Amsterdam/Gelsenkirchen. Altes Frachtschiff bringt eine Ausstellung und Performances nach Gelsenkirchen, Duisburg, Krefeld, Düsseldorf: Lebensstationen von Jean Tinguely.
„Es bewegt sich alles, Stillstand gibt es nicht“: Mit diesem beherzten Satz beginnt das „Manifest für Statik“ des Maschinenkünstlers Jean Tinguely, das er 1969 auf 150.000 Handzetteln aus einem Kleinflugzeug heraus über Düsseldorf abwerfen ließ. Da hatte die dortige Galerie Schmela gerade die erste Einzelausstellung mit Werken des Künstlers eröffnet, ein Jahr später hatte er seine erste Museumsausstellung im Krefelder Haus Lange. Aber schon ab 1958 arbeitete Tinguely gemeinsam mit Yves Klein an der Ausstattung des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen mit, das von ihm einige kinetische, also bewegliche Reliefs verpasst bekam.
Gründe genug für das Museumsschiff „Tinguely Ahoy“, in den nächsten Tagen und Wochen die Städte an Rhein, Ruhr und Rhein-Herne-Kanal anzusteuern. Das Schiff hat zum 25-jährigen Bestehen des Tinguely-Museums in Basel von dort aus Kurs auf etliche Lebensstationen des Mannes genommen, der mit seinen lärmenden Maschinen und seinen beweglichen Bildern in allen wichtigen Kunsthäusern vertreten ist, so auch mit dem spektakulär schönen „Märchenrelief“ im Duisburger Lehmbruck Museum, wo ihm 1976 der Lehmbruck-Preis verliehen wurde. Dabei soll ausgerechnet Tinguely gespottet haben: „Für Diebe gibt es Gefängnisse, für Künstler Museen.“
Stiftung von Niki de Saint Phalle
„Tinguely Ahoy“
Die Stationen des Museumsschiffs „Tinguely Ahoy/MS Evolutie“:ParisAntwerpenMaastrichtAmsterdamGelsenkirchen (das Museumsschiff legt an der Johannes-Rau-Allee 15 an): 16./17. AugustDuisburg (Schifferstraße 92): 20./21. AugustKrefeld (Dammstraße 18): 25./26. AugustDüsseldorf (Am Handelshafen 30): 28./29. August)Koblenz: 3./4. SeptemberFrankfurt am Main: 8./9.SeptemberMannheim: 14./15. SeptemberBasel: 24.-26. SeptemberÖffnungszeiten auf dem Schiff: 10-20 Uhr. Eintrittskarten:www.mtahoy.com
Gleichwohl hat vor einem Vierteljahrhundert Niki de Saint Phalle, die zweite Frau des im schweizerischen Fribourg geborenen Rastlos-Avantgardisten, mit der Stiftung von 52 Skulpturen den künstlerischen Grundstein für das Tinguely-Museum am Rheinufer in Basel gelegt, das 1996, fünf Jahre nach dem Tod des Künstlers eröffnet wurde. Das Museum haben die Eigentümer des Schweizer Pharma-Riesen Roche zum 100-Jährigen ihrer Firma spendiert – und es auch mit einem derart guten Ankaufs-Etat ausgestattet, dass hier heute die weltweit größte Tinguely-Sammlung zu bestaunen ist, inklusive eines umfassenden Archivs mit Fotos, Ton- und Filmdokumenten.
Tinguely wollte in der Nachkriegszeit wie so viele eine total neue, radikal andere Kunst, und die sollte Schluss machen mit der Malerei und der herkömmlichen Bildhauerei, er baute mit Motoren Bilder, die sich ständig veränderten, er baute im Garten des New Yorker Museum of Modern Art die erste sich selbst zerstörende Kunst-Maschine. „Deshalb“, sagt Museumsdirektor Roland Wetzel am Amsterdamer Ms van Riemsdijkweg, wo die MS Tinguely gerade an der Mole liegt, „hätte eigentlich auch New York auf unsere Reiseroute gepasst.“ Und fügt lachend hinzu: „Aber dazu hätten wir das Schiff wohl noch ein bisschen ertüchtigen müssen…“ Es handelt sich nämlich um einen ausgedienten Binnenfrachter, keine fünf Meter breit (wegen der Schleusen) und rund 40 Meter lang.
Performances von Nevin Aladağ, Keren Cytter und Marie-Caroline Hominat
Und vorne auf dem Deck spritzt, sprüht und spuckt ein Maschinengetüm von Tinguely unablässig Wasser in die Luft – es ist die „Schwimmwasserplastik“, die sonst vor dem Museum in Basel steht. Jetzt muss sie manchmal abgebaut werden, damit das Schiff durch eine Schleuse passt. Unten im Schiffsbauch wartet eine kleine Ausstellung zu Tinguelys Wirken an den Stationen der Museumsschiffsreise, mit kleinen Klangwerken, einigen Filmen und vielen Fotos.
Weil er ein notorischer Grenzüberschreiter in der Kunst war, hat das Museum drei Performances in Auftrag gegeben (bei Nevin Aladağ, der im Lehmbruck Museum auch eine Ausstellung gewidmet ist, bei Keren Cytter und Marie-Caroline Hominat); sie werden an jedem Anlandungsort gezeigt. Partner-Einrichtungen wie das Musiktheater im Revier, das Kunstmuseum Gelsenkirchen, das Lehmbruck-Museum, Haus Lange und Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld sowie das Zero-Haus in Düsseldorf bieten zudem Workshops, Führungen und Vorträge.