Essen/Klagenfurt. Literatur pur: Der 32. Klagenfurter Bachmannpreis beginnt am Donnerstag mit dem traditionellen Wettlesen – und bleibt so verlässlich wie spannend. Katharina Born, Tochter des Duisburger Autors Nicolas Born, liest im Wettbewerb des wichtigsten deutschsprachigen Literaturpreises.
Im Wörthersee geht der Literaturbetrieb baden, aber das muss nicht weiter beunruhigen: Seit 1977 hat das kollektive Abtauchen in der Landeshauptstadt von Kärnten Tradition, und es sei ihnen gegönnt, den Juroren, Autoren, Verlagsangestellten – die öffentliche Schlacht um Wörter, nichts als Wörter, die Schlacht im Wörter-See also, die hier auch geschlagen wird verlangt nach einer Abkühlung. Das wird auch im 32. Jahr des Klagenfurter Bachmannpreises so sein, der sich der äußeren Form nach durch Verlässlichkeit auszeichnet. Wer sich aber darauf einlässt, Stunde um Stunde – live im ORF-Theater oder im Fernsehen – den Lesungen und Diskussionen zu folgen, wird ebenso verlässlich überrascht.
Die unveröffentlichten Texte zumeist eher unbekannter Autoren bekommen durch die sehr spezielle Lesesituation vor Aufregung rote Wangen und einen ganz eigenen Sound. Und die Debatten der Jury offenbaren aufs Unterhaltsamste Körper- wie Geisteshaltungen. So lernt man sich kennen. Dabei geht es um Texte, um nichts als Texte. Die Klagenfurter „Tage der deutschsprachigen Literatur”, im österreichischen „Bewerb” genannt, haben zwar ein Rahmenprogramm: der Büchnerpreisträger Josef Winkler hält die Rede zur Literatur, ein Abend widmet sich Gert Jonke. Stipendiaten – darunter Yvette Vivien Kunkel aus Witten und Mirko Kussin aus Dortmund – lernen in Tutorien. Und die Literatur spielt Fußball! Im Fernsehen aber: halbe Stunde lesen, halbe Stunde reden, halbe Stunde lesen, halbe Stunde reden. Literatur pur. Ein Spektakel ohne Spektakel.
Die Protagonisten
Die 14 Teilnehmer in diesem Jahr sind: Ralf Bönt, Katharina Born, Karsten Krampitz, Lorenz Langenegger, Christiane Neudecker, Jens Petersen, Bruno Preisendörfer, Karl-Gustav Ruch, Gregor Sander, Caterina Satanik, Andreas Schäfer, Linda Stift, Philipp Weiss, Andrea Winkler. Viele Namen – darunter aber einige, die man sich merken sollte. Welche? Das entscheidet nicht zuletzt die Jury dieses mit stolzen 25 000 Euro dotierten Literaturpreises, die schon so manchem bekannten Namen Wege ebnete. Diesmal dabei: Burkhard Spinnen als Vorsitzender, Meike Feßmann, Karin Fleischanderl, Paul Jandl, Hildegard E. Keller, Ijoma Mangold, Alain Claude Sulzer.
Eine Stimme hat allerdings auch das Publikum: Im Internet (http://bachmannpreis.eu/) werden nicht nur alle 14 Wettbewerbstexte in acht Sprachen präsentiert, Literaturliebhaber dürfen über sie abstimmen. Der Publikumspreis ist immerhin noch mit 7000 Euro dotiert – für einen Nachwuchsautoren schon der halbe Roman. Der „Bewerb” wird im TV auf 3Sat gezeigt: 25. & 26. Juni, 10 bis 15 Uhr, 27. Juni, 10 bis 14 Uhr und die Preisverleihung am 28. Juni, 11 bis 12.15 Uhr
"Da muss man sich wappnen"
Mit Katharina Born, die am 32. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb teilnimmt, sprach Britta Heidemann.
Was werden sie lesen?
Katharina Born: Einen Auszug aus dem Roman, an dem ich arbeite – ich darf aber über den Text nicht reden…
Aber über den Roman?
Katharina Born: Ja, schon. Es ist mein erster Roman, er wird im Herbst 2010 bei Hanser erscheinen und besteht aus verschiedenen Ebenen von 1860 bis heute... Ein junger Doktorand findet im Nachlass eines Dichters ein unveröffentlichtes Manuskript und muss sich mit der schwierigen Witwe und ihrer Familiengeschichte auseinandersetzen. Für einen weiteren Auszug habe ich den Georg-K.-Glaser-Preis erhalten, darin geht es um den Versuch einer Frau, aus ihrem Leben in einem Dorf im Westerwald auszubrechen.
Haben Sie je an einem Wettbewerb wie dem Bachmann-Preis teilgenommen?
Katharina Born: Nein, das ist ja völlig einzigartig. Ich finde es ganz toll, dass diese Begeisterung für Literatur und das Sprechen über Literatur so im Vordergrund steht. Ich finde dieses Sich-heiß-Reden über einen Text spannend. Da nähert sich die Literaturkritik ja auch dem Publikum, das mitgeht.
Man muss sich aber schon sehr zur Diskussion stellen als Autor.
Katharina Born: Man will unbedingt hören, was die Jury über den Text zu sagen hat, andererseits muss man das sicher auch mit Vorsicht genießen, weil es ja manchmal auch recht zufällig erscheint. Ich glaube, man sollte das nicht hundertprozentig für sich übernehmen, was da gesagt wird. Da muss man sich wappnen.
Sie haben mit ihrem Vater, der aus Duisburg kam, postum für Ihre Arbeit an seinem Werk den Literaturpreis Ruhr bekommen. Haben sie noch Bezüge zum Ruhrgebiet?
Katharina Born: Ich habe durch die Arbeit am Werk meines Vaters viele Bezüge bekommen. Ich bin oft hingefahren, habe mich dem Leben meines Vaters im Ruhrgebiet angenähert – trotzdem ist es mir schon eine fremde Gegend, wenn auch eine sehr spannende. Die Leute sind sehr viel freundlicher als in Berlin, wo ich aufgewachsen bin, oder auch in Paris, wo ich heute mit meiner Familie lebe.
War ihr Vater reviertypisch?
Katharina Born: Das kann ich schwer sagen, er galt eher als westfälischer Typ… Für sein Schreiben war seine Herkunft sehr wichtig. Aber es war klar, dass er da herausmusste, für sich. Das verstehe ich jetzt sehr gut: Ich würde nicht im Westerwald leben wollen, aber so eine Landschaft prägt. Und es würde mir schwer fallen, jetzt unmittelbar über Paris zu schreiben.