Essen. Riccardo Muti in Essen. Der Altmeister kam mit „seinem“ Chicagoer Symphony Orchestra. Das Publikum erlebt einen Triumph der Klangkultur.

Wie eine lebende Legende wirkt der 82-jährige Maestro nicht unbedingt, wenn er festen Schrittes aufs Podium schreitet. Und den Taktstock wird Riccardo Muti auch nicht ablegen, wenn er jetzt eine Farewell-Tournee mit seinem Chicago Symphony Orchestra (CSO) unternimmt, von dem er gerade erst den Ehrentitel „Musikdirektor auf Lebenszeit“ erhalten hat. Den großen Abschied nach 13 Jahren konnte auch das Publikum in der ausverkauften Essener Philharmonie erleben.

Der gebürtige Neapolitaner, der von den amerikanischen Big Five bis zu den Berliner und Wiener Philharmonikern mit den bedeutendsten Orchestern der Welt gearbeitet hat, ist der Aristokrat unter den großen Dirigenten der Gegenwart, wohltuend zurückhaltend, ja würdevoll in seiner Körpersprache am Pult. Das CSO freilich weiß nach so langer gemeinsamer Zeit mit ihm selbst den kleinsten Fingerzeig zu deuten. Auch in dem Abschiedsprogramm, das zwar durch und durch italienisch geprägt war, aber ganz ohne italienische Komponisten.

Mächtiger Klangkörper: Das weltberühmte Chicago mit Riccardo Muti in der Essener Philharmonie.
Mächtiger Klangkörper: Das weltberühmte Chicago mit Riccardo Muti in der Essener Philharmonie. © © Todd Rosenberg Photography | © Todd Rosenberg Photography

Philip Glass etwa hat das apulische Schloss Castel del Monte zu dem Stück „The Triumph oft he Octagon“ inspiriert, das als (Riccardo Muti gewidmetes) Auftragswerk des CSO in deutscher Erstaufführung erklang, freilich genauso wie man den Meister der Minimal Music mit ihren Endlos-Loops und der flutenden Dur-Seligkeit kennt.

Als tönendes Souvenir seiner Italienreise sollte Mendelssohns „Italienische“ nicht fehlen. Muti zeigte sich über jugendliches Draufgängertum erhaben, schlug maßvolle Tempi an, in denen aber das Orchester seine überragenden Qualitäten ausspielte: prächtig in der klassizistischen Klarheit und der Ausgewogenheit der Orchestergruppen samt einem exquisiten Hornsolo als Sahnehäubchen.

Auch Richard Strauss hatte seine sinfonische Fantasie von Landleben, römischen Ruinen und dem Strand von Sorrent „Aus Italien“ mitgebracht. Da war der rieselnde Farbenzauber im Holz und das druckvoll markierende Blech, das samtweiche Schwelgen und die grelle Eulenspiegelei samt dem geklauten Schlager „Funiculì, Funiculà“ – eine orchestrale Sternstunde des CSO, Riccardo Mutis Wunderharfe. Standing Ovations am Schluss und dann mit Verdi doch noch ein „echter“ Italiener als Zugabe.