Essen. Wie „Der Fischer und sine Fru“? Eine Familie zählt plötzlich zu den Reichen in Deutschland: Georg M. Oswalds „In unseren Kreisen“ erzählt davon.

Sie essen Gemüselasagne zum Abendbrot und meditieren gelegentlich, ohne gleich Buddhisten sein zu wollen. Fair gehandelten Kaffee, geschlechtersensible Sprache, korrekt gelegte Eier und Mülltrennung beachten sie. Fleisch und Flüge versuchen sie zu reduzieren. Und wenn es in der Schule mal Ärger mit der zehnjährigen Tochter Marie gibt, liegt das an der Lehrerin.

Tatjana ist Kuratorin in einem staatlichen Museum, Nikolai Schriftsteller mit mangelndem Anklang. Die Sandmanns leben in einer Sechzig-Quadratmeter-Wohnung in München, wo auch die Nachbarn einen ähnlichen Geschmack haben. Sie gehören zum „Fußvolk des Kulturbetriebs“, und das Leben ist eigentlich zu teuer. Aber das geht allen so. Rettung auf Dauer bringt nun Tatjanas Tante Rose in ihr Leben. Nachdem deren Mann, Wilhelm Reich-Schüler und erfolgreicher Weiterdenker von dessen Lehre, schon vor gut zwanzig Jahren gestorben war, hat sie sich für den Freitod in Zürich entschieden. Tatjana macht sie zu ihrer Alleinerbin in der Hoffnung, dass etwas von ihrer kalifornischen Leichtigkeit auf die Nichte übergeht. Und damit dem jungen Paar die Last der millionenschweren Villa im Stil der Neuen Sachlichkeit im Philosophenviertel nicht auf die Füße fällt, hinterlässt sie ihm auch noch eine Barschaft in gleicher Höhe.

Georg M. Oswalds neuer Roman „In unseren Kreisen“

Wieder bevölkern die Schönen und Reichen ein Buch des Schriftstellers, Anwalts und kurzzeitigen Verlagsleiters Georg M. Oswald. Wieder ist es nicht so einfach, reich zu sein, denn auch Luxus hat seine Konfliktfelder. Diesmal führt der Weg von Hipstern zu Millionären. „Sicher, ein Millionenerbe inklusive Traumhaus anzunehmen, gehört nun nicht unbedingt zu den härtesten Bewährungsproben, die das Leben so bereithalten kann … Aber“.

Um dieses Aber kreist Oswalds Roman. Vor allem Tatjana lässt keinen Zweifel daran, das Erbe antreten zu wollen einschließlich des geänderten Sozialverhaltens. Nikolai ist skrupulöser. Nur ist die Verlockung des neuen Lebens gar zu groß. Daran ändert sich schließlich auch nichts, als Schicht für Schicht der Schmutz deutscher Historie das Philosophenviertel kontaminiert. Wenn Georg M. Oswald erzählt, wie Gras darüber gewachsen ist und die Bewohner des edlen Viertels zur Tagesordnung übergingen, ist das über weite Strecken vorhersehbar.

Eine neue großbürgerliche Generation wurzelt hier selbstgewiss. Ihre Luxusprobleme lassen sich lösen. Wenn ein Nestbeschmutzer „Geschichtsvergessenheit und neoliberales Barbarentum“ anspricht, weiß man der Tagesordnung gemäß mit ihm umzugehen. Und irgendwo hinterm Horizont haben die anderen ganz andere Sorgen.

Georg M. Oswald: In unseren Kreisen. Roman. Piper. 208 Seiten. 24€