Münster. Nach drei Jahren Pause für das Münstersche Jazzfestival sorgten Altstars und Entdeckungen für tosenden Jubel im ausverkauften Stadttheater.

Erinnern Sie sich noch an das Internationale Jazzfestival Münster, das in seiner Jugend mal ein sicherer Hafen für ostdeutsche Improvisationsmusiker war? Weil es zuletzt 2019 als rauschender 40. Geburtstag stattfand und danach der Pandemie zum Opfer fiel, durften Nostalgiker nun am Drei-Königs-Wochenende im traditionsgemäß ausverkauften Stadttheater durchaus an die DDR-Hymne denken: „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“.

Mit dem ihm eigenen Gespür für spannende Entwicklungen und reizvolle Kontraste präsentierte Festivalmacher Fritz Schmücker auch diesmal wieder ein klug konzipiertes Programm, das nahtlos an die Erfolge der Vergangenheit anknüpfte. Wobei man ebenso alte Bekannte in neuen Kontexten erleben wie hochattraktive Entdeckungen machen konnte, was nicht nur an sechs Deutschland-Premieren lag.

Aki Takase, Louis Sclavis und Han Bennik mit beinhartem Swing und Freejazz

Starke Frauen sind längst ein integraler Part im Münsterschen Klanggeschehen. Etwa die englische Trompeterin Laura Jurd, deren neues Sextett das Festival eröffnete und dabei arg akademisch tönte. Die Ehrenrettung gelang ihr freilich einen Tag später im Duo mit ihrem Gatten Elliot Galvin am Flügel, wo sie gelassen diverse Monk-Klassiker neu durchdeklinierten. Derartige Rückgriffe auf die Jazzhistorie gab es einige. Etwa als großmeisterliche Synthese aus gewitztem Freejazz und beinhartem Swing der Pianistin Aki Takase mit Klarinetten-Star Louis Sclavis und Trommel-Witzbold Han Bennink, die als Hal Trio für Jubelstürme sorgten. Während das zweite Dream-Team Ethan Iverson / Andreas Lang / Eva Klesse den filigranen Gegenpol zu den legendären Altmeistern bot. Mit duftigen Klanggespinsten, die exemplarisch für eine häufiger zu hörende Innerlichkeit standen.

Die zeigte sich in sehr unterschiedlichen Instrumentierungen, wobei das Trio-Format klar dominierte. Sensationell, wie die junge Israelin Ariel Bart ihre Mundharmonika (!) zu verhaltener Klavier-Grundierung mit einem Cello zu fabelhafter Klangpracht paarte. Eine echte Entdeckung, wie auch die Kombination von präpariertem Flügel, Modular-Synthesizer und erweitertem Drumset von „Other Mother“, deren hypnotischer Flow nachhaltig Eindruck machte. Ebenso die französische Bandoneonistin Louise Jallu, die mit flirrender Geschmeidigkeit den Tango Nuevo von Astor Piazzolla imposant neu definierte.

Grandios: Mario Rom’s Interzone

Großformationen waren diesmal freilich rar. Opulente Improvisations-Flächen kamen mit Paal Nilssen-Love – Circus aus Norwegen, während die neue Westfalen Jazz-Preisträgerin Luise Volkmann mit Été Large hinreißend vital ‘68er-Reminiszenzen in Cinemascope durch den Wolf drehte.

Natürlich gab’s auch starke Bläser. Erwartbar grandios Mario Rom’s Interzone mit strahlender Trompete über packenden Beats; ein schöner Kontrast zur luziden Posaune der jungen Belgierin Nabou Clerhout einen Tag später. Und schlicht bewegend das Wiedersehen mit dem 78-jährigen John Surman, der mit Lucien Ban (Piano) und Mat Maneri (Viola) wundersame Bartók-Anverwandlungen auf Sopransax und Bassklarinette kredenzte. Den klaren Höhepunkt des Festival lieferten allerdings zwei junge Schotten, der Pianist Fergus McCreadie und der Saxophonist Matt Carmichael, die unfassbar souverän mit Melodien ihrer Heimat jonglierten und sie in intimer Zweisamkeit zu grandiosen Preziosen aufblühen ließen. Atemlose Stille im Saal und danach tosender Jubel für dieses Weltklasse-Duo, dem eine große Zukunft sicher ist.

Fazit nach drei kurzweiligen Tagen: Das „Jazzfestival Münster“ ist wie Phönix aus der Asche erstanden – bravo, Fritz Schmücker!