Köln. .
Regisseur David Lynch hat den Filmpreis der Stadt Köln bekommen und zeigte sich bei der Preisverleihung als charmanter Plauderer. Nebenher gab er seinen Fans noch eine außergewöhnliche Anleitung, wie man seine Filme am besten schaut.
Man sollte von den Filmen, die einer dreht, niemals auf den Menschen schließen. David Lynch (64) beispielsweise: Im Kino überrumpelt er uns mit surrealen Albtraumfilmen wie „Blue Velvet“ oder „Lost Highway“, geprägt von Schizophrenie und Persönlichkeitsspaltung. Als Mensch jedoch begegnet uns nicht etwa ein verstörtes Etwas, sondern ein charmanter weißhaariger Plauderer, dem man das Vergnügen anmerkt, sein Publikum in Labyrinthe zu locken, um es dann ohne Führer allein zu lassen. Am Wochenende war Lynch zu Gast in Köln, um dort den mit 25 000 Euro dotierten Filmpreis der Stadt entgegenzunehmen.
Begründungen für solche Preise hören sich immer ziemlich verschroben an. Lynch erhalte die Auszeichnung für „außergewöhnliche Leistungen in Grammatik und Poetik der audiovisuellen Medien“ heißt es da. Sein Publikum sieht das etwas einfacher, es liebt einfach die bizarren Welten, die er regelmäßig in seinen Filmen erschafft, und die doch stets viel von unserem eigenen Unterbewusstsein in sich tragen. „Einen Film ergründen zu wollen, beraubt ihn der Magie“, meint Lynch, als er sich vor der Preisverleihung in einer ausgiebigen „Lecture“ über sein Werk auslässt. Audiokommentare der Regisseure auf der DVD hält er deshalb auch für ein Unding. „Der Film sollte für sich selbst sprechen können.“ Er weiß, dass seine Arbeiten nicht gerade als massenkompatibel gelten. „Steven Spielberg und George Lucas müssen sehr glückliche Menschen sein, weil Millionen ihre Filme lieben“, merkt er voller Ironie an. „Ich muss mit dem zehnten Teil zufrieden sein, wenn ich Glück habe.“
Mel Brooks sagte: „Sie sind ein Verrückter, ich liebe Sie!“
Manchmal hatte er Glück. Nicht gerade bei seinem Spielfilmdebüt „Eraserhead“, diesem beunruhigenden Hinterhof-Horror, an dem er fünf Jahre arbeiten musste, weil ihm immer wieder das Geld ausging. Aber danach, als Mel Brooks sich eine Sondervorführung des Films erbat, am Ende aus dem Vorführsaal stürmte und Lynch umarmte: „Sie sind ein Verrückter, ich liebe Sie.“ Brooks übertrug ihm danach die Regie für „Der Elefantenmensch“, und es war Lynch in diesem Fall völlig egal, dass dies eine Auftragsproduktion werden würde ohne seinen persönlichen Stempel. „Ich hatte am Morgen, wenn ich in die Unterwäsche stieg, nur einen Gedanken: Heute drehst du mit Sir John Gielgud.“ Ein Quantensprung für den in Montana geborenen Filmemacher.
Lynch kann Anekdoten erzählen und ausschmücken wie kaum ein Zweiter. Über die Oscar-Nominierung für „Blue Velvet“, so erzählt er, habe er sich nur gefreut, weil dadurch endlich die Chance bestanden hätte, die Preispatin Elizabeth Taylor zu küssen. Oliver Stone lief ihm den Rang ab, doch Lynchs Chance kam bei der Aftershow-Party: „Violette Lippen, geradezu von flutender Üppigkeit. Der Kuss war wie eine weiche Landung, ein Traum.“ Aber er kann auch ernster, wenn man ihn etwa auf die explizite Gewalt in „Wild At Heart“ anspricht und die abstoßende Wirkung, die sie auf viele gehabt habe. „Als Regisseur hat man zwar Kontrolle über die Action, aber nicht über die Früchte, die solche Action trägt“, meint Lynch. „Schließlich war es eine Liebesgeschichte aus der Hölle.“
Dann hat Lynch noch einen Rat, wie man seine Filme betrachten sollte: „Denken Sie dabei an einen Bagle. Achten Sie nicht auf den Kreis, achten Sie auf das Loch in der Mitte.“
Seine großen Erfolge: Durchbruch mit „Twin Peaks“
Populär geworden ist David Lynch vor allem durch seine Fernsehserie „Twin Peaks“ (1990/91). Auch der Kinofilm „Mulholland Drive“ (2001) war zunächst als TV-Serie geplant, ein Pilotfilm bereits fertig. Auf die Frage, ob der Kinofilm den Story-Aufbau der Serie widerspiegele, erntet man bei Lynch nur ein erstauntes Lächeln: „Nicht zu wissen, wohin eine Geschichte schließlich gehen wird, ist so faszinierend.“