Wacken. Ozzy Osbourne müsste in Rente gehen, will aber nicht. Rob Halford von Judas Priest könnte weiterspielen, will aber in Rente gehen. Zwischenfazit zum Wacken Open Air 2011, wo Senioren im Fokus stehen - und Blind Guardian, die allen die Show stehlen.

Der Wettergott ist ein Metaller. Obwohl die Prognosen Regen, Blitz und Donner vorhersagten, hellte sich am Donnerstag, pünktlich zum Start des Festivals, der Himmel auf. Strahlender Sonnenschein und angenehme Temperaturen – optimale Bedingungen für das Wacken Open Air.

Schon seit Monaten ist das Festival restlos ausverkauft, rund 80.000 Fans sind wieder zur kleinen Gemeinde in Schleswig-Holstein gepilgert. Ja wirklich: gepilgert. Für die meisten Fans ist das Festival so etwas wie Weihnachten und Ostern zusammen. Der Höhepunkt des Jahres, die größte Metal-Party, eine Art Familientreffen. Wenn die Besucher anfangen zu erzählen, warum sie immer wieder nach Wacken fahren, fangen die Augen an zu glänzen und es mischt sich etwas Mystisches dazwischen. Da scheint es egal zu sein, wer auf der Kuhweide spielt. Es ist das Festival und seine Atmosphäre, das die Massen anlockt. Zum mittlerweile 22. Mal.

Ozzy schlecht in Form - aber gefeiert

Natürlich soll das nicht heißen, dass die Musik unwichtig ist. Auch in diesem Jahr haben die Veranstalter große Namen verpflichten können. Mit Ozzy Osbourne ist einer der Urväter des Heavy Metal dabei. 61 Jahre ist er mittlerweile alt und steigt immer noch auf die Bühnen. Wer sich im Job so kaputt gemacht hat, wäre schon längst in Frührente gegangen. Der Körper macht die Anstrengungen nicht mehr mit, die Stimme erst recht nicht. Nein, in guter Form ist Ozzy sicherlich nicht. Kaum eine Zeile kann er geradeaus singen. Aber das spielt keine Rolle. Ozzy Osbourne hat einen schier unerschöpflichen Legendenbonus, der alles andere überwiegt. Vor der Bühne wird es sehr eng, kein Festival-Besucher will sich den Auftritt des früheren Black-Sabbath-Sängers entgehen lassen. Wuchtig und vor allem sehr, sehr laut legt Ozzy los, schießt eine große Nummer nach der anderen ab. Klassiker von Black Sabbath wie Paranoid, War Pigs und Mr. Crowley sind ebenso dabei wie die Hits seiner Solokarriere und Stücke vom aktuellen Album „Scream“. Dafür hat Ozzy die musikalische Elite um sich herum versammelt und zusammen lösen sie einen Orkan über Wacken aus. Die Lautstärke grenzt ans Brutale, noch 100 Meter von der Bühne entfernt wird der Körper vom Schalldruck durchgeschüttelt. Dafür sorgt auch ein überlanges Drumsolo – mit dem offenbar eine Pause überbrückt werden muss, die Ozzy hinter der Bühne und vielleicht auch unterm Sauerstoffzelt einlegt. Den Besuchern ist’s egal, sie feiern den Prince of Darkness frenetisch.

Vermutlich könnte Ozzy noch in 15 Jahren im Rollstuhl auf die Bühne gebracht werden und trotzdem so ein Feuerwerk zünden.

Metaller auf Speed

Dennoch ist es nicht Ozzy, der sich die Festival-Krone aufsetzen kann. Die holen sich kurz zuvor die Jungs von Blind Guardian. Sänger Hansi Kürsch & Co. haben schließlich eine Liste von Klassikern im Gepäck, die sich (fast) mit der von Ozzy messen lassen kann. Hochgeschwindigkeits-Metal in seiner reinsten Form, gepaart mit jeder Menge Melodie, legt sich wie eine magische Decke über das Festival-Gelände. Zauberhaft. Mit „A night to remember“, einer unvergesslichen Nacht, ist der Festival-Donnerstag traditionell überschrieben. Das gilt zweifelsfrei auch für die 22. Auflage des Wacken Open Air.

Nicht minder beeindruckend geht es am Freitag weiter, mit Judas Priest steht am Abend eine weitere Metal-Legende auf der Bühne. Seit 40 Jahren sind die Musiker um Sänger Rob Halford im Geschäft und haben wie Ozzy Osbourne zahllose Bands und ganze Musikrichtungen beeinflusst. Es wird vermutlich eines der letzten Male gewesen sein, dass Judas Priest auf einem großen Festival gespielt haben. Die Band hat ihren (lang gezogenen) Abschied angekündigt, holt für den Wacken-Auftritt aber alle Energiereserven hervor. Ein großer Auftritt einer großen Band.

Wer alle Bands auf dem Wacken Open Air sehen will, braucht eine gute Kondition. Weit nach Mitternacht, in der Nacht zu Samstag, kommen Airbourne auf die Bühne und fegen mit ihrem reinrassigen Rock’n’Roll die Müdigkeit der Zuschauer weg. Airbourne bieten auch eine kleine Portion Nervenkitzel, wenn Sänger Joel O’Keeffe, mit der Gitarre auf dem Rücken geschnallt, auf das Gerüst der riesigen Bühne klettert. Schätzungsweise 50 Meter über dem Boden rockt er weiter, ohne Netz und doppelten Boden. Etwas ruhiger, aber mit nicht weniger musikalischer Energie geht’s mit Apocalyptica in den Feierabend. Die Nacht ist kurz, am Samstag Morgen geht’s mit unvermittelter Härte weiter. Für den Festival-Abschluss am Abend stehen weitere große Namen auf der Liste – Iced Earth, Avantasia, Danko Jones, Kreator und Motörhead, nur um einige zu nennen.