Essen. Apache 207, der größte deutsche Rapper, gastiert in Essen. Die Fans sind begeistert, bekommen aber einen anderen Apache, als sie erwartet haben.
Apache. Der Gangster. Der ab und an sein Tanzbein schwingt. Viel besser kann man Volkan Yaman – nichtbürgerlich Apache 207 – nicht zusammenfassen, vielleicht noch, wenn man sich sein weißes Unterhemd, die Jeans und die langen, schwarzen Haare dazudenkt. Der Ludwigshafener ist das größte deutsche Pop-Phänomen seit einigen Jahren, wie er das geschafft hat? Durch tiefstapeln.
Seine Texte triefen vor Ironie, zumindest was den deutschen „Gangster“-Rap angeht. Statt dem dicken Lamborghini setzt er auf seinen Roller („zehn PS“), statt Drogen sippt er den Weißwein lieber auf dem Beifahrersitz, wegen „don’t drink and drive“. Dazu wird der betont lässige 80er-Sound in den Rap gewurschtelt, die zugehörigen Musikvideos werden vorzugsweise mit Freunden aus der Ludwigshafener Heimat gefilmt. Was soll da noch schiefgehen? Einiges, wie Apaches Konzert vor 20.000 Fans am Essener Seaside Beach zeigt.
Apache 207 in Essen: eine Wahnsinnsshow
Die Show, keine Frage, die ist hervorragend. Ganz in Weiß gewandete Trommler machen den Anfang am Ufer des Baldeneysees, 20.000 Kehlen kreischen voller Vorfreude. Als der Messias des Deutschraps in Person auftaucht, schießen Feuersäulen aus der Bühne, die Kulisse: eine Apache-Tankstelle, inklusive Mercedes SL. Alle Handys gehen hoch, wer’s nicht gefilmt hat, war nicht da.
Aber das ist des Pudels Kern. Die LoFi-Attitüde („Low Fidelity“, also simple Qualität), funktioniert ganz gut, in den Videos mit Ludwigshafener Charme, dem Sound der 80er-Jahre, und dem Boot, das Apache nach Hause bringt. Aber sie bröckelt, wenn 20.000 Menschen vor der hochgerüsteten Bühne stehen, Pullover aus dem offiziellen Merchandise-Shop tragen und kurz noch an der Sony-Station vorbeigeschaut haben, die die Lieblingskopfhörer von Apache präsentiert.
Zwei verschiedene Apachen
Dabei gibt sich der Musiker alle Mühe. In einem kleinen Vorfilmchen ist er unterwegs auf der Autobahn zum Konzert in Essen, zahlt selbstverständlich seine Tankrechnung und stellt seine Dose neben den Mülleimer, „Pfand gehört daneben“, erklärt er einer umweltbewussten Dame. Dann steht er in seinen Jeansklamotten auf der Bühne. Holt Fans auf die Bühne und die Motorhaube seines Mercedes SLs, denn „an einer Tankstelle chillt man nicht alleine.“
Aber trotzdem: der Apache von Youtube, von Spotify, ist nicht der, der am Essener Baldeneysee auf der Bühne steht. Der Essener Apache und sein DJ bauen sogar Mitsingpausen in die Songs ein, man kennt sie vom Schützenfest. Aber statt „Hölle, Hölle, Hölle, Hölle“ grölt die Menge „Indianer, Apache“.
Zwei Seelen wohnen in Apaches Brust
Diese Kritik kann Apache locker weglächeln. Weil er seine Fans im breiten Rücken hat, 40.000 in Essen insgesamt, 20.000, die die Show am Samstag hörbar genießen. Ein schizophrener Beigeschmack bleibt trotzdem, da ist der eine Apache, der im Internet tiefstapelt und den deutschen Gangster-Rap der letzten Jahrzehnte gekonnt-gelassen auf die Schippe nimmt.
Und dann ist da eben der andere, der vor Zehntausenden auf der Bühne steht, um dessen Musik sich keiner kümmert, sondern bloß darum, den tanzbeinschwingenden Gangster auf Video zu erwischen. Vielleicht legt sich Volkan Yaman in Zukunft einfach noch einen zweiten Alias zu, nur für Liveshows.