Essen. .

In seinem neuen Roman „Königstorkinder“ beschreibt Autor und Journalist Alexander Osang, wie Ost und West heute in seinem eigenen Wohnviertel Prenzlauer Berg aufeinandertreffen. Ein Interview.

Über Wende und Nach-Wende schreiben vor allem Ostdeutsche, ärgert Sie das?

Alexander Osang: Ach. Ich glaube, die Zeit hat die Ostdeutschen einfach mehr betroffen, mitgenommen, bewegt. Mich ärgert allerdings, wenn ich als Journalist und Autor nur immer in dieser Zeit gesehen werde. Das war war auch ein Grund, warum ich für den „Spiegel“ sieben Jahre nach Amerika gegangen bin. Ich wollte dem ewigen Osten entfliehen.

Hat es funktioniert?

Osang:Ich bin nicht als anderer Mensch wiedergekommen, aber ich habe in dieser wunderbaren Riesenstadt New York überlebt. Das gibt eine gewisse Grundruhe für den Rest meines Lebens. Aber darunter rumoren die untoten Fragen meiner Vergangenheit. Das kreist immer alles um Neuanfang, Schuld, Vergebung.

Teilen Sie die Enttäuschung der Deutschen, 20 Jahre danach?

Osang:Ich bin mit meinem Leben zufrieden, ich kann schreiben und reisen und verdiene damit sogar Geld. Ich habe eigentlich nur gewonnen durch die Wende. Aber ich fühle mich oft missverstanden in dem, was ich über die Zeit damals erzähle. Die Menschen, die nicht dabei waren, wollen unbedingt begreifen und festlegen, wer ich damals war. Sie sehen mich entweder positiver - also aufständischer - oder angepasster, als ich je war. Und ich kann ihnen mein Leben auch aus verschiedenen Perspektiven beschreiben. Ich habe ja viele Rollen gespielt.

Sie spielen auch im Roman mit Wahrheiten.

Osang:Im Moment wird die jüngere deutsche Geschichte wieder im Detail festgezurrt, mit Monumentalwerken und Jubiläen, die so routinemäßig ablaufen. Das depremiert mich. Ich fühle mich wohler in Umständen, in denen die historische Wahrheit nicht in Stein geschlagen ist. Mein Roman ruft den Leuten zu: Traut den Geschichten nicht!

Und den Reportagen?

Osang:Ich mag auch keine Reportagen, die einen so satt und fertig zurücklassen. Ich möchte die Leser meiner Texte nicht allwissend zurücklassen, sondern eher fragend. Wenn ich ein bisschen verstört werde, von einem Text, einem Buch oder einem Film, dann trage ich das länger mit mir durch den Tag.