Duisburg. Verwunschene Welten: Die Meisterschülerin von Gerhard Richter stellt rund 70 Gemälde im Museum Küppersmühle aus. Unser Tipp: Hingehen!
Es ist Nacht in Mülheim. Wir erkennen: ein Reihenhaus, auf den ersten Blick nichts Besonderes. Die Malerin Karin Kneffel erinnert sich. Zigmal ist sie an dem langweiligen Gebäude vorbeigefahren, bis ihre Fantasie eines Tages die Regie ergriff. Jetzt leuchten Tulpen aus dem Bildrand hervor, Schatten tanzen auf der Häuserfront, hinter Fenstern schimmert ein diffuses Licht, ein Fernseher. Auch einen schemenhaften Bildschirm hat die Künstlerin ergänzt, eine Szene aus dem Film „Der zerrissene Vorhang“ von Alfred Hitchcock. Könnte ja sein, dass...
Daneben: dasselbe Gebäude, andere Ansichten – eine mit einem Handabdruck des Meister-Regisseurs. Oder eine wie in Wasser getaucht, hinter Blasen halb verborgen, als hätte man eine von diesen Zauberkugeln geschüttelt.
Die Malerin Karin Kneffel ist eine gute Geschichtenerzählerin
Es ist spannend, der Künstlerin zuzuhören, wenn sie die Geschichten erzählt, die hinter ihren Bildern stecken. Karin Kneffel habe die Schau im Wesentlichen selbst eingerichtet, wie Kurator Kay Heymer bemerkte.
Daten, Zeiten, Preise
„Karin Kneffel - Come in, Look out“ ist bis 1. September zu sehen: MKM Museum Küppersmühle, Philosophenweg 55, 47051 Duisburg
Öffnungszeiten: Mittwoch 14 bis 18 Uhr, Donnerstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Feiertage 11 bis 18 Uhr
Der Eintritt in die Ausstellung kostet acht Euro, ermäßigt vier Euro. Der Katalog (Schirmer/Mosel Verlag) kostet 40 Euro.
Zur Ausstellung ist ein umfangreiches Begleitprogramm erschienen. Alle Infos stehen im Internet: www.museum-kueppersmuehle.de
Rund 70 Ölgemälde und eine Auswahl Aquarelle sind nun unter dem Titel „Come In – Look Out“ im Duisburger Museum Küppersmühle zu sehen, Bilder aus sämtlichen Schaffensperioden seit Mitte der 90er, die jedoch eines gemeinsam haben: Sie verbinden Realismus und Surrealismus auf ebenso raffinierte wie spannende Weise. Kneffel, 1957 in Marl geboren und eine der bedeutendsten deutschen Malerinnen, hält Alltägliches fest – Früchte, Tiere, Menschen, Innen- und Außenansichten. Aber sie schafft durch Spiegelungen und Überlagerungen eine zweite Ebene. Ergebnis: Szenen wie hinter einem Schleier oder durch eine Scheibe betrachtet. Bildwelten wie aus einem Traum.
Karin Kneffels Ausstellung in Duisburg zeigt alte und neue Arbeiten
Mystisch selbst ihre Stillleben. Paradiesisch-pralle Trauben oder das Innere eines Eis, was für ein Gelb! Und Pfirsiche, prall, köstlich, samtig, in betörender Präzision mit dem feinen Pinsel auf über fünf Meter Leinwand gebannt (1996). Vis-a-vis eine neue Arbeit (2023), derselbe Zauber. Bei zahlreichen Streifzügen durch Kirchen in aller Welt hat Kneffel Gesichter von Marien- und Jesus-Bildnissen fotografiert und sie ohne religiösen Kontext verewigt. Wobei sie festgestellt hat, dass die Marien oft traurig gucken und angestrengt, „ganz anders als von Mütterlichkeit überwältigt.“
Der Blick fällt auf altmeisterlich gemalte Frauen- und Kinder-Porträts, darunter ein Jesus-Kind mit riesigen Ohren (das man laut Kneffel so darstellte, weil es sich die Sorgen aller Menschen anhören muss). Und auch hier ironische Brüche: Zwei Bilder zeigen die junge Künstlerin und ihren Sohn. Und eins eine via KI erstellte Madonna. Rätseln erwünscht!
Räume mit Überraschungseffekt im Museum Küppersmühle in Duisburg
Oder ihre Interieurs. Räume mit Überraschungseffekt, an denen man sich gar nicht sattsehen mag, weil sie so viele Details und Kunst-Verweise enthalten und Kneffel eine so unfassbar gute Malerin ist. Sie hat ins Frankfurter Städel-Museum geblickt, ins Haus Lange in Krefeld und ins Lehmbruck-Museum, wo sie festgestellt hat, dass der Glaskubus mal gesäubert werden müsste. Auf ihrem Gemälde wird er nun gründlich eingeschäumt, wobei sie ihren Mann bat, ihr mit Besen und Schrubber Modell zu stehen.
Ein liegender Dalmatiner vor einer unscharfen Kulisse, perfekt bis auf den letzten Punkt – sein Spiegelbild zeigt ihn mit erhobenem Kopf. Oder Blumen, die dem Betrachter die Rückseite zuwenden, weil sie sich zu einem schneebedeckten Berg drehen. Es macht einfach Spaß, diesen Rundgang zu erkunden.
Verweis auf Gerhard Richter in der Ausstellung „Come in, Look out“
Und manchmal stößt man auch auf Gerhard Richter, dessen Meisterschülerin Karin Kneffel gewesen ist. Aquarelle zeigen sein berühmtes Bild „Betty“, davor staunen drei Studenten in verschiedenen Posen. Warum ihre Gemälde keine Namen haben, sondern nur „Ohne Titel“ hießen, wird die Künstlerin am Ende gefragt. Die muss ein bisschen lachen. Was für eine Idee! „Man sieht doch genug.“