Bochum-Wattenscheid. Mini-Wälder und kleine Parks sollen das Stadtklima verbessern. Im Ruhrgebiet sind mehrere Projekte geplant, darunter in Bochum und Essen.

Liegt in zentraler Lage eine Fläche brach, weckt das oft Begehrlichkeiten – meist sind die Träume aus Stein. Nicht so in Wattenscheid, wo seit einigen Jahren das rund 2000 Quadratmeter große Gelände des früheren Betriebshofs in einen Dornröschenschlaf gefallen ist. Nachbarin Özlem Agildere und viele Unterstützerinnen wollen das gern ändern: Mit einem so genannten Tiny Forest – einem kleinen Wald, der in vergleichsweise kurzer Zeit hochgezogen werden kann.

Im Internet war der Journalistin ein Fachartikel zu den Mini-Wäldern aufgefallen, die ihren Ursprung in Japan haben. Der Ökologe Akira Miyawaki war der erste, der die verdichteten Stadtwälder in den 70er-Jahren pflanzte. Da die Fläche so klein ist und die Setzlinge dicht an dicht ins Erdreich gebracht werden, können Miyawaki-Wälder durch den natürlichen Konkurrenzkampf ums Licht zehn Mal schneller wachsen als herkömmliche Wälder.

„Wir müssen uns dringend über kreative Lösungen Gedanken machen“

Özlem Agildere fand mit ihrer Idee schnell Anklang. „Die Fläche gehört offiziell zum benachbarten Stadtgarten, der bei den zurückliegenden Stürmen und durch Krankheiten viel alten Baumbestand verloren hat“, erklärt Agildere, die mit ihrem Hund täglich auf den Wegen unterwegs ist. Speziell die innerstädtischen Lagen im Ruhrgebiet seien oft so verdichtet, dass man um kleinere Lösungen gar nicht umhin komme, glaubt auch Kay Thörmer.

Er macht sich nicht nur für einen „Tiny Forest“ in Wattenscheid sondern auch für eine Renaturierung der früheren Zeche Blumenthal in Herne stark. „Jeder freie Platz im Ruhrgebiet wird bebaut. Wenn wir unsere Städte in Zeiten des Klimawandels weiter lebenswert erhalten wollen, müssen wir uns dringend über kreative Lösungen Gedanken machen“, sagt Thörmer.

Auf der Fläche des ehemaligen Betriebshofs in Wattenscheid soll der Tiny Forest entstehen.
Auf der Fläche des ehemaligen Betriebshofs in Wattenscheid soll der Tiny Forest entstehen. © funkegrafik nrw | Pascal Behning / Ben Bednarz

In Bochum, wo es sogar eine eigene Stabsstelle Klima und Nachhaltigkeit gibt, kommt die Idee zum Tiny Forest gut an. Dabei will die Stadt nicht die gesamte Fläche bewalden. „Zurzeit wird von der Stadt Bochum ein Gesamtkonzept für die weitere Nutzung des ehemaligen Betriebshofes entwickelt, bei dem ein geplanter Tiny-Forest berücksichtigt werden soll“, heißt es aus dem Presseamt. Da der benachbarte Sportverein einen Teil der Fläche gern zur Erweiterung nutzen möchte, wird derzeit um die unterschiedlichen Bedürfnisse gerungen. Bei einer Sitzung am 26. Oktober soll aus der Idee endlich ein Beschluss werden.

Stadt Bochum will bis 2035 klimaneutral werden

Oliver Buschmann (Grüne), stellvertretender Bürgermeister in Wattenscheid, weiß um die Schwierigkeiten: „Wenn ein Gelände da so liegt, haben viele Menschen auf einmal Interesse daran. Und der Fußballverein DJK Wattenscheid ist zuletzt sehr stark gewachsen. Aber ich sage auch: Bochum soll bis 2035 klimaneutral werden, da muss man auch mal anfangen.“ Das hat Bochum längst, findet Stadtsprecher Peter van Dyk. Als Beispiel nennt er die Fläche des ehemaligen Autokinos in Wattenscheid. Dort wurde das gesamte Areal bereits entsiegelt und renaturiert. Zudem ist auf einer ehemals bebauten Grabelandfläche in diesem Jahr eine neue Obstbaumwiese entstanden. „Aktuell wird auch eine Fläche an der Gartenstraße in Wattenscheid entsiegelt und anschließend für eine Erweiterung des benachbarten Waldes aufgeforstet“, so van Dyk weiter.

Noch in diesem Jahr soll außerdem auf einer zwei Hektar großen Fläche in Bochum-Langendreer ein neuer Wald entstehen. Grundsätzlich stehe die Stadt Bochum auch dem Tiny Forest positiv gegenüber – wenn alle beteiligten Gruppen berücksichtigt werden. Özlem Agildere ist weiterhin zuversichtlich: „Die politischen Signale sind vielversprechend. Bekommen wir grünes Licht, setzen wir uns für eine schnelle Umsetzung ein“, verspricht die engagierte Nachbarin, die mit ihrer Idee nicht allein ist.

Die Gruppe Tiny Forest Friends um Özlem Agildere (Mitte) würde auf dem Gelände des ehemaligen Betriebshofs gern einen kleinen Wald pflanzen.
Die Gruppe Tiny Forest Friends um Özlem Agildere (Mitte) würde auf dem Gelände des ehemaligen Betriebshofs gern einen kleinen Wald pflanzen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Stadt Essen will Tiny Forests im Essener Norden wachsen lassen

Auch die Stadt Essen plant erste Tiny Forests, zunächst innerhalb von zwei städtischen Parkanlagen im Essener Norden – als Referenzobjekte. „Wir wollen das Projekt wissenschaftlich begleiten, kündigte Melanie Ihlenfeld, Sprecherin des städtischen Betriebs „Grün & Gruga“, vor einiger Zeit im Gespräch mit dieser Zeitung an. Während die TU Dortmund das Projekt in Bochum wissenschaftlich begleiten soll, arbeitet die Stadt Essen bei ihrem Tiny Forest eng mit der Universität Duisburg-Essen zusammen. Die Wissenschaftler sollen genau prüfen, wie sich die Wälder entwickeln und welche Pflanzen besonders gut gedeihen.

Unbestritten ist, dass viele klassische Grünstreifen in den Städten – also kurz gemähte Rasenflächen – kaum ökologischen Nutzen, dafür aber einen hohen und teuren Pflegeaufwand haben: Immer mehr Städte gehen daher zu Blühstreifen über und überlassen Flächen mehr oder weniger sich selbst.

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