Essen.. Moses W. parodiert Radiofutter und Popsongs. Nicht nur, aber auch. Denn der Kabarettist ist der Musik bis heute verfallen. Für uns ging der gelernte Musikalienhändler für kurze Zeit wieder seinem alten Beruf nach, griff in einem Instrumentenladen zu den Gitarren – und verliebte sich neu.

Eigentlich hätte man den Mann hier gar nicht reinlassen dürfen: Kaum eine Minute ist vergangen, da hat Moses W. die erste Gitarre fest im Griff; er stimmt und spielt und summt auch schon, während er zu reden beginnt. Das liegt ihm irgendwie im Blut. Und die Verführung ist schier überwältigend, denn der Himmel hier hängt voller Gitarren, sorgsam aufgereiht an Haken. Wo wir gerade sind? Im Musikhaus Rhein-Ruhr im Essener Girardethaus und Moses W. muss sich ein bisschen so fühlen, wie ein kleiner Junge, den man in die Bonbonfabrik mitgenommen hat.

Aber ein bisschen ist dies hier, zwischen all den Fenders und Yamahas, den Marshall-Amps und Vox-Verstärkern auch seine natürliche Umgebung. Denn Moses W. war nicht immer Comedian: „Ich bin gelernter Musikalienhändler.“ Hätte er diesen Job nicht ergriffen, wäre er vielleicht niemals auf der Comedy-Bühne gelandet. „In dem Laden, in dem ich damals gearbeitet habe, habe ich auch Musikunterricht gegeben, Gruppenunterricht für Gitarrenschüler, die meistens nicht geübt hatten. Das habe ich in den ersten fünf Minuten der Stunde gemerkt. Und dann habe ich überlegt: Jetzt hast du noch 40 Minuten vor dir, die du irgendwie mit Inhalt füllen musst. Da habe ich dann begonnen, witzige Texte zu improvisieren, um die Schüler irgendwie bei Laune zu halten. So sind dann erste Songparodien entstanden.“ Von denen er sofort bereit ist, die allererste zu Gehör zu bringen: Die Geschichte vom Stierkämpfer Felipe, der bei seinem letzten Kampf mehr verlor als seine Ehre.

Musik spielt nicht immer die zentrale Rolle

Es muss verflucht viele Schüler gegeben haben, die nicht geübt hatten. Jedenfalls hatte Moses W. im Jahr 2000 sein erstes Programm „Halt’s Maul und sing!“ zusammen, das erste von mittlerweile vier Ganzjahresprogrammen. Wobei die Musik nicht immer die zentrale Rolle spielt, wie man schon an den aktuellen Titeln „No Sports!“ und „Er-Sie-Ex“ erkennen kann. Doch dass man das eine tut, heißt ja nicht, dass man die musikalische Seite vernachlässigt. So schrieb er zwischenzeitlich zwei lustige Bücher („Das rockt! Bekenntnisse eines Heavy-Metal-Fans“ und „Rock Dad“). Er spielte mehr als zehn Jahre in Hennes Benders Band „Burger Queen“ Gitarre. Und kehrt im kommenden März mit seinem neuen Programm zurück zum Thema, Titel: „Musikboxen“.

Moses W.’s erstes Programm hieß: „Halt’s Maul und sing!“
Moses W.’s erstes Programm hieß: „Halt’s Maul und sing!“ © WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann | WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann

„Ich mache dabei die Musik als solche zum Thema, gängige Sachen, denen man nicht entgehen konnte, also Radiofutter und Popcharts. Denn das ist ja das Brutale an Popmusik: Dass dir genau das Zeug im Kopf hängen bleibt, bei dem du damals schon beim ersten Hören gesagt hast: Gott, ist das grässlich!“

Und plötzlich brüllt jemand: „Ghostbusters!“

Und Grässlichkeiten gibt es wahrhaft viele, auch wenn sein Publikum zunächst oft jede Kenntnis leugnet. Moses W. lockt die Zuschauer in die Falle, indem er ihnen nur Sekundenschnipsel vorspielt – und plötzlich brüllt jemand: „Ghostbusters!“

Dabei blickt der Mittvierziger auch in die Abgründe, die seine Generation erlebt hat. „So ein Unding der 80er-Jahre war natürlich der Ententanz. Das Ding war in den Charts. Und sowas ging in den 80ern wirklich nur, wenn die Leute die Platte gekauft haben. Da sind wirklich viele tausend Leute in den Laden gegangen, um sich diese Single zu kaufen. Wo du dich heute fragst: Wie konnte uns das passieren? Was ist da mit uns durchgegangen? Hätten Sie uns da nicht mal das Taschengeld kürzen können, damit wir nicht auf so eine bescheuerte Idee kommen?“

Die muss es sein: Moses W. weiß, wie man eine Gitarre an den Mann bringt.
Die muss es sein: Moses W. weiß, wie man eine Gitarre an den Mann bringt. © WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann | WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann

Tja, Musik ist eben eine emotionale Angelegenheit, die auch Moses W. noch manchmal die Stirnader zum Anschwellen bringt. Was dagegen hilft? Ein bisschen auf der Gitarre zupfen, wie man gleich hört, als er „Smoke On The Water“ auf dem Akustik-Instrument spielt und zig andere Rocksongs. Denn auch wenn die Band „Burger Queen“ nicht mehr existiert: Von Zeit zu Zeit tritt Moses W. mit Songs von Queen auf der Akustikgitarre auf. Nun, zumindest mit denen, die das zulassen: „Von ,Bohemian Rhapsody“ ist mir allerdings noch keine Version gelungen“, sagt er. Aber daran würden garantiert auch Gitarrengötter scheitern.

Seine erste Gitarre, ein akustisches Konzertinstrument, hält er übrigens bis heute in Ehren. Und auch seine erste E-Gitarre, eine Flying V, hat er nie aus der Hand gegeben. „An der habe ich viel rumgebastelt und Lackieren geübt, aktuell ist sie pink-metallic.“ Er selbst spielt sie nicht mehr, aber die Farbwahl könnte mit Blick auf die Zukunft erfolgt sein. „Ich habe ja zwei Töchter und ich vertraue darauf, dass eine von beiden irgendwann sagt: Papa, Ich möchte gerne Gitarre spielen lernen. Dann sage ich, komm mal mit, ich habe da noch etwas für dich im Keller. Und dann zeige ich ihr die pink-lila-glitzernd lackierte Gitarre. Und wehe sie freut sich dann nicht einen Ast ab.“

Ist das der typische Ruhrgebietshumor?

Wenn da ein freundlich drohender Unterton mitschwingt, ist das vielleicht auch typisch für den Ruhrgebietshumor? „Ich denke, was uns hier ausmacht, ist einfach die Direktheit. Wir lachen gerne über andere, aber immer aus dem Bewusstsein heraus, dass wir selbst nicht viel besser sind. Ich habe zwar meine Ruhrgebietsherkunft nie so nach außen gestellt wie etwa Herbert Knebel. Aber je weiter man vom Ruhrgebiet weg ist, desto positiver sind die Reaktionen. Die Leute sagen, wenn man den Ruhrslang drauf hat: Mensch, das habe ich ja schon ewig nicht mehr gehört!“

Das erzählt er, während er sich gerade an einer Yamaha Pacifica erfreut, die er jedoch bald gegen ein kleineres, leichteres Model tauscht. Denn mit der Treue, naja, das ist so eine Sache: „Das ist das leidige Thema mit uns Gitarristen: Wir gehen in einen Laden, finden eine Gitarre total toll. Wir verlieben uns in sie, schlimmer noch als in eine Frau. Und nach ein oder zwei Jahren ist die abgespielt. Und dann gehst du fremd! Dann gehst du in einen Laden und spielst da mal heimlich andere Gitarren. Und die zu Hause, die darf das nicht erfahren. Dann lebt man sich irgendwann auseinander, die ist nur noch verstimmt, du kriegst keinen schönen Ton mehr aus der raus. Und dann kratzt du das Geld zusammen und holst dir eine neue.“

Moses W. live sehen – und Karten gewinnen

Moses W. live: 30.10. Witten, Maschinchen Buntes mit „Er-Sie-Ex“; 31.10. Remscheid, Rotationstheater, Vorpremiere „Musikboxen“; 1.11. Moers, Bollwerk, „Queen solo unplugged“; 6.11. Wesel, Old School, „Er-Sie-Ex“; 9.11. Herne, Kulturbrauerei Hülsmann, „Er-Sie-Ex“; 28.11. Krefeld, Kulturrampe & 6.12. Wuppertal, Kontakthof: Weihnachtsprogramm „Mach Platz, ich mach Plätzchen!“.

Moses W. für Zuhause: „Das rockt! Bekenntnisse eines Heavy-Metal-Fans“ (Muschel, 180 S., 9,90 €), „Rock Dad“ (Ulrich-Burger-Verlag, 161 S., 9,90 €); CD: „Halt’s Maul und sing!“ (Vertriebscentrum).