Dortmund. Der Schönheit des Tanzes huldigen: „Metamorphosis“ und „Affairs of the Heart“ in Dortmunds Opernhaus erleben gefeierte Aufführungen

Wenn ein Tanzabend einfach nur einen Nachnamen trägt, dann ist er Programm. Und er ist ein Zeichen, wie weit es ein Choreograph in der Welt des Balletts gebracht hat. Er ist zur Marke geworden. Seit Samstag, nach einer vom Premierenpublikum stürmisch gefeierten Premiere, ist „Dawson“ im Repertoire des Dortmunder Balletts.

Dawson, David, geboren 1972. Gut 20 Jahre war der Brite ein international gefeierter Tänzer, lernte bei den Besten in London und Amsterdam, am Ende war er Solist bei Forsythe in Frankfurt. Da hatte er sich längst für die Zukunft profiliert: als Choreograph, der in kompromissloser Könnerschaft die Fackel der klassischen Linie hoch hielt, ohne auch nur im Geringsten bieder oder rückwärts gewandt zu inszenieren.

Zwei jüngere Arbeiten, beide „Früchte“ der Pandemie (die eine behindert davon, die zweite als Befreiungsschlag nach all den Distanzgeboten), hat Dortmunds Ballett-Intendant Wang an sein Haus geholt. Dass das Wort „rein“ nicht selten fällt, wenn Dawson über Tanz spricht, bestätigen beide Schöpfungen mit enormer Kraft. „Metamorphosis“ wie „Affairs of the Heart“ sind künstlerische Appelle an den Purismus, beherrschen die Kunst des Weglassens. Umso suggestiver die Energie, die hier fließt, die erzählerischen Impulse, die uns Betrachtende in Freiheit lassen.

Termine und Karten

„Dawson“. Zweiteiliger Tanzabend, knapp 2h, eine Pause. Ballett Dortmund, Aufführungen im Opernhaus.

Termine: 20. April, 12., 18., 20., 25. Mai, 2. und 7. Juni.

Karten für die Aufführungen kosten 16 bis 52 €. Kauf unter 0231/50 27 222 und www.theaterdo.de

Das ist zeitgenössischer Tanz und Hommage an die großen Pfade des Genres zugleich. Es gibt sie durchaus, die Hebefiguren im Pas de deux, den kurz aufblitzenden Spitzentanz, die Pirouette, doch Dawsons neoklassischer Zugriff und sein immer wieder Brüche wagender Erzählfluss überwinden mühelos die Gefahr des Selbstverliebten zugunsten einer einzigen großen Liebeserklärung an die Sprache des Körpers und sein wortloses Vokabular.

David Dawsons Ballett „Metamorphosis“: Premiere in Dortmund

„Metamorphosis“ zieht zur Musik von Philip Glass an uns vorüber. Fünf Stücke für Klavier solo (am Flügel Ana-Maria Dafova), inspiriert von Kafkas „Verwandlung“ (ein Mensch wacht als „Ungeziefer“ auf). Aber Dawson ist klug genug, die Szene nicht mit Konkretem zu belasten. Leer die Bühne, in schlichtestem Dress fächert das Ensemble den Kosmos der Möglichkeiten. Der reicht von der Verpuppung in den Schutz unanfechtbarer Zweisamkeit bis zum zehnköpfigen Tableau, das im Gleichmaß die Gefahr der Gleichschaltung umflort. All das in einer extrem reichen Körpersprache, in der Barockzitate Raum haben wie die abrupten Zuckungen jener, die zu Maschinen werden. Verdammte sind es nicht, die Bewegungen von Flug und das immer wieder bedingungslos Emporstrebende scheinen bei Dawson nicht als insektuöser Fluch. Das Prinzip Hoffnung ruht mit Macht auf dem hochästhetischen Bilderfluss.

Traumpaar hochklassigen Ballets: Daria Suzi und Javier Cacheiro Alemán  in David Dawsons „Affairs of the Heart“. Die Dortmunder Erstaufführungen am 13. April wurde mit einhelligem Jubel bedacht.
Traumpaar hochklassigen Ballets: Daria Suzi und Javier Cacheiro Alemán in David Dawsons „Affairs of the Heart“. Die Dortmunder Erstaufführungen am 13. April wurde mit einhelligem Jubel bedacht. © Theater Dorrmund | Leszek Januszewski

Dawson drängt in dieser Choreografie keine „Story“ auf, und er zeigt, erst recht im zweiten Teil des Abend, keine falsche Scham, zur Musik Marjan Mozetichs das Hohelied der Schönheit des Tanzes anzustimmen. In den „Affairs“ weisen im Hintergrund Bildwelten Piet Mondrians den Weg: Dawson kreist um die Liebe - anrührend, zerbrechlich, zart, unstillbar im Hunger, unfassbar im Geschenk, das zwei Menschen einander machen können. Man darf staunen, es ist im oft so zwanghaft verkopften Theater diesmal nicht verboten, einfach zu sagen: Herz zu zeigen, ist ein Glück.

Nach Amsterdam und München jetzt Premiere in Dortmund

Das unter Wang zur internationalen Adresse aufgestiegende Dortmunder Ballett lässt diese in Amsterdam und München uraufgeführten Werke mühelos erblühen. Für die hohe Klasse der Kompanie seien Sae Tamura, Daria Suzi. Matheus Vaz und Javier Cacheiro Alemán stellvertretend genannt. Dortmunds Philharmoniker (Leitung: Koji Ishizaka) deuten Mozetichs titelgebendes, mitunter allzu süffig komponiertes Violinkonzert unbestechlich souverän. Langer Beifall.