Bochum.. Am Bochumer Schauspielhaus hat Armin Rohde angefangen. Dort steht er nun wieder auf der Bühne. Und dreht der Liebe in Edmond Rostands romantischer Komödie „Cyrano de Bergerac“ die lange Nase.

Am Bochumer Schauspielhaus hat Armin Rohde nach dem Schauspiel-Studium in Essen angefangen. In Bochum steht er nun wieder auf der Bühne. Und dreht der Liebe in Edmond Rostands romantischer Komödie „Cyrano de Bergerac“ die lange Nase.

„Ich glaube an die Unsterblichkeit des Theaters“, zitiert der theaterbeseelte Theologie-Student Erich Spitta in David Böschs Bochumer Inszenierung von Hauptmanns „Die Ratten“ den alten Max Reinhardt. Es ist Freitagabend, man steht am Beginn eines Premierenwochenendes, und das Bekenntnis ist derart kraftvoll vorgetragen, als wolle das Schauspielhaus der Revierstadt es randvoll mit Leben füllen. Aber Reinhardt hat in der gleichen Rede auch noch gewarnt: „Das Theater kann, von allen guten Geistern verlassen, das traurigste Gewerbe, die armseligste Prostitution sein.“

Katharina Thalbach ist als Regisseurin noch nie ein Kind von Traurigkeit gewesen. Sie ausgerechnet mit Edmond Rostands romantischer Komödie „Cyrano de Bergerac“ zu betrauen, ihr auch noch Armin Rohde als Gaststar anzubieten, das heißt sie unweigerlich in Versuchung zu führen. Und so endet ein Stück, das nicht unwesentlich von der Kraft der Poesie kündet, am Ende als reichlich vergagtes Boulevardtheater. Der Abend beginnt als eine Art Fernsehübertragung vom Roten Teppich im Paris des Jahres 1640, wo die Akteure auf dem Laufsteg aufmarschieren und ihre Kostüme zur Schau stellen dürfen. Später wird der Kadettenchor noch ein wenig „Riverdance“-Choreographie einstreuen, wird ein Backrezept als Rap-Song offeriert und – natürlich – der halbgare Versuch gemacht, den Song „Roxanne“ von Police zu integrieren.

Roxane (Nadja Robiné) ist die Frau, die hier angebetet wird und die ihre Gunst nur an den verschenken mag, der seiner Liebe auch in wohlgesetzten Worten Ausdruck verleihen kann. Der etwas einfältige Schönling Christian (Nicola Mastroberardino) ist dazu nicht fähig, weshalb der mit einer machtvollen Nase geschlagene Dichter Cyrano, selbst unsterblich verliebt in Roxane, sich als Ghost-Writer anbietet. Armin Rohde ist in dieser Rolle der wahre Held der Inszenierung: Unbeirrt von allen Regieeinfällen Thalbachs versucht er fast beiläufig und eher zurückgenommen, von der Sprache zu retten, was noch eben geht. Wo selbst das weibliche Traumbild Roxane bei Nadja Robiné eher zur blasiert-verwöhnten Jungfer wird, da wohnt Rohdes Auftritten gelegentlich die einzige Schönheit inne, die dieser lange Abend bereit ist, herzugeben.

David Bösch inszeniert Hauptmanns „Ratten“

David Bösch ist bekannt dafür, dass er sich in den von ihm inszenierten Stücken immer eine Perspektive sucht, dass er sich heraus schnitzt, was ihn interessiert. Gerhart Hauptmanns „Ratten“ jedoch steht er relativ unentschlossen gegenüber, vieles kommt einem auch bekannt vor. Das höhlenartige Bühnenbild von Patrick Bannwart mit seinen bröckelnden Wänden - mal Dachboden mit dem Fundus des früheren Theaterdirektors Hassenreuter (Manfred Böll), mal schäbige Mietskasernen-Wohnung des Ehepaares John – gemahnt stark an Böschs Woyzeck. Und dass hier Schreckenskreaturen aus dem Dunkel kriechen wie der Unhold Bruno (Daniel Stock), das erinnert an seinen Essener „Sommernachtstraum“.





So dreckig, schmierig und trunksüchtig, wie das niedere Volk hier auftritt, scheint Bösch die Zeichenstudien eines Zille noch potenzieren zu wollen. Man berlinert je nach Vermögen drauflos, trotzdem bleibt das alles zeitlich seltsam unverortet, wohnt man einer Sozialstudie bei, die im Nirgendwo zu spielen scheint und schon gar nicht den Kontakt zum Heute sucht. Katharina Linder spielt ihre Frau John wie eine Hinterhof-Monroe, die uns einiges schuldig bleibt. Man spürt bei ihr kaum die innere Verzweiflung, die sie seit dem Tod ihres Sohnes umtreibt und den Wunsch nach einem neuen Baby unstillbar macht. So schwatzt sie dem polnischen Dienstmädchen Pauline (Maja Beckmann) das uneheliche Kind ab und gibt es als ihr eigenes aus – mit unkalkulierbaren Folgen.

Leerformeln parat

So wie es Kurzschlüsse gibt, wenn beim niederen Volk Kinder sterben oder ins Leben geworfen werden, so rieselt der Kalk herab, wenn auf der kleinbürgerlichen Ebene des Stücks der zur Bühne strebende Spitta und der alte Hassenreuter über die Zukunft des Theaters streiten. Mehr als Leerformeln aber hat auch Bösch nicht parat. Spitta betet die Namen sämtlicher Bochumer Intendanten herunter und lässt bei der Beschwörung des „Neuen Theaters“ demonstrativ noch die Hosen an. Da hat er es besser als das Personal bei Bösch: Bruno muss sich hier völlig entblößen, die Damen laufen bisweilen mit heruntergelassenem Slip herum. Trotz aller Kritik: Gegen „Cyrano“ sind die „Ratten“ das reinste Abenteuer.