Essen. Jean-Luc Bannalecs Kommissar Dupin kreist in seinem neunten Fall um Köstlichkeiten aus der bretonischen Küche und der Mord ist wieder nur Gewürz.

Man kann sich kaum noch erinnern, aber schon der erste Fall für den aus Paris in die Provinz strafversetzten Kommissar Georges Dupin, den Jean-Luc Bannalec 2012 in die Welt setzte, drehte sich um Mord an einer Hotelbar. Seither gehört die detailfreudige Schilderung von bretonischen Nahrungsmitteln aller Konsistenzformen von flüssig bis salzhart, von sahneweich bis austernzart zu den Säulen der fortgesetzten Bretagne-Schwärmerei am Haken eines notorischen Kriminalfalls – neben schwärmerischen, vollmundigen, aber recht naturnah wirkenden Landschaftsgemälden in Verbalform sowie eigenwillig-skurrilen Charakteren vom Kommissariat in Concarneau bis zu menschlich-allzumenschlichen Mördern.

St. Malo und seine Schönheiten

Nun aber, mit dem heute wiederum pünktlich vor der Urlaubssaison erscheinenden neunten Fall „Bretonische Spezialitäten“, kreist alles ums Essen und Trinken nach Art des Landes zwischen Atlantik und Ärmelkanal. Es beginnt an der Käsetheke auf dem Großmarkt in St. Malo, wo Commissaire Dupin resigniert feststellen muss, dass er wieder einmal dabei ist, mehr Käse zu kaufen als er eigentlich gebrauchen kann. Denn er macht ja keinen Urlaub in St. Malo, sondern arbeitet hier, und zwar auf die für denkbar unangenehmste Weise: Er besucht ein Seminar, um das er sich alles andere als gerissen hat. Schließlich nehmen daran nicht nur die leitenden Kommissare der bretonischen Departements teil – sondern auch die Polizeipräfekten, so dass auch Dupins aufgeblasen-wichtigtuerischer Vorgesetzter Locmariaquer mit von der Partie ist. Überhaupt gelingt Bannalec Seite um Seite eine treffende Satire auf Zusammenarbeitsverbesserungsseminare und Optimierungswahn, für die freilich auch die Alltagswirklichkeit in Betrieben, Ämtern und Konzernzentralen leicht zu verwandelnde Steilvorlagen liefert.

Ein Fall für die Gender-Polizei?

Dass der erste Mord gleich bei der Käsetheke um die Ecke passiert, dass Dupin die Verfolgung der Täterin aufnimmt, um dann an der begrenzten Motorleistung des spontan requirierten Peugeot-Kleinwagens zu scheitern, sorgt für Tempo von Anfang an. Auch der Schachzug, eine Sterneköchin zum Mordopfer zu machen und ihre konkurrierende Schwester zur höchstwahrscheinlichen, aber schweigenden Täterin, eröffnet viel Raum für Spekulationen – und speichelflussfördernde Menü- und Spezialitätenbeschreibungen.

Dass die beiden Männer im Kommissarsrang zu Einzelgängertum neigen und ihre Kollegin aus St. Malo sie geschickt laufen lässt, um sie fast unmerklich zu koordinieren, wäre fast ein Fall für die Gender-Polizei. Aber da bei dem einstigen S.-Fischer-Verlagschef Jörg Bong, der inzwischen offen einräumt, dass Jean-Luc Bannalec sein Pseudonym ist, jedes Klischee von Zwinkern oder doppelten Böden begleitet wird, kann von Verbrechen gegen die Korrektheit keine Rede sein.

Jörg Bong macht auch Foto- und Sagen-Bücher

Da Bong nach 22 Verlagsjahren nun viel mehr Zeit hat, gibt es seit dem vergangenen Herbst einen Fotoband von ihm zur Bretagne. Und weil es bis zum nächsten Frühsommer noch lang hin ist, erscheint im November ein Band mit den „schönsten bretonischen Sagen“. Irgendwie gehört die von Commissaire Dupin inzwischen auch dazu.

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Spezialitäten. Kommissar Dupins neunter Fall. Kiepenheuer&Witsch, 346 S.,16 €.