Bochum. Bochum soll bis 2035 klimaneutral werden. Das sieht ein Masterplan der Stadt vor. Umweltschützer warnen. Bisher sei viel zu wenig passiert.
Was muss sich in Bochum tun, was muss sich ändern, um einen nachhaltigen Klimaschutz zu gewährleisten? Zwei Jahre nach der Ausrufung des Klimanotstands kommt Bewegung in die kontroverse Debatte. Während der Arbeitskreis Umweltschutz (AKU) seine Forderungen bekräftigt, bringt die Stadt den „Klimaplan 2035“ auf den Weg.
Die Bochumer Innenstadt könnte wegen des Klimawandels in 20 bis 30 Jahren im Sommer unbewohnbar werden. Davor warnen Klimaschützer seit Jahren. „Tagsüber würden dann mehr als 40 Grad, nachts 25 Grad herrschen. Denken und lenken wir nicht drastisch um, wird die City in den Hitzemonaten zum lebensfeindlichen Raum“, mahnt Ingo Franke, der mit dem AKU zu den profiliertesten Umweltaktivisten in Bochum zählt.
Klimaschutz in Bochum: Was jetzt zu tun ist
Auf seine Initiative rief der Rat im Juni 2019 den Klimanotstand aus. Was ist seither passiert? Deutlich zu wenig, sagt der Chemiker. Die meisten der Appelle, die der Arbeitskreis seinerzeit an Stadt und Politik richtete, stehen auch heute noch auf der Agenda:
– „Die CO2-Emissionen sind im Verkehrssektor nicht reduziert worden“, bemängelt Franke. Der Kfz-Verkehr müsse zugunsten des ÖPNV und des Fahrrads reduziert werden. Bochum brauche ein zusammenhängendes Radwegenetz.
– Vorsicht bei Elektroautos, warnen die Naturschützer. Die Stromer seien weniger umweltverträglich als allgemein angenommen werde. „Deshalb dürfen nicht so viele E-Autos zugelassen werden, wie es jetzt Verbrenner gibt.“
Umweltschützer: Photovoltaik wird kaum genutzt
– Alle Heizungen in Gebäuden sollten in den nächsten zehn bis 15 Jahren auf CO2-freie Energieträger umgestellt werden. „Die energetische Gebäudesanierung muss verzehnfacht werden“, so der AKU.
– Alle geeigneten Dächer müssten eine Photovoltaikanlage erhalten. Franke: „In Bochum werden aktuell nur 3,2 Prozent des möglichen Solarstroms erzeugt. Alle zu genehmigenden Neubauten sollten im Energie-Plus-Haus-Standard gebaut werden. Dies gilt zum Beispiel für Gerthe-West oder die Schlossparkbebauung sowie das ,Haus des Wissens’ in der Innenstadt.“
– Die Stadt Bochum müsse eine umfassende Aufklärungskampagne starten, um für klimagerechte Verhaltensweisen zu werben. „Wer weiß schon, dass etwa Käse einen dreimal so hohen CO2-Rucksack hat wie Schweinefleisch?“, so Franke.
250.000 Euro für „Klimaplan Bochum 2035“
Die Ratsfraktion der Stadtgestalter/Die Partei untermauert die Kritik der Klimaschützer. „Die gegenwärtigen Maßnahmen der Stadt reichen nicht aus“, erklärt Vorsitzender Volker Steude. Es bewahrheite sich, dass der Ausruf des Klimanotstandes durch Rot-Grün eher ein PR-Gag war. „Auch in Bochum soll hauptsächlich die junge Generation die Last und die Kosten des Klimawandels tragen.“
Virtueller WAZ-Umweltgipfel am 8. Juni
Vor zwei Jahren wurde in Bochum der Klimanotstand ausgerufen. Die WAZ berichtet in einer Serie über die wichtigsten Entwicklungen. Zudem wird der Umweltgipfel wiederholt, den die WAZ im März 2020 zum ersten Mal organisierte.
Was wurde seit 2019 erreicht? Was ist jetzt dringend zu tun? Am Dienstag, 8. Juni, diskutieren Vertreter mehrerer Umweltverbänden und Initiativen in einer Video-Konferenz über den Klimaschutz in Bochum. Auch ein Vertreter der Stadt wird dazu eingeladen.
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Die Stadt kontert. Die Verwaltung sei „bereits seit Jahren erfolgreich im Klimaschutz und in der Klimaanpassung aktiv“, heißt es in der Ausschreibung des „Klimaplans Bochum 2035“. Auf 14 Seiten wird dargestellt, wie Bochum innerhalb der nächsten 14 Jahre verbindlich klimaneutral werden soll. 250.000 Euro werden bereit gestellt, um ein Expertenbüro mit der Erstellung eines „Masterplans“ zu beauftragen. Ende 2022 soll die Politik den Auftrag vergeben. Eines der Ziele: „ein Klima für das Klima“ zu schaffen und die Bekämpfung des Klimawandels als Gemeinschaftsaufgabe zu verstetigen.
Grünen sprechen von „Meilenstein“
Die Grünen im Rat sprechen von einem „Meilenstein“. „Die Ausschreibung zum Bochumer Klimaplan liest sich vielversprechend. Da bleiben aus unserer Sicht keine Wünsche offen“, lobt Fraktionsvorsitzender Sebastian Pewny.
Das dürfte Ingo Franke weniger euphorisch beurteilen – spätestens bei der Neuauflage des WAZ-Umweltgipfels am 8. Juni (siehe Info-Kasten).