Essen. Gerard Donovans Roman „Winter in Maine” handelt von Liebe, Verlust und Töten im Schnee. Donovan schickt den Protagonisten Julius Winsome auf einen einsamen und blutigen Kriegspfad.

Kommt da eine neue Angst auf uns zu? Binnen Jahresfrist jedenfalls kann man nun schon das zweite Buch lesen, in dem ein Hund vorsätzlich erschossen wird und diese Tat Folgen hat, die vorwiegend blutig sind. Zuerst war da Jack Ketchums „Red” (1995), letztes Jahr als „Blutrot” endlich auch auf Deutsch erschienen. Ketchum ist ein geschätzter Pulp-Autor, der die Direktheit liebt. Der Amerikaner Gerard Donovan hingegen kommt von der feingeistigen Lyrik, weshalb selbst dem Töten in seinem dritten Roman „Winter in Maine” etwas Ruhiges und Kontemplatives anhaftet.

Sein Ich-Erzähler ist der Einsiedler Julius Winsome, der in einer abgelegenen Hütte im nördlichen Maine haust. Julius Winsome ist ein vielfach verletzter Charakter. Der Tod seines Vaters kommt ihm wie ein Verrat vor. Und dann verlässt ihn seine wahrlich zauberhafte Gefährtin Claire, um ganz profan mit einem Gesetzeshüter zu leben.

Als nun auch noch jemand Winsomes Hund Hobbes aus nächster Nähe erschießt, zerreißt etwas in der Psyche dieses Mannes und treibt ihn verdächtig nahe an die Gestade des Wahnsinns. Nein, er sucht nicht etwa den Täter, um an ihm Rache zu üben. Julius sieht nun vielmehr in jedem auftauchenden Jäger den geborenen Feind, schießt sie reihenweise über den Haufen, um erst hinterher Fragen an die Sterbenden zu stellen. Der Leser wird förmlich zum Komplizen bei diesen still und unaufgeregt vorgenommenen Opferungen. Hier entfesselt einer seinen ganz persönlichen Krieg, nachdem er von Vater und Großvater so viel über die beiden Weltkriege in sich aufgesogen hat.

3282 Bände Prosa schmücken seine Hütte

Winsome ist der Mörder, der aus der Literatur kommt. Exakt 3282 Bände klassischer Prosa schmücken seine Hütte, füttern ihn mit Schönheit und Wissen, wärmen seine Seele und als zweite Wand der Hütte auch seinen Körper. Vor allem Shakespeare hat er studiert, hat all diese veralteten Ausdrücke des elisabethanischen Englisch aufgeschrieben und gelernt. Er wendet sie an, wenn er vor seinen angeschossenen Opfern steht. Ausdrücke wie „bestoben” und „geplattert” sind das Letzte, was die schon halbtoten Jäger aus dieser Welt mitnehmen.

Donovan schildert derart anschaulich, dass einem alles schnell vertraut vorkommt in dieser winterkalten Einsamkeit. Und nicht oft hat man einen Autor, der derart intensiv über Liebe und Verlust zu schreiben vermag.

Gerard Donovan: Winter in Maine. Luchterhand Literaturverlag, 208 Seiten, 17,95 Euro.