Essen. Die Hagener Autorin Birgit Ebbert beschreibt die Konzernherrin auf Zeit in ihrem neuen Roman „Die Königin von der Ruhr“ aus sehr heutiger Sicht.
Detailverliebte Bauvorschriften. Genehmigungen ziehen sich endlos in die Länge. Und Bauhandwerker zu bekommen, ist eine Sache von Glück oder Vitamin B. – Wer sich da in der Gegenwart wähnt, sollte wissen, dass es vor über 100 Jahren auch nicht viel anders war. Jedenfalls sind das die Probleme, mit denen sich Margarethe Krupp und der junge Architekt Georg Metzendorf herumschlagen, als sie den Bau jener Arbeitersiedlung angehen, die wenige Wochen nach dem Einzug der ersten Mieter vom Rat der Stadt Essen „Margarethenhöhe“ getauft wird.
Die Siedlung ist bis heute ein Beweis dafür, dass es vielleicht keine zeitlose Architektur gibt, aber eine , die zu allen Zeiten von vielen Menschen als schön empfunden wird. Metzendorf sorgte trotz der seriellen Bauweise dafür, dass kaum ein Haus dem anderen glich. Er senkte die Deckenhöhe auf vorschriftswidrige 2,50 Meter, um Geld zu sparen, und machte die Treppenhäuser schmal, um mehr Wohnfläche zu gewinnen. Er verzichtete auf Vorgärten, damit die Flächen hinterm Haus größer werden konnten.
Friedrich Krupp und die Gerüchte um sein ausschweifendes Leben auf Capri
Um dieses Lebenswerk kreist die zweite Hälfte des neuen Margarethe-Krupp-Romans von Birgit Ebbert, der mit dem Tod ihres Ehemannes Friedrich Alfred einsetzt. Geschickt lässt die Hagener Autorin in der Schwebe, ob sich der Erbe des übermächtigen Alfred Krupp 1902 das Leben nahm, nachdem vor allem in der sozialdemokratischen Presse Gerüchte über das ausschweifende Leben Krupps mit schönen jungen Männern auf Capri kolportiert hatten – oder an gebrochenem Herzen starb. Ebenso geschickt bringt die frisch verwitwete Romanheldin Kaiser Wilhelm II. dazu, für die Ehre Friedrich Krupps einzutreten.
Margarethe Krupp wird, treuhänderisch für ihre minderjährige Tochter Bertha, in den nächsten vier Jahren zur Konzernlenkerin. Birgit Ebbert malt Margarethe Krupps Innerstes als Frau mit dezidiertem Emanzipationsstreben aus – sie ärgert sich, dass Friedrich ihr nicht die Konzernleitung anvertraute, sondern darauf baute, dass Berthas künftiger Ehemann dieses Amt übernehmen sollte. Sie ärgert über den Adelsstolz ihrer Mutter (schon deshalb will der Romantitel „Die Königin von der Ruhr“ so gar nicht zu dieser Margarethe passen) und die schmarotzende Verwandtschaft, sie begleitet im großbürgerlichen Haus-Idyll ihre Töchter bis zur Heirat und beschäftigt sich als Konzernchefin mehr mit Wohlfahrt als mit Investitionsentscheidungen.
„Die Königin von der Ruhr“ ist aus heutiger Perspektive geschrieben. Auch sprachlich
Und am Tag, als Gustav Krupp von Bohlen und Halbach (der Bertha hier in einer Liebesheirat ehelicht, wiewohl der kaiserliche Einfluss darauf historisch belegt ist) per Hochzeit das Ruder bei Krupp übernimmt, verkündet sie die Gründung ihrer Stiftung zum Bau der Arbeitersiedlung in Essen. Weitblickend: So hat sie etwas zu tun – allerdings schildert der Roman das sehr, sehr detailliert. Wenn sie hier dann bei der Einweihung in der ersten Reihe mit dem Kaiser schreitet, ist auch das gegen die historischen Fakten, zugunsten weiblichen Empowerments, das aus Margarethe eine Ahnin heutiger Emanzipation macht. „Unmöglich,“ empört sich auch ihre Tochter Barabara an einer Stelle, „dass Männer so viel mehr dürfen als Frauen“! Wer hat das bestimmt)“.
Ohnehin ist auch die Sprache dieses Romans sehr heutig, Begriffe wie „zeitnah“, „Themen“, „Termine“ und „Projekte“ gehören zum aktuellen Management-Sprech, genau wie Phrasen a la „am Ende des Tages“. Seine größte Schwäche des Romans aber liegt darin, dass der weitgehend spannungsbefreite Erzählstil den prinzipiellen Nachteil von Roman-Biografien noch verdoppelt: Es ist ja bekannt, wie sie ausgehen.