Essen. Eckard Koltermanns imposante Werkschau „Bonus“ zeigt auf vier CDs von intimen Soli bis zu großformatiger Pracht Farben des zeitgenössischen Jazz.
Der Herner Bass-Klarinettist und Komponist Eckard Koltermann ist klar ein „musician’s musician“ – hochgeschätzt von seinen Kollegen, doch allzu wenig bekannt beim internationalen, ja selbst deutschen Jazzpublikum. Was sich nun, kurz vor seinem 64. Geburtstag, Dank seines neuen Albums „Bonus“ (NOM / www.augemus.de) nachhaltig ändern dürfte. Bietet der zwischen jazziger Tradition und zeitgenössischer Moderne oszillierende Improvisationskünstler hier doch eine imposante Werkschau auf gleich vier CDs plus einer Bonus-LP, die von 1990 bis 2016 nun wahrlich alle Facetten seiner weitgefächerten, in ihrer Originalität stets identifizierbaren Klangsprache zeigt.
Es ist ein echtes Ruhrgebietsprodukt: überzeugend produziert vom Essener Ralf Kaupenjohann, der auch als Akkordeonist zu erleben ist, audiophil abgemischt von Wolfgang Bökelmann im Herner RevierTon-Studio und mit einem attraktiven Cover versehen von dem Wattenscheider Grafiker Rainer Claus.
Musikalisch reicht das Werk weit über die heimische Jazzszene hinaus
Musikalisch reicht Koltermanns Opus magnum allerdings weit über die heimische Jazzszene hinaus, die natürlich eine gewichtige Rolle spielt. Was sich freilich erst im Laufe des farbenreichen Geschehens zeigt, das sich zunehmend verdichtet und dann mit internationalen Stars wie den Klarinettisten Perry Robinson und Theo Jörgensmann, den Bassisten Kent Carter und Barre Philips, dem Pianisten Georg Gräwe, dem Trompeter Kenny Wheeler und der Vokalistin Lauren Newton in verschiedenen Kontexten aufwartet.
Dramaturgisch geschickt, beginnt die faszinierende Klangreise mit äußerst intimen Solo-Aufnahmen, die einem Eckard Koltermanns duftig-sonor singende Bassklarinette nahebringen. Gefolgt von einem delikaten Duo mit Kent Carter, zu dem sich drei von Manuela Weichenrieder 2008 subtil intonierte Goethe-Nachdichtungen von Mildred Harnack-Fish à deux gesellen, die exemplarisch für das stete Interesse des Herners an Poesie-Vertonungen stehen. Was fabelhaft mit dem Uralt-Calypso „a dog is better than you“ seiner „Collage 12“ von 1995 auf der vierten, großen Ensembles gewidmeten CD korrespondiert, den Lauren Newton und der Schauspieler Rupert Seidl stimmgewaltig beseelen.
Überwältigendes Gesamtbild großer Emotionen
Dazwischen stehen zwei Scheiben mit Trios – so dem legendären, 1991 um Perry Robinson erweiterten „German Clarinet Duo“ mit Theo Jörgensmann – sowie Kleinbesetzungen wie seinem holländischen Saxphonquartett, Aufnahmen mit vier Streichern und die 2007 in Moers gefeierte Formation „Borderhopping“. Die weitere Stationen des auch als Komponist grandiosen Bass-Klarinettisten in überbordender Intensität zeigen, an denen man sich kaum satthören kann. Was sich auf „Bonus“ zu einem überwältigenden Gesamtbild großer Emotionen fügt und als entdeckungswürdige editorische Meisterleistung alle Aussichten auf den Ehrentitel „Album des Jahres“ hat.