Duisburg.. Im Kochstudio mit Kai Magnus Sting: Auf der Bühne ist sein „Nudelsalat“ ein echter Hit. Deshalb ließen wir den Komiker sein Rezept mal live vor laufender Kamera ausprobieren - und befragten ihn nebenbei zum Humor im Pott und Loriots berühmtem Nudel-Sketch.
Nachts um halb drei in Neudorf-Süd. Ein rechtschaffener Kabarettist wird aus dem wohlverdienten Schlaf gerissen, weil sich unten auf der Straße ein paar Partygäste aus der Nachbarschaft lautstark unterhalten. Und was ist so wichtig, dass man dafür selig Schlummernde ihren Träumen entreißen müsste? Nudelsalat!
Jeder normale Mensch wäre in einem solchen Augenblick aufgebracht aus der Pyjamajacke gehüpft. Nicht so Kai Magnus Sting. Er spürte, dass dies ein besonderer Moment war – vielleicht auch nur, weil er in diesem Moment ordentlich Appetit bekam. Jedenfalls wollte er a) das Rezept für den Nudelsalat und erkannte b), welches komische Potenzial in einer Unterhaltung quer über die Straße liegen kann.
„Der Nudelsalat“ also: Heute ist er schlicht nicht mehr wegzudenken aus dem Bühnenprogramm des 36-Jährigen. Immer als Zugabe, ein paar Fans sind verrückt danach. Und welche Erklärung hat der Kabarettist, der demächst mit dem Tana-Schanzara-Preis für Ruhrgebietshumor ausgezeichnet wird, für den Erfolg dieser Nummer? „Na, die Leute essen gern Nudelsalat.“
Röhrkesnudeln, halbrund mit Loch drin
Das mag gedanklich ein bisschen kurz gegriffen sein, doch es ist uns ein willkommener Anlass, mal zu prüfen, ob sich hinter den lustigen Worten auch eine herzhafte Partydelikatesse verbirgt. „Also, ich bin ja überhaupt kein gelernter Koch, man kann noch nicht einmal behaupten Hobbykoch. Ich koche auch nicht zu Hause. Ich ess’ aber!“, sagt Sting beinahe entschuldigend, als wir uns in der luxuriös ausgestatteten Eventküche der „Frank Schwarz Gastro Group“ in Ruhrort treffen – wo er, das muss man ihm lassen, schon einmal etwas vorbereitet hat. Also die Nudeln („Röhrkesnudeln, halbrund mit Loch drin, damit die Mayonnaise drin auch Platz hat“) sind schon vorgekocht und abgekühlt, als Sting zur Tat schreitet und schnibbelt. Fleischwurst („Vom Metzger meines Vertrauens, der hat mit den Viechern vorher noch gesprochen“), Mayonnaise („80 Prozent Fett!“), Sahne, Pfeffer, Salz, ein bisschen Zucker. Und dann: Gürkskes, Erbsen, Mais, alles aus Glas und Dose. Alles mit dem Löffel untergemengt und… Und dann gibt die Mischung ein so tiefes, zufriedenes, sattes Schmatzen von sich, dass man allein vom Geräusch Appetit bekommt. „Da merken Sie: Der Nudelsalat spricht mit ihnen. Wenn Sie den jetzt auf die Fensterbank stellen, bei 30 Grad für fünf Tage, da fängt der auch an zu laufen, da macht der auch leichte Botengänge“ sagt Sting und übertreibt dabei maßlos – denn wann, bitte, haben wir in diesem Sommer schon mal 30 Grad erreicht?
Ein Lebensgefühl namens Nudelsalat
Für Sting verkörpert der Nudelsalat ein Stück Lebensgefühl, wenn auch vielleicht nicht das modernste, etwa auf einer Stufe wie Käsewürfel oder Mettigel, ein Relikt aus jener Zeit, als es nur drei Programme im Fernsehen gab, die Familie einen festen Badetag hatte und die Telefone noch mit Wählscheibe funktionierten.
„Die Nudelsalatgeschichte ist im Prinzip typisch fürs Ruhrgebiet: Obwohl man sich vielleicht gar nicht kennt, findet über dieses nächtliche Nudelsalat-Gespräch auf der Straße ein Austausch statt. Und bei allem Stress oder allem Streit durch die Ruhestörung endet man am großen Tisch und unterhält sich. Man kommt übers Essen wieder zusammen“, sagt Sting. Er schätzt am Ruhrgebiet die Direktheit der Menschen, die immer auch mit einer Herzlichkeit verbunden ist. Darin muss kein Widerspruch liegen, es ist vielmehr ein Kontrast, der sich auch in anderen Aspekten widerspiegelt: „Ich sag immer: Et ist ja nicht schön hier. Objektiv sogar: Et is ja oft schäbbich. Nicht ,schäbig’, sondern ,schäbbich’ mit ,…bich’ hinten dran. Das ist eine sehr sympathische Form der Hässlichkeit. Es hat was Gemütliches, es hat bei allem Unschönen auch was Schönes, was Heimatliches.“
„Man muss sich natürlich ordentlich bebieren!“
Nun wurde viel über Nudelsalat gesprochen, doch wie schmeckt der Nudelsalat denn überhaupt? „Hhhhhmmmm“, seufzt Sting in bester biolekscher Verzückung und steckt vor lauter Begeisterung den abgeleckten Löffel wieder in die Schüssel. Das hält Sting aber nicht ab, sein Werk anzupreisen und den anderen Anwesenden zu kredenzen. Und die müssen jetzt da durch, Löffel hin oder her. Und das Ergebnis schmeckt wie… nun ja, wie ganz normaler Nudelsalat eben, mit Majo, durchaus partytauglich und ein bisschen klätschig (Sting: „Man muss sich natürlich ordentlich bebieren!“). Wenn man ehrlich ist: Es könnte ein bisschen mehr Gurkenwasser dran sein, der Säure wegen. Schmeckt, aber ein solcher Hit wie seine Bühnennummer wird der echte Nudelsalat Marke Sting wohl nicht, aber immerhin ist er auch keine Lachnummer.
Seine volle Küchentauglichkeit hat der Komiker jedenfalls mit diesem einfachen Rezept bewiesen. Bleibt eigentlich nur noch die Frage nach anderen Inspirationen, die vielleicht in den Nudelsalat-Sketch eingeflossen sind. Denn nicht nur Komik-Kenner dürften wissen, dass es einen weiteren berühmten deutschen Spaßmacher gab, der seinen legendären Ruf einer winzigen Nudel zu verdanken hat. Aber: „Loriots Nudelnummer steht ja für etwas anderes. Der Sketch steht für die Fallhöhe eines Menschen, der seine Liebe bekunden möchte. Er findet die richtigen Worte nicht und die störende Nudel im Gesicht treibt das Ganze ad absurdum. Bei mir stellt der Nudelsalat das vereinende Element dar, da führt die Nudel wieder zusammen, während die Nudel bei Loriot die Menschen auseinander treibt. Ich würde mich aber nicht im Entferntesten mit Loriot auf eine Stufe stellen. Im Gegenteil: Ich verneige mich ehrfurchtsvoll vor Loriots Nudel“, sagt Sting und nimmt noch einen Löffel voll.
Neues Buch, neues Hörbuch, neues Programm
Kurz gefragt: Was wären Sie geworden, wenn Sie einen anständigen Beruf ergriffen hätten?
Ursprünglich wollte ich irgendwann mal Lehrer werden; warum, weiß ich heute nicht mehr. Aber so geht’s ja vielen Lehrern. Und nach meinem Uniabschluss (Magister der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft) hätte ich auch die Option gehabt, als Dozent an die Uni zu gehen. Also was wäre aus mir geworden: nix.
Wollten Sie jemals weg aus dem Ruhrgebiet - und wenn ja, warum?
Klare Antwort: nein! Es bestand mal kurz die Möglichkeit, nach Hamburg oder München zu gehen, aber da bin ich dann doch lieber zu Besuch. Das Ruhrgebiet ist und bleibt meine Heimat.
Wie geht ihr liebster Ruhrgebiets-Witz?
Hab ich keinen, tut mir leid. Aber mein Tipp: man muss nur im Pott die Augen und Ohren offen halten; mehr geht nicht.
Worüber können Sie selbst am meisten lachen?
Am meisten lachen kann ich über den Wahnwitz im Alltag; der übertrifft bei weitem jede Phantasie, das kann sich keiner ausdenken. Und daraus die Inspirationen und die Themen zu ziehen, das find ich toll und interessant. Überdies gibt’s genug Kabarettkollegen und -innen, über die ich lachen kann.
Lesen, hören, live besuchen
Eigentlich ist Kai Magnus Sting ein ganz normaler, junger Mann. Er hat nur ein Problem: „Immer ist was, weil sonst wär ja nix“! So lautet der Titel seines neuen Programms, das es auch als Buch (Knaus, 272 S., 14,99 €) und als Live-Doppel-CD (Roof, 16,99 €) gibt. Darin durchlebt und durchleidet er 33 Alltagskatastrophen, von der Nachsaison am Ostseestrand bis zur Massenbeschau im Zahnarztstuhl. Und als Zugabe: Nudelsalat!
Kai Magnus Sting live: 4.10. Bochum, Schauspielhaus (Vorpremieren), 12.10. Dortmund, Spiegelzelt, 17.10. Neukirchen-Vluyn, Kulturhalle, 18.10. Oberhausen, Ebertbad (Premiere), 27.10. Duisburg, Stadtbibliothek (Lesung), 30.10. Gladbeck, Stadtbücherei, 31.10. Essen, Stratmanns Theater.