Essen. Keine Macht den Spießern! Die Band Kraftklub stellt mit ihrem neuen Album „Kargo“ unter Beweis, dass sie nichts von ihrer Energie verloren hat.

Kraftklub ist zurück. Nach fünf Jahren Pause und dem zwischenzeitlichen Solo-Album „Kiox“ von Frontmann Felix Kummer (33) haben die fünf schlauen Rabauken aus Chemnitz nichts von ihrer Energie verloren. Auf dem vierten Album „Kargo“ rocken sie wild wie eh und je, während sich inhaltlich zur gewohnten Schärfe eine etwas größere Portion (Selbst)-Reflexion gesellt. „Wir alle in der Band sind Dilettanten“, sagt Kummer. „Das ist kein Understatement, sondern die krasse, bittere Wahrheit.“

Mit den limitierten musikalischen Fähigkeiten kokettiert Kummer im Text zu „Teil dieser Band“, dem ersten der elf neuen Songs. Erfolgreich und berühmt geworden, mit ausverkauften Tourneen und allen Alben auf Platz eins, sind die Chemnitzer dennoch. „Woran es bei uns gelegen hat, weiß ich trotzdem nicht. Jedenfalls sehe ich diesen Song auch als einen Gegenentwurf zu diesem FDP-Mindset, von wegen ,Du kannst alles schaffen, wenn du nur hart genug arbeitest.’ Nein, kannst du nicht. Manchmal entscheidet auch nur der pure Zufall.“

Kraftklub: Die richtige Band zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Kraftklub, gegründet vor zehn Jahren, waren und sind wohl ganz einfach die richtige Band zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Auch Kummers kluge Worte tragen maßgeblich dazu bei, dass Kraftklub eine dieser Bands ist, auf die man sich einfach einigen kann – sofern man nicht der sächsischen CDU angehört, die in den Jungs lange Zeit eine gefährliche Speerspitze der Antifa-Bewegung sah (oder auch vielleicht noch immer sieht).

Dabei singt Kummer eben über die Themen, die ihn beschäftigen. Er kommt, wie alle in der Band, aus Chemnitz, und schon mit ihrem ersten Hit „Ich will nicht nach Berlin“ machten sie damals klar, wo sie hingehören. Chemnitz gilt nicht ohne Grund als Hochburg des Rechtsextremismus, 2018 jagten Nazis nichtdeutsch aussehende Menschen durch die Straßen, eine Woche später stellte Kraftklub das Solidaritätsfestival „#WirSindMehr“ gegen rechte Gewalt auf die Beine.

Der Wunsch, etwas zu verändern

Das neue Lied „Vierter September“ handelt nun von der Katerstimmung am Tag danach. „Nach einem kurzen Moment, wo man glaubte, wirklich etwas verändern zu können, wird einem klar, dass alles beim Alten geblieben ist. Faschisten gibt es immer noch, und am institutionellen Rassismus in deutschen Behörden hat sich nichts geändert. Aber es ist nicht Nichts, wenn man den Leuten das Gefühl gibt, nicht allein zu sein.“

Dass es Rechtsextreme gibt, wusste Kummer, aus links-alternativen Verhältnissen stammend, schon als Kind. Beim Weggehen habe ab 14, 15 die Gefahr, „auf dem Heimweg die Fresse poliert zu bekommen“, einfach dazugehört. Deshalb warne er heute lieber „einmal zu viel als einmal zu wenig“ vor den Nazis. „Es ist uns immer wieder wichtig, klarzumachen, wo wir stehen – selbst, wenn das offensichtlich ist.“

Die neuen Texte sind reifer und reflektierter

In Songs wie „Wittenberg ist nicht Paris“ zeigt sich zudem, dass Kummer als Texter reifer und reflektierter geworden ist, so spricht er selbstkritisch über die Leute um die 30, die in den von den Großeltern geerbten Wohnungen in wohlhabenden Designermöbelvierteln das Wahlergebnis der Grünen feiern, während Gleichaltrige, die im Osten geblieben und ohne Vermögen sind, sich immer noch vor den Nazis in den Büschen verstecken.

Am Überraschendsten auf „Kargo“ ist die Zusammenarbeit mit Tokio Hotel im Anti-Spießer-Song „Fahr mit mir (4x4)“. Man denkt ja, einen Felix Kummer und einen Bill Kaulitz würden Welten trennen, doch der Kraftklub-Sänger sieht das ganz anders. „Ich war überrascht, wie viele Gemeinsamkeiten wir haben. Wir sind in ähnlichen Städten und Umfeldern in Magdeburg und Chemnitz aufgewachsen, wir als Skater und Hip-Hopper, das hat uns das Leben schon schwer genug gemacht. Aber man kann sich ausmalen, wie es vor 15, 20 Jahren war, wenn man Kajalstift getragen hat und Fingernagellack.“