Essen. Frank Schätzings neuer Thriller „Limit” spielt auf dem Mond und in den unendlichen Weiten Chinas. Wieder lässt reichlich Action, einiger Sex und manche Zwischenmenschlichkeit das Leserherzchen klopfen. Ab Montag ist das Buch des sprachlich limitierten Autors im Handel.
Immerhin hat Frank Schätzing Humor. Da bestimmte geheimnisvolles Schwarz die Werbung fürs neue Werk, da warteten Fans ewig darauf, endlich Titel („Limit”) und Plot (Krieg der Staaten auf dem Mond) zu erfahren und bestellten das Buch hunderttausendfach. Dann sind wir da, endlich, auf dem Mond des Jahres 2025, wo der Abbau des Elements Helium-3 die Energiekrise der Welt lösen soll – und ein nunmehr 78-jähriger David Bowie sitzt im Mondhotel-Restaurant „Picard”, summt leise „Major Tom” und philosophiert seitenlang über den Planeten namens Kunst. Was soll das, was macht er da? Nun, das Restaurant „Kirk” gleich gegenüber hatte schon zu.
Schätzing erschafft sein Universum in 1300 Seiten
Der Weltraum, unendliche Weiten. Der Kölner Autor Frank Schätzing machte mit der Unterwasserwelt Karriere, nun greift er nach den Sternen und nimmt sich über 1300 Seiten Zeit, sein Universum zu erschaffen. Ziemlich viel Zeit also: So beschaulich wie eine Fahrt mit „Raumschiff Enterprise” entwickelt sich die Story in drei Strängen.
In Kürze: 1. Julian Orley, Gründer der US-Firma „Orley Enterprises”, reist zwecks Marketing mit einer Investorengruppe auf den Mond – in dem Fahrstuhl, der Helium-3 zur Erde transportiert und dort Öl überflüssig macht. Der Fahrstuhl zum Schafott?
2. Owen Jericho, Experte für „Cyber Crime”, ermittelt in Shanghai. Die (klar: schöne) Dissidentin Yoyo Chen wird bedroht. Sie hat im Netz ein Geheimnis entdeckt, das jemand schützen will. Wer?
3. Gerald Palstein, Chef des Ölkonzerns EMCO, ist bei einer Rede auf dem Podium angeschossen worden. Von einem Opfer der Entlassungswelle? Palstein gilt als „Grüner”, als Befürworter alternativer Energien – er hätte mit in Orleys Fahrstuhl reisen sollen. An seiner Stelle, man ahnt es, wirbelt eine dubiose Gestalt Mondstaub auf.
Reichlich Action und völlig losgelöster Sex
So weit, so simpel. Wieder lässt reichlich Action, einiger Sex (völlig losgelöst!) und manche Zwischenmenschlichkeit das Leserherzchen klopfen – der Konflikt im Orley-Clan spiegelt den zwischen Vater und Tochter Chen. Schätzings Raumschiff aber ist überladen: Allzu zahlreich, allzu grob gezeichnet tappt das Personal auf dem Mond herum; hier wollte er wohl die folgerichtige Verfilmung mit skurrilen Typen anreichern. Der sprachlich eher limitierte Autor hat zudem mindestens ein Holodeck zu viel an Bord. Über politischen Exkursen schläft sein Personal ja selbst ein: Als Jericho Chinas Einfluss in Äquatorialguinea erklärt, döst er weg bei dem Wort „Üüüwerangskandidaaat”...
Es gelingt Schätzing aber in dieser als Zukunftsroman getarnten Zeitkritik, große Themen 16 Jahre weiterzudenken: Womit wärmt sich der Mensch, wer hat auf der Erde das Sagen? China und die USA liegen 2025 gleichauf, das dürfte das Land des Lächelns freuen – „China funkelt”, heißt es, „China ist reich und schön und Shanghai das Zentrum der Welt, in dem alles erlaubt ist und nichts unmöglich”.
Eine kleine Selbstironie?
Das Lächeln aber ist Maske, denn China wurde für die Rolle des Bösewichts gecastet: Bis kurz vor Schluss sieht es so aus, als hätte das Regime einen nuklearen Anschlag auf dem Mond geplant, um die USA auszustechen. Autsch. Am Ende war's doch nicht der chinesische Drache, sondern eine falsche Schlange – die sich im Cyber-Krieg hinter dem Zeichen der Hydra verbirgt.
Vom Lächeln zum Lachen, vom Zeichen zum Symbol: Schätzing tritt deutlich in die Fußstapfen der großen Spürnasen, deren Übervater Umberto Eco ist. Im Roman „Der Name der Rose” wirkte Aristoteles' Buch über das Lachen tödlich. Mit Erwähnung des Buches in seinem Roman legt Schätzing nun eine Spur für Neugiernasen. Bei ihm aber ist der Humor, der den Schöpfer des Universums infrage stellt – reine Selbstkritik.
Frank Schätzing: Limit. Kiepenheuer & Witsch, 1328 S., 26 Euro. Erscheint am 5. Oktober 2009.