Das neue Jahr ist eingeläutet und die Kinobranche wagt sich vorsichtig aus der Deckung: ein potenzieller Blockbuster und drei Arthouse-Filme.

„The King’s Man: The Beginning“

London in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts: Dunkle Kräfte bedrohen die Ordnung in Europa. Ein Geheimbund zur Wahrung der öffentlichen und politischen Ordnung schickt seine Agenten los. Eine erste Spur führt an den russischen Zarenhof, wo Rasputin zusehends die Macht an sich reißt. Der gehört einer mächtigen Verbrecherorganisation an.

Der große Krieg stürzte Europa ins Chaos, und 100 Jahre später drängt sich die Frage auf, ob eine Action-Fantasy so dermaßen weltfremd daherkommen muss. „Kingsman: The Secret Service“ war 2014 eine erfrischende Bereicherung im illustren Bereich der Filme nach Comic-Vorlage; ein Action-Film mit formaler Finesse, schicken Garderoben und viel Sinn für britische Ironie.

Matthew Vaughn, Regiehandwerker mit extremen Stil- und Geschmacksschwankungen, drehte seither zwei „King’s Man“-Fortsetzungen, eine schlechter als die andere, und nun eine Vorgeschichte mit dem fast 60-jährigen Ralph Fiennes als Agent in Gefahrenlagen, die vor ausnahmslos digitalen Kulissen stattfinden, unterstützt von Djimon Hounsou für ethnische Ausgewogenheit und Ex-Bond Girl Gemma Arterton für die Frauenquote. Die Besetzung ist erwachsen, der Film hingegen biedert sich plump bis dummdreist bei Sensationsgelüsten des Jugendmarkts an.

„Lamb“

Maria und Ingvar sind ein kinderloses Ehepaar, das auf Islands Hochebene Schafzucht betreibt. Eines Tages beschert die Geburt eines Lämmchens eine Überraschung – ein Mischwesen aus Mensch und Schaf. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden über die Handlung dieses Films, der Island bei den Oscars vertreten wird und am Startwochenende in den USA überraschend eine Million Dollar eingespielt hat.

Kameratechniker Valdimar Jóhansson beschwört in seinem Regiedebüt die unheimliche Sagenwelt Islands, in der auch Tiergötter durch die nebligen Gefilde streifen. Zumeist aber sieht man Noomie Rapace und Hilmir Snær Guðnason zwischen bäuerlichem Alltag und zusehends bizarrem Familiendrama, das sich erst auf der Zielgeraden mit blutiger Pointe zu dunkler Märchenhaftigkeit bekennt. Davor verfestigen sich zwei Gewissheiten: Nicht jeder Mythos Islands gehört vor die Kamera gezerrt – und wenn schon, dann hätte es gern eine halbe Stunde kürzer sein dürfen.

„Bad Tales – Es war einmal ein Traum“

In einer römischen Vorstadt scheint der Lebenszweck von Kindern allein darin zu bestehen, die unerfüllten Träume und Ambitionen der Eltern einzulösen. Unter der Oberfläche gesitteter Bürgerlichkeit aber brodeln niederste erwachsene Begierden und ein gefährlicher kindlicher Befreiungsdrang. Dieser italienische Film mit dem Originaltitel „Flavolacce“ bekam auf der Berlinale 2021 den Silbernen Bären fürs beste Drehbuch, und zu Recht.

Die Regiebrüder Damiano und Fabio D’Innocenzo erweisen sich erneut als präzise Beobachter menschlicher Abgründe und legen den Finger in die Wunden von Selbsttäuschung, Alltagsfrust, Geschlechtstrieb und Gedankenleere. Hier wird nichts beschönigt oder verharmlost, aber auch nie auf billigen Skandal gesetzt.

Handwerkliche und erzählerische Finesse finden hier gleichermaßen radikal wie poetisch zusammen. Das bewegt sich stilsicher zwischen dem frühen Fellini und der Reife der Taviani-Brüder und ist doch verstörend nah am Puls unterhalb der politisch korrekten Politur des Zeitgeists. Es wurde höchste Zeit, die D’Innocenzo-Brüder für unsere Kinos zu entdecken.

„Plötzlich aufs Land – Eine Tierärztin im Burgund“

Der Titel ist Programm in dieser heiter-besinnlichen Harmlosigkeit aus Frankreich. Clovis Cornillac als Landveterinär aus Überzeugung und Noémie Schmidt, die diese Überzeugung erst noch finden soll, sind ein sympathisches Filmpärchen. Aber das wiegt nicht genug, wenn der Film um sie herum Leichtigkeit immer wieder mit Nichtigkeit verwechselt und dabei aussieht wie ein öffentlich-rechtliches Heile-Welt-Bonbon am Freitagabend.