Essen. Vom linken Revoluzzer zum Auflagen-Millionär: Der in Gelsenkirchen geborene Schriftsteller steht am runden Geburtstag blendend da.

Vom ‘68er-Revoluzzer zum Auflagen-Millionär mit einem Ostfriesland-Krimi nach dem anderen: Es ist wahrscheinlich der Kontrast zwischen der Idylle an der Nordseeküste zwischen Reetdach und Deich, die so viele Urlauber schätzen, und dem Grauen, das seine Serienkiller hinterm Deich anrichten: Seit 2007 schwimmt Klaus-Peter Wolf, der am 12. Januar seinen 70. Geburtstag feiern kann, auf einer selbstgemachten Erfolgswelle. Nur noch Jean-Luc Bannalec mit seinen Bretagne-Krimis versteht sich ähnlich gut darauf, das Schema Mord am Ferienort immer wieder aufs Neue zu variieren. Woran auch seine schlau erfundene Ermittlerin ihren Anteil haben dürfte, die blitzgescheite, etwas überehrgeizige, aber stets erfolgreiche Kommissarin Ann Kathrin Klaasen.

Ann Kathrin Klaasen, Frank Weller, Rupert und die anderen

Überhaupt, Wolfs Figuren-Ensemble: Da ist ja auch Klaasens warmherziger, energischer, aber verständnisvoller Mann und Kollege Frank Weller oder der rüpelhaft-direkte Rupert als eine Art Westentaschen-Schimanski: Das sind eher Holzschnitt-Typen als fein ziselierte Charaktere, genau wie die Mörder, die oft extrem gewieft, exzessiv brutal und äußerst zäh sind. So wächst dann eine „Ostfriesengier“, „Ostfriesensühne“, „Ostfriesenangst“ oder „Ostfriesenwut“ auf mehrere hundert Seiten, die Schmöker sind allesamt stattliche Taschenbücher. Oder werden zur erfolgreichen Fernseh-Unterhaltung: Das ZDF bringt die Verfilmungen seiner Bücher seit 2017 in Serie, die Erstausstrahlungen haben zwischen 6 und 7,7 Millionen Zuschauer, das sind am Abend zwischen 20 und 28 Prozent Quote.

Klaus-Peter Wolf mit seinen Büchern im Café ten Cate, das auch in seinen Büchern immer wieder vorkommt.
Klaus-Peter Wolf mit seinen Büchern im Café ten Cate, das auch in seinen Büchern immer wieder vorkommt. © dpa | Sina Schuldt

Der „Ostfriesenkiller“ war der erste seiner Krimis, der in Bestseller-Ränge aufstieg. Seither folgte Jahr um Jahr ein weiterer Fall für Ann Kathrin Klaasen, und Wolf schreibt, wie ihm, nunja, der Schnabel gewachsen ist. Aber er scheint mit einem Fall pro Jahr nicht ausgelastet, dazwischen gibt es immer wieder Seitenlinien wie „Rupert undercover“ oder die Fälle, die Wolf besonders viel Spaß machen dürften: Um Dr. Sommerfeldt kreisen Krimis, die aus der Täter-Sicht geschrieben sind, bei dem Arzt handelt es sich um eine Art ostfriesischer Hannibal Lecter auf der Jagd nach Schurken.

Klaus-Peter Wolf lebt in der ostfriesischen Stadt Norden

Der schon lange in der ostfriesischen Stadt Norden lebende Klaus-Peter Wolf versteht sich vor allem darauf, immer wieder Spannung zu erzeugen – und dass seine Romane Drehbuch-Qualitäten haben, kommt nicht von ungefähr: Ab den 90er-Jahren schlug er sich bis zu seinem ersten Bestseller als Drehbuch-Autor durch („Polizeiruf 110“, „Tatort“). Seit den 80ern hat er Dutzende von Kinder- und Jugendbücher geschrieben, das tut er auch weiterhin („Nordseedetektive“). Seinen ersten Literaturpreis hat er noch als Gymnasiast mit 18 bekommen (für „die beste deutsche Kurzgeschichte“).

Er, der entscheidende Impulse vom damaligen Gelsenkirchener Bibliotheksleiter Hugo Ernst Käufer hatte, wandte sich danach bald dem „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ zu und kämpfte als DKP-Mitglied für die Befreiung der Arbeiterklasse. Bis heute ist Wolf, der als Geschäftsführer einen literarischen Verlag in die Pleite ritt, bei der Revolution in Nicaragua half und Ende der 80er investigativ für einen Roman zum Frauenhandel recherchierte, stark sozial engagiert, für ein Hospiz und eine Traumahilfe. Und 70 ist für ihn kein Pensions-Alter: Ostfriesenkraft eben.