Düsseldorf. .

Die zweite Quadriennale mit Beuys, Becher, Paik und Co. beginnt am Samstag in Düsseldorf. Gut möglich, dass die große Kunst-Nabelschau bis zum 16. Januar noch mehr Besucher anlocken wird als die 380 000 vor vier Jahren.

Was hat sich das Ruhr-Kulturhauptstadtgebiet ins Zeug gelegt: Da hat es Zigtausende im Chor singen lassen und die A40 gesperrt, da hat es in Essen, Duisburg und in Hagen traumschöne Museen aus dem Hut gezaubert und mit famosen Ausstellungen bestückt; und dann bläst die Landeshauptstadt zur Attacke: - aber nicht auf das ehrgeizige Kunstrevier, noch nicht mal auf Köln, den Erzfreund vom Rhein. Nein, die Kunstbreitseite, die ab Samstag mit der 2. Quadriennale abgefeuert wird, gilt Berlin. Allein mit Berlin, „arm, aber sexy“, fühlt sich Düsseldorf als „internationale Kunstmetropole“ auf Augenhöhe. Mindestens: Zehn Düsseldorfer Museen und Kunst-Häuser haben Ausstellungen von Beuys bis Zero vorbereitet, gut 30 Galerien zeigen, was sie anlässlich der Quadriennale zum Thema „Kunstgegenwärtig“ zu bieten haben.

Danke, Herr Kurfürst

So ist das, wenn man aus einer Boomstadt kommt, die das „große Festival des Kunstbetrachtens“ mit fünf Millionen Extra-Euro gepampert hat; so ist das, wenn man „reich und sexy“ ist.

So ganz ohne Grund warf sich jetzt der Düsseldorfer OB Dirk Elbers nicht in die Brust, denn es stimmt ja: Die Kunst und Kunstförderung hat hier am Rhein eine lange Tradition. Die mag 1773 mit der Kunstakademie begonnen haben, die der unkonventionelle Kurfürst Carl Theodor gegründet hat. Die Erfolgsgeschichte der Akademie führte über die fruchtbare Rivalität der Kunstprofessoren von Schadow und Achenbach in die legendäre Szene um die berühmte „Mutter Ey“, die Avantgarde-Kaliber wie Otto Dix, Otto Pankok und Max Ernst um sich scharte bis zur Nach-Weltkriegsära Ewald Mataré und K.O. Götz. Die hatten Schüler, die Weltstars wurden: wie Joseph Beuys, Gerhard Richter, Sigmar Polke (und, nebenbei, einen gewissen Günter Grass); die Heldengeschichte der Düsseldorfer Akademie wurde mitgeschrieben von Galeristen-Gurus wie Alfred Schmela und Hans Strelow, aber auch von kreativen Kunstwahnsinnigen wie Daniel Spoerri oder Dieter Roth, die auf das urbane Leben genauso viel Einfluss hatten wie das örtliche Altbier. Die Akademie brachte „Malerfürsten“ und großartige Bildhauer hervor und strahlte dann doch zuletzt besonders hell durch die Arbeit der Foto-Avantgardisten Bernd und Hilla Becher, die weltweit Schule machten. Und diese Erfolgsgeschichte könnte weitergehen: denn der neue Chef, Anthony Cragg, hat einige Ehemalige zu Professoren berufen, die als Meisterschüler gingen und als internationale Stars an den Rhein zurückkamen: Katharina Fritsch etwa und Andreas Gursky.

Die große Düsseldorfer Kunst-Nabelschau

Der Gelegenheit, sich so ausgiebig im eigenen Glanze zu sonnen, konnte die Quadriennale nicht widerstehen. Nicht von ungefähr wird - kurz nach der grafischen Beuys-Parade auf Moyland - im renovierten K20 Joseph Beuys mit etlichen Schlüsselwerken - Rauminstallationen, Zeichnungen und Objekten - quasi eingemeindet. „Parallelprozesse“ heißt die Riesenschau und könnte dabei mithelfen, das K20 stärker als bisher als die repräsentative Landes-Kunstsammlung im öffentlichen Bewusstsein zu etablieren. Im museum kunst palast verbeugt man sich ausgiebig vor dem ehemaligen Düsseldorfer Welt-Video-Meister Nam June Paik (und jungen Künstlern, die den Paik-Award gewonnen haben), während nebenan das NRW-Forum zeigt, wie die Becher-Schüler zur Farbe fanden: „Der rote Bully. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie” ist allemal einen Besuch am Rheinufer wert. Weiter weg hat sich die Stiftung Schloss und Park Benrath James Lee Byars zugewandt.

Das K21 im alten Landtag zeigt mit der Ausstellung „Auswertung der Flugdaten: Kunst der 80er“ eine weitere Düsseldorfer Perspektive. Die neue Generation - darunter Katharina Grosse und Björn Dahlem - zieht die Blicke vor allem in zwei Gemeinschaftsausstellungen auf sich: In Kunsthalle/Kunstverein zeigen internationale Künstler die Früchte ihrer Auseinandersetzung mit Marcel Broodthaers. Und: Die 30 beteiligten lokalen Galerien zeigen ausschließlich Künstler-Premieren.

„Die Quadriennale will die Impulse, die in den vergangenen 50 Jahren von Düsseldorf auf die Kunstwelt ausgingen, nochmals aufscheinen lassen“, erläuterte Werner Lippert, der Direktor des NRW-Forums. Gut möglich, dass die große Düsseldorfer Kunst-Nabelschau bis zum 16. Januar noch mehr Besucher anlocken wird als die 380 000 vor vier Jahren. Denn eines muss man zugeben: Der Nabel ist echt sexy.