Herne. Die Lesebühne in der „Alten Druckerei“ spürt die Folgen von Corona und Inflation. Und die Doppelbelastung für Betreiberin Elisabeth Röttsches.
Als Elisabeth Röttsches vor sieben Jahren das Literaturhaus Herne Ruhr im ehemaligen Druckhaus für den „Herner Anzeiger“ eröffnete, machte sie damit auf eine empfindliche Lücke aufmerksam: Das Ruhrgebiet hatte bis dahin jahrelang kein zentrales Literaturhaus auf die Beine gestellt bekommen, alle Überlegungen dazu waren im Sande verlaufen. Da war die Idee, das Literaturhaus Herne mit dem Beinamen „Ruhr“ zu schmücken, eher ein Denkanstoß denn ein Ausweis von Platzhirsch-Mentalität, wie manche glaubten.
In Dortmund gab es bereits seit dem Kulturhauptstadt-Jahr ein kleines Literaturhaus, das in Oberhausen sollte 2017 folgen – und mit dem Netzwerk Literaturgebiet Ruhr kam dann 2018 jenes Dach hinzu, das eine logische Schlussfolgerung aus dem dezentralen Aufbau des Ruhrgebiets bildet. In Bochum wird allerdings immer noch um ein Literaturhaus gekämpft.
„Alle Kosten sind gestiegen“, sagt Elisabeth Röttsches
Umso herber nun der im kommenden März anstehende Verlust eines der schönsten Orte für Literatur & Co. im Revier, den manche auch wegen des lauschigen Innenhofs gern als „ein Stück Toskana im Ruhrgebiet“ beschrieben: Betreiberin Elisabeth Röttsches, der auch die gleichnamige Buchhandlung nebenan gehört, gibt auf, weil sie die finanzielle Belastung durch das niveauvolle Programm nicht länger stemmen kann, trotz Unterstützung etwa durch die Gelsenwasser-Stiftung. „Alles, was es an Kosten gibt, ist gestiegen“, sagt Elisabeth Röttsches. Auf der anderen Seite hätten die Publikumszahlen seit der Wiederaufnahme des Programms nach der Corona-Pandemie nicht mehr das Niveau erreicht, das sie bis 2019 noch relativ zuverlässig hatten. Die im Vergleich zu anderen Veranstaltern ohnehin eher im oberen Segment angesiedelten Eintrittspreise für die maximal 120 Plätze im Saal mochte man ebenso wenig erhöhen wie die Mitgliedsbeiträge im Trägerverein des Hauses.
Hinzu kommt, dass Elisabeth Röttsches im Alter von nunmehr 66 Jahren auch die Doppelbelastung durch das Literaturhaus und die seit über 111 Jahren inhabergeführte Buchhandlung nebenan nicht mehr länger stemmen kann – auch wenn ihr seit 2018 die Projektleiterin Verena Geiger zur Seite steht.
Von Axel Hacke und Terézia Mora bis Takis Würger und Arne Dahl
Das Literaturhaus organisierte etwa 80 Veranstaltungen pro Jahr, hauptsächlich Autorenlesungen aktueller Literatur von Axel Hacke und Terézia Mora bis Takis Würger und dem schwedischen Krimi-Star Arne Dahl. Aber auch Konzerte, Diskussionen über Sachbuch-Themen (wie bald vom Moderator Ingo Nommsen mit seinem Buch „Hilfe, ich bin zu nett!“) oder szenische Lesungen wie Ende September mit August Zirner und Katalin Zsigmondy, die Flauberts Briefe lebendig werden lassen.