zu sehen. Im Interview verrät Jasmin Wagner, wie sie die 90er-Jahre erlebte, welchen Starschnitt sie selbst gesammelt hat und welche Klamotten aus der Zeit lieber im Schrank bleiben sollten.

Sie treten im September bei der Flashback Megashow in Gelsenkirchen auf. Es ist nur eine von vielen solcher Flashbackshows, die zurück in die 90er und 2000er Jahre führen. Woher glauben Sie kommt das Bedürfnis, diese Zeit wieder aufleben zu lassen?

Es ist eine wunderschöne Mischung aus Eskapismus und Nostalgie. Man reist gemeinsam durch die Zeit und wird in die Gefühlswelt versetzt, die man damals hatte, als man all diese Lieder gehört hat. Es hat sich damals alles so frei, unbekümmert und unbesorgt angefühlt. Aber es lag auch immer ein Hauch vom Erwachsenwerden in der Luft. Allerdings bekommt man mit dem Älterwerden immer mehr Herausforderungen und Aufgaben vom Leben serviert – auf so einer Party kann man diese Dinge für einen Moment vergessen. Man wird einfach von der Musik und der besonderen Energie im Raum erfasst. Ganz genau kann ich das nicht beschreiben, man muss einfach mal dabei gewesen sein.

Wie würden Sie die 90er beschreiben?

Die 90er waren ein Jahrzehnt, in dem alles ging. Es gab scheinbar keine Grenzen. Die Budgettöpfe im Musikgeschäft waren voll und alles ging immer schneller, weiter, höher. Die Sorgen, die wir heute haben, schien es damals nicht zu geben. Ressourcen schienen unendlich zu sein. Klar, war das damals auch schon nicht mehr der Fall, aber wir hatten das nicht so in unserem Bewusstsein. In den 90ern herrschte ein anderer Zeitgeist.

Sie stehen auf Schalke nicht allein auf der Bühne, sondern mit vielen anderen Stars der 90er und 2000er. Gibt es jemanden, auf den Sie sich besonders freuen?

Also zum einen freue ich mich, dass ich mit meinem Kollegen Knossi als Moderatorin durch den Abend führen darf. Wir beide werden versuchen, das Festival zu einem Erlebnis zu machen. Wenn es um die Künstlerinnen und Künstler geht – ehrlicherweise finde ich davon jeden spannend: Ob es die Vengaboys sind oder der Crazy Frog. Atomic Kitten fand ich auch immer toll. Denn was soll ich sagen, in den 90ern und 2000ern war ich ja nicht nur selbst Künstlerin, sondern auch Kundin. Ich war Teenager und habe die Musik gelebt, gefühlt und selbst mitgeprägt.

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Sie haben gerade schon gesagt, dass Sie als Moderatorin durch das Event führen. Haben Sie schon vorher mit Knossi zusammengearbeitet?

Wir haben einen Film zusammen gedreht, irgendwo im Norden von Deutschland. Wir haben zusammen mit allen anderen Schauspielern und Schauspielerinnen in einem Hotel gewohnt. Wir haben quasi wochenlang zusammengehockt und abends Gesellschaftsspiele gespielt. Während der Zeit haben wir uns ganz gut kennengelernt und ich war auch in einer Folge von seinem Podcast. Wir sind beide Freunde des Wortes und werden eine richtig gute Zeit zusammen haben.

Mit „Ravergirl“ hat Jasmin Wagner sogar eine neue Single unter dem Namen Blümchen veröffentlicht.
Mit „Ravergirl“ hat Jasmin Wagner sogar eine neue Single unter dem Namen Blümchen veröffentlicht. © MARK SANDTEN / FUNKE FOTO SERVICES | Mark Sandten / FUNKE FOTO SERVICES

Sie sind nicht nur als Moderatorin dabei, sondern auch als Ihr Alter Ego Blümchen. Sie haben kürzlich auch den neuen Song „Ravergirl“ herausgebracht. Wie kam es zu diesem Comeback?

Mein Live-Comeback als Blümchen hatte ich schon 2019. Die 90er haben einfach so an meine Tür geklopft und dieses Klopfen wurde einfach immer lauter. Seitdem gab es verschiedene musikalische Kooperationen – unter anderem mit Finch und Domiziana. Das waren sehr erfolgreiche Songs, die ich selbst auch mitgeschrieben habe. Und irgendwann war es einfach an der Zeit, dass ich meinen eigenen musikalischen Weg weitererzähle. 2021 habe ich unter dem Namen Jasmin Wagner das Album „Von Herzen“ rausgebracht. Das hatte sehr viele elektronische Anteile, weil ich selbst sowas wahnsinnig gern höre. Ich wäre Blümchen-Fan, wenn ich nicht zufällig selbst Blümchen wäre (lacht). Die Musik macht mich einfach fröhlich und gibt mir so viel Energie. Aber die Frage ist, wie erzählt man heute den musikalischen Weg von damals weiter? Es ist spannend, die richtige Mischung zwischen dem Retro-Sound und modernen Klängen zu finden.

Aber das klingt nicht so, als würde es nur bei einem Lied bleiben?

Die nächsten Kooperationen sind in der Entstehung. Ich habe außerdem einen weiteren Song geschrieben und gehe in diesem Sommer auf Festivaltour. Ich bin zum Beispiel auf dem Deichbrand-Festival in Nordholz und bei verschiedenen 90er-Festivals. Dieses Jahr steht bei mir komplett im Zeichen der Musik.

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Zum Song „Ravergirl“ gibt es tatsächlich auch ein Musikvideo, das einen wundervollen Retrovibe hat – auch wenn es um die Outfits geht. Sind die 90er-Klamottentrends eher ein Fluch oder Segen?

Ich finde es spannend, dass die 90er jetzt so etwas sind wie 70er und 80er. Ich habe diese Sachen natürlich alle früher getragen, aber nie daran gedacht, dass sie nochmal als Retrotrends zurückkommen. Mittlerweile gibt es ja auch Kostümpartys mit dem Motto „90er“. Die Menschen kaufen sich Sachen und verkleiden sich passend zu dem Jahrzehnt. Ich glaube, die 90er waren das letzte Jahrzehnt mit wirklichen Originalen – mit originalen Designs, Musik und auch TV-Sendungen. Gerade wird vieles, was es in den 90ern gab, recycelt. Meine Patenkinder tragen das, was ich früher auch im Schrank hatte. Oft denke ich mir, „Ach, das Teil hättest du aufheben können“. Und manchmal fühle ich mich wie meine Eltern, die sich irgendwann mal gewundert haben, dass Schlaghosen wieder angesagt sind. Alle Sachen, die die Stylisten für den Videodreh mitgebracht haben, hatte ich so auch zu Hause. Interessanterweise hätte ich nicht gedacht, dass ich mit Mitte 40 noch bauchfrei rumlaufe. Aber es geht noch (lacht).

Gibt es eine Modesünde, die lieber in den 90ern bleibt?

Puh, meine Grenze wäre wild Tierfellmuster zu mixen. Früher habe ich Kuhfell, mit Zebrafell und Leopardenfell gemischt. Das würde ich heute nicht mehr machen (lacht).

Ein weiterer Trend, der sich von den 1950ern bis zu Beginn der 90er hielt, war auch die Zeitschrift „Bravo“. Was fällt Ihnen zu dem Stichwort ein?

Die „Bravo“ war die Bibel der Jugend. Die Zeitschrift hat informiert und aufgeklärt. Gerade jüngere Leser und Leserinnen hatten damals nur die „Bravo“, um über Popstars und Trends auf dem Laufenden zu bleiben und auch etwas über die eigene Körperentwicklung zu lernen. Viele hatten keinen Computer zu Hause, es gab keine Smartphones, kein Instagram, kein TikTok und googeln konnte man auch nichts. Deswegen war uns die „Bravo“ auch so wichtig. Bei uns in der Klasse hat sie Manuela immer gekauft und dann rumgereicht.

Gibt es einen Starschnitt, den Sie selbst gesammelt haben?

Ich fand die Backstreet Boys toll. Aber ein richtiger Fan war ich von New Kids on the Block. Bei denen war ich so ein richtiger Teenager, mit verliebt sein und Poster anhimmeln. Und natürlich hatte ich auch die in den 90ern so typischen Phantasieposter an den Wänden: überromantisierte Delfine und Einhörner. Alle Teenies von damals werden sich daran erinnern (lacht). Ich weiß auch nicht, was das mit diesen Fantasiewelten früher war.

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Kommen wir nochmal zurück zu Blümchen. Wie wollen Sie das Projekt ins Heute holen?

Das wundervolle ist, dass die Texte so unschuldig sind. Vielen Texten aus den 90ern kann man vorwerfen, dass sie sexistisch sind und deshalb nie so in dieser Zeit jetzt funktionieren können. Blümchen-Songs funktionieren heute immer noch. Es sind harte Beats, gepaart mit himmlischen und süßen Melodien. In vielen Songs, die die Jugend heute vorgesetzt bekommt, geht es ums Partymachen. Aber das ist nicht Blümchen.

Wie Sie bereits gesagt habe, dieses Jahr steht im Zeichen der Musik mit vielen Festivals. Sie sind vor einiger Zeit Mutter geworden. Wie bringen Sie beides unter einen Hut?

Ich würde sagen, dass mein Job ein super Job ist, um Mutter zu sein. Ich kann mich um all die Sachen kümmern, um die sich eine junge Mutter nun mal so kümmert. Ab und an habe ich einen Konzerttag, einen Tag im Studio oder einen Drehtag zu einem Video. Ich kann mir diese Dinge aber so einplanen, wie es für mich passt. So bin ich sehr flexibel in meinem Job und das passt perfekt mit dem Muttersein. Vermutlich bin ich flexibler in meinem Job als viele andere Menschen.

Sind Ihr Mann und Ihre Tochter live dann auch dabei?

Es kommt immer drauf an, wie wir es organisieren. Als meine Tochter noch kleiner war, haben wir sie immer mitgenommen und dann ist auch meine Mutter mitgekommen. Sie hat dann auf die Kleine aufgepasst. Mittlerweile ist sie schön größer und hat feste Abläufe. Da müssen wir gucken, wie es für sie am besten ist. Manchmal bin ich allein unterwegs, manchmal nehme ich meine Mutter oder meinen Mann mit. Und ich muss sagen, solche Konzerttage sind auch ganz schöne Familientage. Denn man hat an den Tagen auch immer Zeit für kleine Ausflüge mit der Familie. Es ist wie ein Kurzurlaub in dem ich für ein paar Stunden arbeite.

Ist Ihr Mann auch Blümchen-Fan?

Ich glaube er findet das schon unterhaltsam, aber er ist mehr im HipHop zu Hause (lacht).

Haben Sie selbst auch noch Zeit für private Festivalbesuche?

Das ist natürlich ein bisschen eingeschränkter in meinem neuen Leben als Mutter. Aber wir haben in unserer Partnerschaft die Vereinbarung, dass wir immer auch noch etwas für uns selbst machen. Wir wollen uns immer daran erinnern, wer wir vor dieser Zeit mal waren. Ein Festival im Jahr ist aber definitiv drin und das genieße ich dann auch in vollen Zügen. Vielleicht bin ich nicht fünf Tage auf so einem Festival, sondern nur zwei, aber ich habe eine gute Zeit. Ich finde es wichtig, dass man sich gewiss ist, welche Person man mal war, um zu wissen, wie weit man gekommen ist. Man soll sich als Elternteil ruhig trauen, die Dinge am Leben zu erhalten, die einem wichtig waren.

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Gibt es denn ein Festival, das für Sie ein Muss ist?

Ganz klar, Burning Man. Ich mache als neue Mutter eine kleine Pause davon, aber irgendwann werde ich wieder in der Wüste sein.

Abschlussfrage: Wenn Ihre Tochter älter ist und plötzlich mit Low-Waist-Jeans und Plateauschuhen um die Ecken kommt, was würden Sie sagen?

Ich würde fragen, ob sie sich an den Sachen in meinem Keller bedient hat (lacht). Nein, im Ernst – ich würde es vermutlich schwierig finden, so schwierig wie meine Eltern es damals bei mir gefunden haben. Realistisch gesehen wird Sie andere Trends anschleppen, von denen ich nicht unbedingt ein Fan bin (lacht). Aber so ist das nun mal, wenn sich Teenager Sachen aussuchen.

Flashback Megashow: Zeiten und Preise

  • Flashback Megashow
  • Termin: 7.9., 14 Uhr
  • Ort: Veltins-Arena Gelsenkirchen
  • Preise: Karten ab ca. 51 € hier