Essen. Für Millionen Gartenpools naht das Ende der Badesaison. Chlor und Biozide haben das Wasser sauber gehalten. Nun werden sie zum Umweltrisiko.
Wieder hat der zurückliegende Sommer die Debatten über das private Schwimmvergnügen angeheizt. In vielen Kommunen des ländlichen Raums bekamen kleinere Wasserversorger zunehmend Kapazitätsprobleme, sprunghaft steigende Trinkwasserverbräuche zu decken. Wenn nun am Ende der Badesaison das Poolwasser abgelassen wird, kommt ein weiteres Problem ans Licht: Die Chemie im Wasser belastet Mensch und Umwelt.
Tatsächlich schafft der Appell an private Poolbesitzer, Wasser zu sparen und Tausende Liter möglichst das ganze Jahr über im Pool zu lassen, neue Risiken: Die Desinfektions- und Algenbekämpfungsmittel, mit denen das Poolwasser über Monate „haltbar“ gemacht werden soll, sind Biozidprodukte und enthalten Beistoffe, die zum Teil als „umweltgefährlich“ und „sehr giftig für Wasserorganismen“ eingestuft sind, warnt das Umweltbundesamt (UBA). Sie bergen Risiken für Menschen, Tiere und Pflanzen, wenn Chemikalien unsachgemäß verwendet oder das aufbereitete Wasser in Gärten entsorgt wird. Wohin damit?
Über zwei Millionen private Pools in deutschen Gärten
Die Beliebtheit der Aufstellpools, die über 10.000 Liter fassen können, hatte in der Corona-Pandemie sprunghaft zugenommen. In den Baumärkten seien die Pools weggegangen wie anderswo Toilettenpapier, sagte Erich Harsch, Chef der Baumarktkette Hornbach. Aktuell stehen in deutschen Gärten 2,1 Millionen private Pools, gibt der Bundesverband Schwimmbad & Wellness an, zwei Drittel davon sind Aufstellbecken oder in den Boden eingelassene Freibäder.
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Die Chemikalien zur „Poolpflege“ gibt es in Baumärkten oder Onlineshops. Doch wie die Stoffe im Wasser dosiert werden, müssen sich die Poolbesitzer selbst aneignen. Im besten Fall liegen den Pools Gebrauchsanleitungen bei. Doch wie gefährlich sind die Produkte für Mensch und Umwelt?
Biozide: „Entwickelt, um Organismen abzutöten“
„Wenn ein Produkt die Zulassung erhalten hat und es so verwendet wird, wie es auf der Verpackung steht, dann kann man davon ausgehen, dass es zu keiner Gefährdung kommt“, sagt Corinna Burkart, Biozid-Expertin des Umweltbundesamtes. In Pools, in denen Menschen schwimmen, würden nicht die „schlimmsten“ Wirkstoffe im Biozidbereich zum Einsatz kommen. In anderen Anwendungsbereichen gebe es Stoffe mit deutlich ungünstigeren Eigenschaften. „Ich möchte damit aber nicht sagen, dass Pooldesinfektionsmittel harmlos sind", ergänzt Burkart. „Biozide sind dafür entwickelt worden, um Organismen abzutöten, deswegen können sie nicht harmlos sein. Aber sie haben ein vergleichsweise günstigeres Risikoprofil.“
UBA: Chlor kann zu Haut- und Augenreizungen führen
Tatsächlich werden die unterschiedlichsten Stoffe eingesetzt, um die Wasserqualität im Pool über einen längeren Zeitraum zu sichern. Chlor, Aktivchlor, Mittel zur Steuerung des pH-Werts, Flockungsmittel und Biozide gegen Algenwachstum – sie alle sollten in der korrekten Dosierung und gemäß der Herstellerhinweise in das Wasser gelangen.
Die am häufigsten in Pools verwendete Chemikalie ist Chlor. „Durch seine desinfizierende, tötende Wirkung beseitigt es Bakterien und Algen“, so das UBA: Wird Chlor dem Wasser zugegeben wird, entsteht eine schwache Säure, die als Hypochlorsäure bezeichnet wird, die dem Wasser die Fähigkeit verleiht, zu oxidieren und zu desinfizieren. Ein zu hoher Chlorgehalt im Wasser aber kann zu Haut- und Augenreizungen führen.
Nur dann unbedenklich, wenn die Dosierung stimmt
Ein weiteres Problem betrifft Chlor, das für den Außenbereich verkauft wird: Hersteller versetzen es mit Stabilisatoren, um das Chlor vor der zu schnellen Zersetzung durch die Sonneneinstrahlung zu schützen. Oft verwendeter Stabilisator ist die Cyanursäure. „Häufig erreichen Pools übermäßige Cyanursäurekonzentrationen ohne das Wissen der Anwender“, warnt das UBA. „Poolbesitzer sollten überprüfen, ob das von ihnen verwendete Chlor Cyanursäure/Stabilisator enthält, denn eine zu hohe Konzentration kann gesundheitsschädlich sein, insbesondere wenn das behandelte Wasser verschluckt wird.“
Risiken bergen auch andere Algizide, die neben Algen auch Bakterien oder Pilze abtöten. Laut Umweltbundesamt kommen häufig Kupfersulfat, Kupferchelate und Ammoniumverbindungen als Wirkstoffe zum Einsatz. Auch sie gelten nur dann als unbedenklich, wenn sie in der richtigen Dosierung angewandt werden.
Umweltbundesamt hat manche Chemikalien noch nicht geprüft
Doch wie groß die Risiken der Desinfektionsmittel tatsächlich sind, ist selbst bei frei erhältlichen Chemieprodukten noch nicht abschließend geprüft. Denn nach wie vor sind laut UBA zahlreiche Desinfektions- und Algenbekämpfungsmittel auf dem Markt, die bisher nur registriert, aber noch nicht endgültig zugelassen worden seien. Der Hintergrund: In der seit rund zwei Jahrzehnten laufenden Neubewertung von Bioziden in der EU gibt es Produkte, die das zweistufige Zulassungsverfahren noch nicht durchlaufen haben. Verkauft werden dürfen sie trotzdem.
„Das Umweltbundesamt ist dafür zuständig, die Produkte zu prüfen und hinsichtlich der Umweltrisiken bewerten“, erklärt Burkart, schränkt jedoch ein: „Wir können aber nur Aussagen zu den Produkten machen, die das Zulassungsverfahren schon durchlaufen haben.“ Bislang gebe es kein Produkt, das die Zulassung nicht geschafft habe. „Es sind aber noch nicht alle verfügbaren Produkte durch das Zulassungsverfahren gelaufen.“
Die Produkte, für die es noch keine abschließende Zulassung gibt, müssen jedoch registriert sein. „Der Verbraucher kann ein registriertes Produkt an der Registriernummer erkennen. Sie beginnt mit einem N, zum Beispiel N-12345“, so Burkart. „Hat ein Produkt das Zulassungsverfahren durchlaufen und eine Zulassung erhalten, ist es mit einer längeren Zulassungsnummer gekennzeichnet, die mit einem DE für Deutschland oder einem EU für die Europäische Union beginnt, zum Beispiel DE-0012345-00-0000-02.“
UBA: Mit Poolwasser nicht den Garten bewässern
Wohin aber mit dem Wasser am Ende des Sommers? Das Umweltbundesamt warnt grundsätzlich davor, die Chemikalien mit der Poolfüllung in den Garten abzulassen oder es für die Bewässerung von Blumen oder Rasen zu verwenden. Auf diese Weise könnten die Stoffe in Gewässer oder auch ins Grundwasser gelangen. „Chemisch behandeltes Wasser, also auch desinfiziertes Poolwasser, wird in der gesamten EU rechtlich als Abwasser betrachtet, so ist es auch im Wasserhaushaltsgesetz definiert. Das Umweltbundesamt geht deswegen davon aus, dass die Entsorgung über die Kanalisation die beste Option ist“, sagt UBA-Expertin Burkart.
Entsorgung in den Kommunen unterschiedlich geregelt
Dass aufbereitetes Poolwasser nicht in den Untergrund gelangen darf, findet sich auch in den wasserrechtlichen Bestimmungen der Bundesländer. Regional aber werde die Entsorgung sehr unterschiedlich gehandhabt, merkt das UBA an. „Es gibt regionale Regelungen in Städten und Kommunen, die davon abweichen können“, so Burkart. Sie empfiehlt: „Grundsätzlich sollten sich Poolbesitzer vor der Entsorgung des Wassers an örtliche Behörden wenden. Das könnte das Umweltamt, das Ordnungsamt oder auch die örtlich zuständige Wasserbehörde sein, die in der Regel bei der Stadt oder dem Landratsamt angesiedelt ist. Wichtig aber ist vor allem, die Anweisungen auf dem Produkt selbst zu beachten. Darin wird möglicherweise bereits ein bestimmter Entsorgungsweg wegen unakzeptabler Risiken ausgeschlossen.“
Grenzwerte bei Chlor für Laien kaum zu ermitteln
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Das Umweltbundesamt empfiehlt, möglichst auf den Einsatz von Bioziden im Wasser zu verzichten. „Wir wissen aber, dass das bei größeren Pools nicht ohne weiteres möglich ist, auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes“, sagt Burkart. „Wer einen Pool aufstellt und das Wasser desinfiziert, sollte ein Filtersystem nutzen, um den Einsatz von Chemikalien zumindest zu minimieren. Bei Planschbecken für Kinder, die ohne Filter verkauft werden, empfehlen wir, das Wasser auszuwechseln, statt es aufzubereiten.“
Ist im Pool chlorhaltiges Wasser und liegt der Chlorgehalt über 0,05 Milligramm pro Liter, muss das Poolwasser zwingend in die Kanalisation geleitet werden. Den Aktivchlorgehalt des Wassers so genau zu bestimmen, ist allerdings ohne entsprechende Messinstrumente kaum möglich. Als Faustformel gilt: Nach einer Chlorung dauert es etwa 48 Stunden, bis der Grenzwert unterschritten wird.
UBA: Mit Filteranlage und Kescher den Algen vorbeugen
Chemikalien könnten das Poolwasser eh nur in begrenztem Maße sauber halten, so das UBA. Haare, Hautschuppen sowie anfallendes Laub oder Insekten würden so nicht aus dem Wasser entfernt werden können. Ein Laubkescher, eine Bürste zum Abschrubben der Wände und Böden sowie eine Filteranlage seien wirksame Präventionsmaßnahmen.