Essen. .

Handwerk ist nicht alles auf dem Theater. Aber wer es beherrscht, vermag auch der Operette aus ihrer silbernen Periode goldenen Boden zu bereiten. Im Aalto griff man nach den bunten Zuckerln melodiengesättigter Zigeunerseligkeit der „Csardasfürstin“ – und heraus kam eine gehaltvolle Kreation in Edel-Zartbitter.

Das liegt nun einmal am treffsicheren Umgang mit Ka´lma´ns Musik, die hinter ihrer glänzend polierten Oberfläche der pointierten Tanzrhythmen auch glühendes Sentiment bereithält. Und wenn diese melodiöse k.u. k.-Melange, die 1915 mitten im ersten Weltkrieg ihre Uraufführung erlebte, mit der Raffinesse und Spielkultur der Essener Philharmoniker daherkommt, ist man musikalisch bereits auf der sicheren Seite. Soltesz verzichtet bei aller Intimität und seinen zunächst gewohnt zügigen Tempi nicht auf die große Geste, paart Schmelz mit Geschmack, gönnt auch das großzügige Rubato, um dann die Orchesterschraube wieder schwungvoll anzuziehen. Selten hört man heute zum Beispiel das Vorspiel zum dritten Akt großartiger.

Handlung aus der Plüschzeit der Monarchie ins nazi-besetzte Budapest verlegt

Mit Michael Sturmingers Regie langt man rasch in die zart-bitter Bereiche dieser Produktion. Der Österreicher, der im Theater ebenso zuhause ist, wie beim Film (er schrieb den Text für John Malkovichs „The infernal comedy”, die demnächst auch bei den Ruhrfestspielen zu sehen ist), verlegt die Handlung aus der Plüschzeit der sterbenden Monarchie in das von den Nazis besetzte Budapest. Geht es im Original noch um Klassenschranken - eine Varieté-Sängerin (die Csa´rda´sfürstin) kann keinen Fürstenspross heiraten - drohen nun durch willkürliche Rassengesetze Verfolgung, Exil oder Tod.

Sturmingers Zuspitzung, nebst völlig neuen Dialogen, die bis auf einige unnötige Kleinigkeiten dem Stück gut tun, hebt die „Csa´rda´sfürstin” aus ihrer unbekümmerten Harmlosigkeit in die unbegreifliche Geschichte. Dass er nebenbei vorsichtig Parallelen zur Familiengeschichte der jüdischen Komponistenfamilie Ka´lma´n andeutet, die 1938 aus Österreich emigrierte, mag nicht zwingend sein, schärft mithin jedoch den Blick auf Schicksale, die immer die Einzelner sind. Dennoch wurde Ka´lma´ns ursprünglicher Name Koppstein auf Bitten der anwesenden Tochter des Komponisten aus der neuen Fassung gestrichen.

Nach dem ungewohnten Happy End das im Aalto übliche Gerangel zwischen Bravos und Buhs

Im Gegensatz zu Peter Konwitschnys einstiger Dresdner Skandal-Csa´rda´sfürstin” (die Soltesz ebenfalls dirigierte) verhilft Sturminger bei aller Ernsthaftigkeit der Unterhaltung zu ihrem Recht. Im Variete´ gibt es rasante Tanzeinlagen (Choreografie: Craig Revel Horwood). Blondzopfig mit kaum mehr als knappen Lederhöschen treten die „Mädis vom Chantant”auf. Auch einige „Kerlis” mischen sich darunter in schicker Abendrobe der 1940er Jahre (Renate Martin u. Andreas Donhauser). Und die Besetzung (ausnahmslos vom Aalto-Ensemble) kann sich sehen und (meistens) hören lassen. Auch wenn Bea Robein in der Titelpartie nicht das klassische „Teufelsweib” ist: Ihre eher melancholische Mezzo-Sylva passt zur Regie.

Peter Bording mit kernigem Bariton: ein eleganter Charmeur mit ausreichend Höhe. Astrid Kropp-Menéndez als Comtesse Stasi, Albrecht Kludszuweit als Boni und Günter Kiefer als Feri Ba´csi überzeugen als Sängerensmble. Sorgfalt auch bei den Sprechrollen. Deutlich aufgewertet: die Rolle des Rohnsdorff, den Mark Weigel hier als aalglatten Ober-Nazi gibt. Und auf Ute Zehlen und Reinhard Brussmann als alterndes Fürstenpaar warten am frei erfundenen, nicht unblutigen Happy-End ungewöhnliche Aufgaben. Am Ende das aalto-übliche Gerangel zwischen Bravos und Buhs, dieses Mal unverständlich.