Brühl. Das Max Ernst Museum Brühl zeigt erstmals in einem deutschen Museum Kunstwerke des amerikanischen Kultregisseurs David Lynch, der für seine bildmächtigen Filme, wie "Der Elefantenmensch", "Blue Velvet", "Wild at heart"und die Fernsehserie "Das Geheimnis von Twin Peaks" bekannt wurde.
Der dominierende Ton im Werk des malenden Hollywood-Regisseurs David Lynch ist – Kino-Kenner wird es kaum erstaunen – Schwarz. „Schwarz ist wie eine Pforte. Man tritt ein, und weil es dahinter immer noch dunkel ist, setzt die Phantasie ein . . . Man sieht das, wovor man Angst hat, . . . wie in einem Traum.” Und weil diese verstörenden Träume, die Lynch seit Jahrzehnten auf die Leinwand wirft, gar nicht weit entfernt sind von jenen surrealen Welten, wie sie Max Ernst verarbeitete, zeigt Lynch, das vielseitige Grusel-Genie aus Los Angeles, nun seine erste Kunstausstellung in Deutschland im beschaulichen Max-Ernst-Städtchen Brühl: „Dark Splendor”, dunkle Pracht.
Ein Gesamtkunstwerk aus Verfremdungen, Überblendungen und gemalten Unerklärlichkeiten, atmosphärisch aufgeladen durch eine von Lynch kreierte Sound-Installation, ein raumgreifender Klang-Krimi. Dunkle, abstrakte Geheimnisse liebt der Amerikaner schließlich ebenso wie das Schwarz. Man kennt diese Vorliebe aus seinen Kult-Filmen wie „Blue Velvet”, „Wild at Heart” oder „Mulholland Drive”. Und weil die menschlichen Ängste und Abgründe in diesen Filmen tief sind wie der Atlantik und das Reich der sexuellen Phantasien wie eine Geisterbahn erscheint, ist man fast erstaunt, einen gut aufgelegten, ausgeglichenen, auskunftsfreudigen Herrn Anfang 60 mit der obligaten Hochföhnfrisur und dem schwarzen Anzug zu begegnen. Man muss eben kein Sonderling sein, um Verstörendes zu zeigen.
Erschreckende Kreativität
Jedenfalls trifft man in Brühl auf keinen Gelegenheitskünstler, der irgendwann zwecks Entspannung zum Pinsel gegriffen hätte. Lynch hat sein Kunsthandwerk schon in den 60ern gelernt, auf der Akademie in Philadelphia. Seitdem treibt ihn eine manische, buchstäblich erschreckende Kreativität. Und so reichen die rund 140 ausgestellten Werke von der Zeichnung bis zur Lithografie. Von der begehbaren Installation bis zum Daumenkino. Vom Aquarell bis zur Fotografie, die das Thema Vergänglichkeit sogar in einer Schneemann-Serie dokumentiert.
Vor allem die großformatigen Objektbilder aber beschwören die direkte Nachbarschaft von Film- und Kunstwelt mit ihrem obsessiven Interesse an seelischer Deformation und körperlicher Versehrheit. Da hetzen Monster-Männchen mit gezücktem Messer über die Leinwand, da sieht man Frauen mit leeren Augenhöhlen, den Jungen ohne Rumpf. Lynch inszeniert mit großer Geste und leuchtenden Glühbirnchen eine ins Dreidimensionale strebende Kunst aus Schrift, Fotografie, Malerei und Materialcollage, bei der ein weiblicher Busen ebenso plastisch aus dem Bildgrund herausragt wie der ausgepolsterte Hosenschlitz. Nicht nur deshalb wird in der Ausstellung vorsichtshalber davor gewarnt, unsere „Wert- und Moral-Gefühle” könnten verletzt werden.
Seltsam verformte Körper
Die „Distorted Nudes”, digital bearbeitete Aktfotografien des frühen 20. Jahrhunderts mit seltsam verformten Körpern und grotesk verstümmelten Gliedmaßen, hat man sicherheitshalber in den hinteren Teil des Ausstellungsraums verbannt. Jugendlichen unter 18 wird der Besuch nur in Begleitung Erwachsener empfohlen. „Die Kinder sehen im Fernsehen heute doch ganz andere Sachen”, findet hingegen David Lynch.
Und dann ist er bei seinem Herzensthema. Dem Erziehungsnotstand, der Gewalt und dem Stress, den Drogen und Depressionen, denen Jugendliche heute ausgesetzt sind. Lynchs Lösung heißt „transzendentale Meditation”, seine Stiftung wirbt inzwischen weltweit. Aber weil man derlei esoterische Glücks- und Weltfrieden-Verheißungen hier zu Lande mit spitzen Fingern anfasst, wird auf dem Podium rasch zum Themenwechsel gedrängt. TM war eigentlich tabu.
Doch Tabus sind es nun mal, die Lynchs Kreativität herausfordern. „Meine Bilder müssen brutal gemacht sein, primitiv und roh.” Dem eigenen Anspruch scheint er bestens gerecht zu werden: „Ich bin ein sehr guter schlechter Maler.”
Bis 21. März, Max Ernst Museum, Comesstr. 42, di - so, 11 -18 Uhr, Katalog 34 Euro. www.maxernstmuseum.lvr.de