Gladbeck. Die Mitglieder der Marinekameradschaft Gladbeck pflegen und teilen ihre Erinnerungen an ihren Wehrdienst, der sie prägte.

Es sind immer nur einige wenige Monate und doch haben sie das Leben dieser Männer nachhaltig geprägt. Während manch einer den Wehrdienst als unliebsame Pflicht empfindet, bedeutet sie für diese Herren, die hier am Tisch sitzen und noch immer in Erinnerungen schwelgen, mehr: Die Zeit bei der Marine hat eine Verbindung geschaffen zur Seefahrt, zur Küste, zu Bräuchen, die noch immer gepflegt werden. Auch weil sie den Gladbeckern eine neue Welt eröffnet hat, eine deutlich größere als die des Ruhrreviers.

Sie alle haben nur ihren Pflichtdienst absolviert. Bis zu achtzehn Monate seien das damals gewesen. Und doch haben sie alle überlegt, den Dienst zu verlängern. „Ich war kurz davor. Ich hatte die Unterlagen zu Hause. Da liegen sie bis heute”, sagt Volker Maas, Vorsitzender der Gladbecker Marinekameradschaft. Keiner von ihnen aber hat sich tatsächlich verpflichtet. Der Grund ist immer ähnlich: die Familie, die junge Liebe und die alte Liebe zur Heimat. Geblieben sind die Erinnerungen, die Freundschaften.

Ein Jahr lang auf Zerstörer D182

„Ich wollte nicht laufen”, erzählt Johannes Rottmann, warum er sich einst zur Marine meldet. „Erst wollte ich Panzerfahrer werden.” Dafür aber bringt er nicht die richtigen Körpermaße mit. „Dann wurde es die Marine.” Wie alle absolviert er eine dreimonatige Grundausbildung. „Die war schulisch geprägt. Wir haben gelernt, mit Seekarten zu arbeiten, zu navigieren. Es gehörte wenig Militärisches dazu.”

Der Zerstörer Schleswig-Holstein D182 im Jahr 1981.
Der Zerstörer Schleswig-Holstein D182 im Jahr 1981. © Unbekannt | Danvis Collection / Alamy Stock Photo

Danach beginnt für den jungen Mann ein großes Abenteuer: „Ich war ein Jahr lang auf dem Zerstörer Schleswig-Holstein. Nach dem Schulschiff war das damals die größte Einheit in der deutschen Marine.” Ganz genau weiß er noch die Kennung des Schiffes: „Hull-Nummer D182.” Und dann ergänzt er, das Schiff sei aber schon Ende der 90er Jahre verschrottet worden.

Die Gefahr, im Schlaf aus der Koje zu fallen

„Im Vergleich zu heute war es mit 3000 Bruttoregistertonnen noch bescheiden. Wir waren 286 Mann an Bord.” Recht eng sei das gewesen. Allein in seinem Quartier schlafen 24 Männer, untergebracht in dreistöckigen Betten, deren untere zwei Ebenen tagsüber hochgeklappt werden, um den Raum zu vergrößern. „Ich habe immer zugesehen, dass ich oben schlafe. Da war die Lüftung.” Dort zu schlafen sei dennoch nicht ganz einfach gewesen. In den engen Betten habe jeder Seegang eine Herausforderung dargestellt. „Die Rückenlage war da sehr zu empfehlen.” Denn wer auf der Seite liegt, der laufe Gefahr, bei einer starken Bewegung des Schiffes aus der Koje zu fallen.

Fünf Monate am Stück bereist Johannes Rottmann die Meere. Die „Schleswig-Holstein” ist damals Teil der ständigen Einsatzbereitschaft des Nato-Flottenverbandes im Atlantik. Sie läuft die Azoren an, die USA, Kanada, Island, Norwegen, die Lofoten, die Niederlande, Belgien, Schottland, Dänemark und Südengland. So genau kann der Gladbecker die Ziele aufzählen. „Wer auf einer größeren Einheit war, der hat viel von der Welt gesehen.” Ein besonderes Erlebnis ist für ihn die Teilnahme an einer Nato-Übung. Die haben rund 30 Schiffe zusammengebracht und zwei Flugzeugträger. „Es war ja noch die Zeit des Kalten Krieges.”

Aufklärungsflüge für die Kameraden auf den Schiffen

„Einige von uns haben bis zu 35.000 Seemeilen gemacht – in ihrer Wehrpflichtzeit“, sagt Volker Maas. Er selbst verbringt die Zeit damals weitgehend an Land. „Heute hieße das: grünes Bataillon.” Als gelernter Kfz-Mechaniker kommt er im Transport-Bataillon zum Einsatz, versorgt andere Soldaten mit allem, was gebraucht wird.

Klaus Eiden arbeitete einst sogar der fliegenden Truppe zu, bei den Marinefliegern. Die seien ein wichtiger Bestandteil des Heers, führen für die Kameraden auf den Schiffen Aufklärungsflüge durch. „Pilot war ich nicht”, erzählt er. Das sei in der Wehrpflichtzeit nicht zu schaffen gewesen. Dafür hätte sich der junge Mann damals für mehrere Jahre verpflichten müssen. „Ich habe eine Ausbildung zum Hydrauliker gemacht und dann an den Flugzeugen mitgearbeitet.”

Seit 115 Jahren besteht die Marinekameradschaft

Manfred Woszcynski zieht es auch aufs Meer. Tageweise. Von Bremen-Vegesack aus fährt er mit der Küstenwache raus, patrouilliert in deutschen Gewässern, lernt, das Heimatland hier vor Gefahren zu schützen. Hier engagiert er sich auch über die Wehrzeit hinaus, übernimmt Verantwortung für jene Kameraden, die ganz neu dazugekommen sind, greift ihnen unter die Arme. Bei der Erinnerung daran ist er sichtlich berührt.

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Zurück in der Heimat wollen alle das Erlebte mit anderen teilen und besuchen die Treffen der traditionsreichen Marinekameradschaft Gladbeck. Die ist heute 115 Jahre alt. Ganz genau falle der Geburtstag auf den 7. Juli, erklärt Volker Maas. 48 Mitglieder hat der Verein heute – Männer und Frauen. Die dürfen nämlich gern mitkommen zu den Treffen. Auch wenn sie selbst nicht bei der Marine waren. Wobei jene durchaus weiblicher werde erzählen die Herren, die bis heute enge Kontakte haben zum Heer. „Wir pflegen die Patenschaft zum Landungsboot Lachs. Die hat die Stadt Gladbeck 1952 übernommen.” Das verwundert dann doch etwas. Die „Seemänner” wissen Antwort, erklären, dass insbesondere in den ­60er- und 70er-Jahren viele junge Männer aus Nordrhein-Westfalen zur Marine gehen. Sie hätten einst die Truppe zahlenmäßig dominiert. Daher komme es auch, dass es so lange so viele Marinekameradschaften mit regem Vereinsleben an der Ruhr gegeben habe. Deren Zahl sei erst jetzt extrem rückläufig.

Ein Gesandter kommt in Uniform

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In Gladbeck ist das anders. Hier bringen sich die Marinekameraden ins städtische Leben ein. Sie treffen sich regelmäßig in der Gaststätte „Surkamp”, die sie dekoriert haben mit zahlreichen Bildern von Schiffen, mit alten und neuen Fotos und mit Tafeln mit aufgeklebten Seemannsknoten. Und sie beteiligen sich an Stadtfesten, vom Weihnachtsmarkt bis zum „Appeltatenfest”. Dann ist traditionell eine Gesandtschaft des Patenbootes zu Besuch, offiziell und in Uniform und somit ganz anders im Aussehen als die Gladbecker Kameraden. Die, erklären sie, dürften ihre alten Uniformen gar nicht mehr tragen. Gemeinsam mit den Besuchern mache man auf die Marine aufmerksam, hoffe immer auch, neue Mitglieder werben zu können. „Und natürlich verkaufen wir Fisch – und Küstennebel.”

>>>Einsatz auch zu Lande

Die Marinekameradschaft Gladbeck trifft sich einmal im Monat im „Haus Surmann“, Horster Straße 1 in Gladbeck. Die nächste Zusammenkunft findet am Samstag, 13. August, um 19 Uhr statt.

Beim Appeltatenfest am Samstag, 3., und Sonntag, 4. September, sind die Marinekameraden wieder mit einem eigenen Stand auf der Hochstraße vertreten.

An beiden Orten stellen sie sich vor und werben für die Marine. Die habe nämlich seit Abschaffung der Wehrpflicht Probleme mit der Nachwuchswerbung.